Ion Tiriac Gold im Teich

Der einstige Boris-Becker-Manager Ion Tiriac hat mithilfe bester Deutschland-Kontakte ein Firmenimperium errichtet. Er ist der reichste Mann Rumäniens.

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Das trockene Buschwerk am Ufer des Sarulesti-Sees tanzt und windet sich, als der blau-weiße Helikopter mit der Aufschrift Ion Tiriac Air einschwebt. Ein Auftritt ganz nach dem Geschmack seines einzigen Passagiers. Die Rotorblätter kreisen noch, als der Mann mit dem mächtigen, um die Mundwinkel fast weißen Schnauzbart aussteigt. Ion Tiriac trägt Khaki-Hose, ein dezent kariertes helles Hemd und eine randlose Brille. Tiriac ist in Eile, der nächste Termin drängt. Wann immer es geht, nimmt er den Hubschrauber oder eines seiner Flugzeuge. Vor 20 Jahren war Tiriac der finster dreinblickende Manager des jungen Tennisstars Boris Becker. Heute wartet am idyllischen Seeufer der deutsche Unternehmer Roland Schröder auf ihn. „Also“, ruft ihm der bärige Rumäne entgegen. „Wann können wir den ersten Kaviar essen?“ Denn darum geht es im Gemeinschaftsprojekt der beiden Männer: Sie wollen die „weltgrößte Störzucht“ aufziehen. Gut möglich, dass Tiriac, inzwischen 66 Jahre alt, auch das gelingt. Denn praktisch alles, was er in seiner 34-jährigen Unternehmerkarriere angefasst hat, ist zu Gold geworden. Der Mann aus Brasov (Kronstadt) ist in seinem Heimatland eine Legende. Ein Vermögen von geschätzt einer Milliarde Dollar macht ihn zum mutmaßlich „reichsten Mann Rumäniens“. Sein Firmenimperium Tiriac Holdings macht einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro. 16.000 Menschen arbeiten für das Konglomerat, das Ableger in der Autoindustrie, Finanzbranche, im Immobiliengeschäft, in Luftfahrt und Tourismus hat. Nebenbei ist er Manager der Tennisprofis Marat Safin und Goran Ivanisevic und Veranstalter fünf internationaler Tennis-Turniere. Und er pflegt noch immer beste Verbindungen nach Deutschland. Schröder und Tiriac lernten sich vor 13 Jahren auf einer Industriemesse in Bukarest kennen. Der Westfale verkaufte an seinem Stand Motoröl von Aral, Tiriac nebenan Limousinen von Mercedes. Schröder, der 1986 mit dem Import rumänischer Lkw-Kippmulden ins Osteuropa-Geschäft einstieg, berät deutsche Unternehmen bei Investitionen in Rumänien. Jetzt will er mit Tiriac in den zahllosen Fischteichen Rumäniens eine gigantische Kaviarproduktion aufziehen. Rund 100 in Deutschland geschlüpfte Störe des von Schröder gegründeten Artenschutz-Vereins Euro-Sturio sollen den Zuchtstamm bilden. Vermehren sich die Tiere wie erhofft, rechnet Schröder in fünf bis zehn Jahren mit einem Umsatz von einer Milliarde Dollar. Kühne Zahlen: Die beiden wären nicht die Ersten, die bei dem Versuch baden gingen, den sensiblen Knorpelschmelzschupper in Aquakultur großzuziehen. Seine Methode für an Unwägbarkeiten reiche Projekte sei simpel, sagt Tiriac: „Ich erkenne genau, wann ich dumm bin. Dann hole ich mir Partner, die schlauer sind als ich.“ Die Liste solcher Partner ist lang. Tiriac ist Exklusiv-Importeur von Automarken wie Ford, Chrysler, Jeep, Land Rover, Mazda, Hyundai und Mercedes-Benz. Der rumänische Automarkt boomt. „Doppelt so viele“ Mercedes Sprinter könnte er verkaufen, „wenn Mercedes sie liefern könnte“, sagt Tiriac. Die rumänische Wirtschaft soll in diesem Jahr um bis zu fünf Prozent wachsen. Dass die Kaufkraft seiner Landesleute steigt, freut auch Ion Tiriac. Die 23 rumänischen Metro-Märkte gehören zu 15 Prozent ihm.

Auch im Versicherungsgeschäft spielt Tiriac ganz vorn mit – auch hier zusammen mit einem deutschen Partner: Die Allianz-Tiriac Asigurari ist Rumäniens Marktführer und eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen der Allianz-Gruppe. Ebenso rasant entwickelt sich die 1991 gegründete Banca Tiriac. Mehr als 50 Prozent des Geldinstituts verkaufte der Unternehmer im vergangenen Jahr für 248 Millionen Euro an die HypoVereinsbank (HVB) – wissend, dass noch mehr begehrliche Blicke darauf ruhten: Auch Banken wie BNP Paribas und Société Générale hofften, sich mit Tiriacs Hilfe einen der wachstumsstärksten Finanzmärkte Europas zu erschließen. Was seine Verhandlungsposition zudem stärkte: Damals schickte sich die italienische Großbank UniCredit an, die HVB zu übernehmen. Und für die Italiener war die Münchner Bank vor allem auf Grund des Geschäfts in Osteuropa interessant. Tiriac lehnt sich zurück in seinen Sessel im fünften Stock eines modernen, von zerzausten Bukarester Hunden umstreunten Bürogebäudes an einem See mitten in der Stadt. Ein Schwarz-Weiß-Foto hinter dem Schreibtisch zeigt Tiriac als Tennisspieler mit wilder schwarzer Mähne. Im Regal liegt ein betagter hölzerner Schläger. Tiriacs erwachsener Sohn „Ion Ion“ und seine beiden jüngeren Kinder, die an seinem Privatwohnsitz in Monaco leben, blicken ihn aus Fotorahmen auf dem Tisch an. Mit lautem Klicken zündet sich Tiriac eine „Parliament Light“ an. „Ich hasse es, im Büro zu sein. 15 spektakuläre Jahre in Rumänien“ habe er gehabt, sagt er. Jetzt will er sich mehr Zeit für sich selbst und seine Kinder nehmen. Versucht ein ausländischer Geschäftsmann, ihn für ein neues Joint Venture zu begeistern – was „20-mal am Tag“ vorkommt –, blockt er sofort ab. Tiriac will konsolidieren. Das Kaviar-Projekt noch, weil es Arbeitsplätze für Rumänien bringt, ja, und vielleicht noch ein rumänischer Fernsehsender gemeinsam mit der RTL-Gruppe, aber das war’s dann. Deshalb hat der Paradiesvogel der rumänischen Geschäftswelt, der schon mit elf Jahren Halbwaise wurde, als Teenager in einer Lastwagenfabrik Kugellager prüfte, mit 16 in der rumänischen Eishockey-Auswahl spielte und dann zum Profitennis wechselte, eine junge Vorstandsvorsitzende eingestellt. Anca Ioan leitete zuvor die Bukarester Niederlassung der deutschen Unternehmensberatung Roland Berger. Boris Becker, DaimlerChrysler, Metro, Allianz, HVB, Lufthansa, Roland Berger – die Deutschland-Connection ist fester Bestandteil von Tiriacs Geschäften. Viele seiner Geschäfte hat er am Rande von Tennisturnieren eingefädelt. Dass er nach dem Fall der Ceausescu-Diktatur nach Rumänien zurückkehrte, änderte daran nichts. Einer von Tiriacs engsten Freunden in Deutschland ist der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, der ehemalige DaimlerChrysler-Manager Klaus Mangold. Mit ihm geht Tiriac regelmäßig jagen, oft ist auch E.On-Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann dabei. Tiriac hat einen guten Draht zum ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Lothar Späth. Er war Vertrauter des inzwischen verstorbenen Mercedes-Chefs Werner Niefer und trifft sich sich mit Größen der deutschen Wirtschaft wie Ex-Siemens-Chef Heinrich v. Pierer.

Bei den Kanzlern Helmut Kohl und Gerhard Schröder fand er mit seinem Anliegen, deutsche Investitionen in Rumänien zu fördern, Gehör. Als „gerissen, aber fair“ bezeichnete ihn der Milchfabrikant Theo Müller. „Das ist einer, der teilt mit Ihnen selbst den letzten Tropfen Wasser“, sagt sein Jagdfreund Mangold. Störzüchter Schröder glaubt, den Grund für Tiriacs Popularität bei deutschen Managern und Politikern zu kennen: „Er hat viel von der deutschen Mentalität angenommen. Das weckt ihr Vertrauen.“ Für Überraschungen ist er dennoch jederzeit gut. Eine 25-jährige Studentin, die während eines Tennisturniers in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre als VIP-Fahrerin jobbte und Tiriacs Drängen, ihn selbst ans Steuer zu lassen, mit frechem Humor abwehrte, stellte er spontan als Assistentin der Turnierleitung ein. Dass der charismatische Macher, der neben Rumänisch, Englisch und Deutsch auch Italienisch, Französisch und Ungarisch spricht, ein spendabler Star im Rampenlicht der Medien ist, hat seiner Beliebtheit auch nicht geschadet. Geschickt spielt er dabei mit der Eitelkeit von Managern. Von Tiriac zur Jagd gebeten zu werden, gilt in Rumänien-affinen Managerkreisen als Ritterschlag. Mit Tiriac auf die Pirsch gehen heißt, schnurstracks durch die Passkontrollen am Flughafen geleitet zu werden, mit dem Hubschrauber in Richtung Karpaten abzuheben und ungezwungen einflussreiche Menschen aus aller Welt kennen zu lernen. Den stellvertretenden Vorstandschef eines deutschen Mineralölkonzerns lockte Tiriacs Glanz so sehr, dass er sich unter dem Vorwand, man müsse doch mal über den Aufbau eines Tankstellennetzes in Rumänien sprechen, zur Jagd einladen ließ. Ein Zucken mit den Mundwinkeln war Tiriacs einzige Regung, als er von dem Schwindel erfuhr. Tiriacs Jagdleidenschaft ist legendär. Er besitzt eine Sammlung von 80 Gewehren und reist seit Anfang der Achtziger jedes Jahr zur Großwildjagd nach Tansania. Anfang 2005 handelte er sich Ärger ein, als er in seinem 11.000 Hektar großen Pachtrevier in Transylvanien eine schießfreudige Waidgesellschaft beherbergte. 185 tote Wildschweine an einem Wochenende waren die Bilanz – 155 mehr, als erlaubt. Mit dabei waren Mangold, Bergmann, Wolfgang Porsche, Prinz Max Emanuel von Thurn und Taxis und der ehemalige rumänische Premierminister Adrian Nastase. Tierschützer sprachen von einem „Massaker“. Tiriac federt aus seinem Sessel hervor und sagt „Hören Sie!“ Das sagt er oft, wenn ihn etwas nervt. „185? Dafür entschuldige ich mich. Wir hätten 300 schießen sollen.“ Der hohe Wildschweinbestand in der Gegend gefährde das ökologische Gleichgewicht, doziert er. Das rumänische Landwirtschaftsministerium war anderer Meinung. Es bemängelte, Tiriacs Pachtvertrag sei ohne ordentliche Ausschreibung zu Stande gekommen und erklärte ihn für ungültig.

Schon oft ist Tiriac ins Gerede gekommen. Das französische Wochenmagazin „Le Point“ verdächtigte ihn, 20 Millionen Euro für die Vermittlung eines rumänischen Staatsauftrags an EADS kassiert und damit den Wahlkampf von Ex-Premier Nastase unterstützt zu haben. „Eine erfundene Geschichte“, sagt Tiriac. Solche erschienen immer dann, wenn einflussreiche Politiker fürchteten, er werde für das Amt des Präsidenten kandidieren. Tiriacs Sohn „Ion Ion“ Alexandru Tiriac musste sich wegen Kokainbesitzes vor Gericht verantworten. Im September wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen – weil Tiriac senior die Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt habe und Beweismaterial verschwunden sei, sagen Ermittler heute. Nun soll ein Berufungsgericht den Fall wieder aufrollen. Die rumänische Justiz steht unter Druck. Mitte Mai wird die EU-Kommission entscheiden, ob Rumänien 2007 der Union beitreten darf. Bis dahin muss Justizministerin Monica Macovei zeigen, dass sie erfolgreich gegen die Korruption vorgeht. Einer ihrer prominentesten Fälle ist der mit Tiriac befreundete Adrian Nastase. Der Politiker soll Auskunft über eine dubiose Erbschaft und einen auffallend preiswerten Grundstückskauf geben. Noch gilt Tiriac in seiner Heimat als einer der wenigen, die ihr Vermögen sauber erworben haben. Aber die Einschläge kommen näher. Der Netzwerker selbst bleibt gelassen: „Ich habe Herrn Nastase nicht gebraucht.“ Im Gegenteil, Nastase habe seine Kontakte in den Westen benötigt – was in Ordnung sei, denn es habe ausländische Investoren ins Land gebracht. Obwohl viele ihm den Reichtum neiden, rechnen die meisten Rumänen ihrem schillerndsten Unternehmer das unermüdliche Engagement für ihr Land hoch an. Und wenn der Plan aufgeht, mit Stören eine Aquakultur-Industrie von Dimensionen aufzubauen, wie sie Norwegen mit Lachsen erreicht hat, seien nochmal „zehntausende Arbeitsplätze“ drin, sagt Tirac. Trumpf im Teich soll der Albino-Sterlett werden, eine besonders seltene Störvariante. Schröders Verein, dem auch die Unternehmerin Britta Steilmann angehört, hat den Fisch in Gefangenschaft gezüchtet, um daraus den sündhaft teuren goldenen Zarenkaviar zu gewinnen. Wie der schmeckt, weiß Tiriac seit Langem. Vor rund 30 Jahren überreichte ihm der Schah von Persien eine Dose davon.

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