Das Jahrzehnt, dem ihre Entwicklung den Namen gab, hat noch gar nicht begonnen, als sich zwei Männer in einer Garage, südlich von San Francisco, über eine Werkbank beugen. Man schreibt das Jahr 1976, sie hantieren mit Lötkolben und Laubsäge, verdrahten Elektronik-Chips, zersägen und verkleben Holzkisten und verwerfen ihr Werk immer aufs Neue.
Es ist die Garage von Haus 2066 Crist Drive in Los Altos, einem besseren Wohnviertel im Speckgürtel der kalifornischen Metropole. Wo Alleebäume die Vorgärten der Häuser und Pools die Gärten dahinter schmücken. Paul und Clara Jobs wohnen hier, und ihr 21-jähriger Sohn Steven Paul, genannt "Steve". Der hat sein Studium geschmissen und arbeitet nun als Techniker beim Videospiel-Produzenten Atari. Vor allem aber bastelt er in der Garage mit seinem fünf Jahre älteren Kumpel Stephen Wozniak an der Verwirklichung einer gemeinsamen Vision.
Apple in Zahlen
18,4 Milliarden Dollar – der Gewinn von Apple im Weihnachtsquartal 2015 war auch der höchste, den ein börsennotiertes Unternehmen bislang erzielen könnte. Der Konzern sitzt jetzt auf einem Geldberg von 216 Milliarden Dollar und ist an der Börse über 580 Milliarden Dollar wert.
68 Prozent – so hoch war im letzten Quartal 2015 der Anteil des iPhones am Apple-Umsatz. Das Telefon ist zum entscheidenden Produkt für das Geschäft von Apple geworden. Insgesamt ist weltweit rund eine Milliarde Apple-Geräte im Einsatz, die meisten davon sind iPhones.
110.000 Mitarbeiter hatte Apple zum Abschluss des Geschäftsjahres September 2015. Zehn Jahre zuvor waren es noch 14.800 Festangestellte und gut 2000 befristet Beschäftigte.
Die beiden wollen einen Volkscomputer entwickeln. Einen Rechner im Format einer besseren Schreibmaschine – nicht viel teurer als eine ordentliche Stereoanlage. In einer Zeit, in der Computer so teuer wie Einfamilienhäuser sind, ist das ein geradezu revolutionärer Plan.
Mit nicht minder revolutionären Folgen: Denn die Umbrüche, die Jobs und Wozniak mit ihrem Kleincomputer anstoßen, verändern Leben und Gesellschaft in den Dekaden danach so nachhaltig, wie es seit der Erfindung des Automobils keiner anderen Innovation gelang.
Von der Industrie- zur Informationsgesellschaft
Ohne es zu ahnen, werden die beiden Männer Wegbereiter jener gesellschaftlichen und ökonomischen Zeitenwende, die in den Achtzigerjahren beginnt und die bald nur noch "PC-Age" heißt: Dass Kardiologen einmal via Internet die Herzschrittmacher von Patienten programmieren, Handynutzer per Mobilfunk ihren Sitzplatz im Flugzeug tauschen oder die Kühltruhe im Supermarkt beim Hersteller neue Pizzen ordert, wenn der Vorrat zur Neige geht – all das wäre ohne die Vorarbeit, die Jobs und Wozniak leisten, und die anschließende Verbreitung des Computers undenkbar gewesen.
Das Zeitalter des PC markiert den Übergang von der Industrie- in die Informationsgesellschaft. Eine Gesellschaft, in der Entfernungen schrumpfen, weil Menschen nicht nur in Echtzeit kommunizieren, sondern auch in Sekunden selbst ein Millionenpublikum erreichen können. Das neue Zeitalter begründet aber auch eine Wirtschaftsepoche, in der ganze Berufsgruppen verschwinden – vom Setzer in der Druckerei über Lohnbuchhalter bis zum Fernmeldeelektriker. Zugleich aber explodiert die Produktivität vieler Unternehmen durch die elektronische Verknüpfung der Geschäftsabläufe, entstehen Abermillionen neuer Jobs in ebenso atemberaubendem Tempo. Wer hätte 1980 voraussagen können, was dereinst Suchmaschinen-Optimierer machen oder Web-Designer?
Doch zunächst geht es Wozniak und Jobs nur darum, ihre hutschachtelgroße Holzkiste in Gang zu bringen. Wozniak, das Technikgenie, konzentriert sich darauf, die Technik zu optimieren. Jobs, der geniale Vermarkter, kümmert sich um den Verkauf. "Ich orientierte mich an den Funktionen", erinnert sich Wozniak im WirtschaftsWoche-Gespräch. "Steves Ziel war, Dinge attraktiv zu machen."
Mit Wagemut die Welt auf den Kopf stellen
Der 1. April 1976 markiert die digitale Zäsur. An diesem Donnerstag vor vierzig Jahren gründen die beiden Steves zusammen mit ihrem Ex-Kollegen Ronald Wayne und 1300 Dollar Startkapital das Unternehmen Apple. Wayne, von dem es heißt, er habe das erste Apple-Logo gezeichnet, gibt seinen Zehn-Prozent-Anteil allerdings schon nach nur elf Tagen wieder an die beiden Mitgründer ab.
Für das Paket bekommt Wayne in zwei Tranchen am Ende 2300 Dollar von seinen Partnern. Gemessen an seinen 130 Dollar Einlage ist das zunächst kein schlechtes Geschäft. Auf lange Sicht allerdings schon. Heute wäre sein Anteil gut 53 Milliarden Dollar wert.
Eine digitale Zigarrenkiste verändert die Welt
Doch von solchen Erfolgen träumt niemand, als die beiden Steves drei Monate im Juli ihren ersten Computer, den legendären Apple I, auf den Markt bringen – eine bessere Zigarrenkiste, gefüllt mit ein paar Kabeln, einigen Chips und Speicherbausteinen. Als Datenspeicher fungiert ein externes Tonbandgerät.
An Finessen wie etwa das grafische Betriebssystem, mit dem Apples Macintosh-Rechner Jahre später die PC-Welt begeistert, wagt auch noch niemand zu denken. Bei dem Preis von nur 666 Dollar gelten schon 40 Zeichen Text pro Zeile und mehrfarbige Schrift als Sensation. Damit ist der erste "persönliche Computer" um Zehnerpotenzen billiger als Angebote der Computerkonzerne IBM, NEC oder Hewlett-Packard. Deren Rechenriesen, Mainframes genannt, erscheinen plötzlich wie elektronische Dinosaurier, von der digitalen Evolution überholt, vom Aussterben bedroht.
Die Köpfe hinter Apple
Cook schlug zum Start als Apple-Chef mit dem Tod von Jobs im Oktober 2011 einige Skepsis entgegen. Denn er war zwar schon zuvor für das Tagesgeschäft zuständig und hatte den Gründer immer wieder mal während der Auszeiten wegen dessen Krebserkrankung vertreten.
Der 55-jährige Manager hat Apple in den vergangenen Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Der Konzern achtet mehr auf Umweltaspekte, Datenschutz sowie die Arbeitsbedingungen bei seinen Zulieferern, kommuniziert offener als in der Jobs-Ära und schüttet Milliarden Dollar an Aktionäre aus. Zuletzt wagte Cook eine Konfrontation mit der US-Regierung um Verschlüsselung beim iPhone.
Die Marketingexpertin interessierte sich früh für Kleidung. Sie heuerte beim Modelabel Donna Karan an. Zwischen 2002 und 2006 war die gebürtige US-Amerikanerin für die Marke Liz Claiborne verantwortlich und sanierte dann das Londoner Modehaus Burberry.
In den Siebzigerjahren arbeitete Iovine als Toningenieur mit Stars wie John Lennon und stieg zum Plattenboss bei Interscope Geffen A&M auf. 2006 gründete er mit Dr. Dre Beats. Parallel wirkte er bei der US-TV-Talentshow "American Idol" mit.
Lynch startete im Elektronischen Visualisierungslabor der Universität von Chicago. Später ging er zur US-Softwarefirma Macromedia. Als Adobe diese 2005 kaufte, wurde er Technikchef. Mit Apple- Gründer Jobs stritt er, weil der die Adobe-Flash-Technik hasste.
Young war als Teenager DJ, rappte in der Hip-Hop-Gruppe N.W.A und gründete 1991 das Musiklabel Death Row Records. Er verpflichtete die späteren Megastars Eminem und 50 Cent. 2006 startete er mit Jimmy Iovine den Kopfhörerbauer Beats.
Im Juni 1977 legen Jobs und Wozniak mit dem Apple II nach. Das neue Gerät, nun in einem Kunststoffgehäuse, das Rechner und Tastatur vereint, kostet knapp 1300 Dollar. Es wird zum Prototyp des Bürger-PC der folgenden Dekade.
Als Apple am 12. Dezember 1980 an die Börse geht, sind die zwei Schrauber aus Los Altos mehrfache Millionäre und Helden einer neuen Elektronikwelt.
Das vom deutschen Star-Designer Hartmut Esslinger gestaltete tragbare Model IIc mit seinem schlicht-eleganten weißen Gehäuse legt zugleich den Grundstein für den Ruf von Apples Produkten als Design-Ikonen. "Steve wollte", sagt Esslinger, "ein Gerät, attraktiv für Millionen von Nutzern – auch außerhalb der Bürowelt." Esslingers Büro Frog Design – der Name steht für Esslingers Heimat „Federal Republic of Germany“ – entwickelt das berühmte "Snow White"-Design – und der Plan geht auf. "Alleine am ersten Verkaufstag verkauft Apple 50.000 Exemplare des IIc", erinnert sich der Designer. In den Jahren darauf setzt der Hersteller mehr als fünf Millionen Exemplare der Apple-II-Serie ab.
Sie ist ein Milliarden-Dollar-Geschäft für den kalifornischen Hersteller. Vor allem aber zwingt sie die Großrechnerkonzerne zum radikalen Umdenken. Allen voran Branchenprimus IBM, wegen seines blauen Logos "Big Blue" genannt.
Der Megakonzern hatte bis dato gut gelebt vom Geschäft mit Hochleistungsmaschinen, die von normalen Menschen weder bezahl- noch bedienbar waren. Dass Apples Mini-Rechner einmal zum Massenprodukt mutieren könnten, der Gedanke war für die Unternehmensstrategen der IBM-Zentrale in Armonk knapp eine halbe Stunde nördlich von New York so weit weg wie die Apple-Garage an der amerikanischen Westküste.
Eine Revolution im Verborgenen
Dass IBM die Zeichen der Zeit dennoch erkennt, hat der damalige Konzernchef Frank Cary der Beharrlichkeit seines Forschungsdirektors Bill Lowe zu verdanken. Gegen alle internen Widerstände plädiert er dafür, das Wachstumsfeld der PCs nicht der Konkurrenz zu überlassen.
Im Sommer 1980 gibt Cary grünes Licht und wagt einen für den Konzernriesen geradezu unerhörten Schritt: Abgeschottet und vorbei an allen Bürokratien geht Lowes nur zwölf Mann starkes Team an die Arbeit. "Bei IBM einen Personal Computer zu entwickeln", schreibt später ein Branchenbeobachter, "entspricht der Aufgabe, einem Elefanten Stepptanz beizubringen." Sie gelingt: Am 12. August 1981 präsentiert IBM seinen Rechenzwerg, das Modell 5150, in New York.
Um Zeit zu sparen, kopiert das PC-Team nicht nur das Konstruktionsprinzip der Apple-Rechner. Statt Chips und Module selbst zu entwickeln, verbaut die Truppe zudem preiswerte Bauteile anderer Hersteller. Nicht einmal das Betriebssystem stammt von IBM. Stattdessen setzt die Mannschaft auf die Software eines Startups aus dem amerikanischen Nordwesten, gegründet von zwei Technik-Freaks wie Jobs und Wozniak in Kalifornien, ebenso beseelt von dem Gedanken, Computer zum Produkt für die Massen zu machen: Sie heißen Bill Gates und Paul Allen, und ihre Softwareschmiede nennen sie Microsoft.
Getrieben vom Ziel, Apples Preisvorgabe so nahe wie möglich zu kommen, verzichtet IBM sogar darauf, sich die exklusiven Rechte an Gates’ und Allens Software MS-DOS zu sichern. Dieser strategische Fehler kostet "Big Blue" später die Führungsrolle im PC-Geschäft. Denn das Betriebssystem MS-DOS wird, weil es auf fast allen neuen Rechnern installiert wird, zum Quasi-Standard.
Später zementiert die grafisch und multimedial aufgepeppte Windows-Software Microsofts Dominanz als Multi-Milliarden-Konzern. Auch wenn längst das Smartphone zum persönlichsten aller persönlichen Computer geworden ist – erst recht, nachdem Apples iPhone die Multimediatelefone massentauglich gemacht haben –, bis heute dominiert Windows die PC-Welt, läuft auf nahezu 90 Prozent aller neuen Rechner weltweit.
Genial kopiert - mindestens
Dass sich die Windows-Entwickler, um es vorsichtig zu formulieren, bei der Gestaltung ihrer Software intensiv vom damals Aufsehen erregenden grafischen Bedienkonzept der Apple-Rechner haben inspirieren lassen, hat Gates und Allen über Jahre den Vorwurf des Plagiarismus eingebracht. Tatsächlich waren die Gemeinsamkeiten speziell zwischen den damals führenden Programmen – Apples Macintosh-Software und Microsofts Windows 3 – augenfällig.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass nicht bloß Apple in der ersten Hälfte der Achtzigerjahre mit Mausbedienung und Programmfenstern reüssiert. Das grafische Bedienkonzept, dem rückblickend nichtsdestotrotz Apples Macintosh-Rechner zum Durchbruch verholfen haben, hatten im Kern zunächst Entwickler des Elektronik-Konzerns Xerox entworfen.
Dennoch aber wird nicht Apples Rechner sondern IBMs PC-Konzept zum Standard. Schon vier Jahre nach der Markteinführung des 5150 ist weltweit jeder zweite verkaufte Computer IBM-kompatibel. Aber längst nicht mehr jeder wird von IBM gefertigt: Wettbewerber Dell etwa mischt den Markt Mitte der Achtziger auf und überträgt die Idee, Produkte erst nach Kundenbestellung, "just in time" zu fertigen, in die Computerwelt. Mit dramatischen Folgen für die Preise: Dells erster PC, der 1985 auf den Markt kommt, kostet nur die Hälfte von IBMs Original.
Ungebremst klettern im gleichen Zeitraum Rechenleistung und Speicherkapazität in die Höhe – bei anhaltendem Preisverfall: Sorgt 1981 in IBMs 5150 ein Prozessor mit 4,7 Megahertz Geschwindigkeit für den rechten Takt, arbeiten heute in Handys wie etwa Samsungs neuem Galaxy S7 mehr als 500 Mal schnellere Chips. PC-Prozessoren ticken gar mehr als 800 Mal schneller.
Es ist dieser ungebrochene Trend, der die PC-Technik schließlich für fast jeden Einsatz im Arbeits- und Alltagsleben bezahlbar macht. An die 290 Millionen PCs, so Berechnungen von Marktforschern, werden heute pro Jahr verkauft. In ihrer Konzeption ähneln sie – trotz aller Leistungsschübe – noch immer dem von Jobs und Wozniak entworfenen Vorbild des modular erweiterbaren Rechners.
Drei Jahrzehnte, nachdem die Apple-Gründer an ihrer Rechenbox tüftelten, erwächst den PCs inzwischen allerdings selbst Konkurrenz durch neue Technologien, so wie einst den Mainframes durch die PCs.
Mutig das eigene Geschäft angreifen
Und einer der wichtigsten Treiber ist – wieder – Apple. Steve Jobs, gemeinsam mit seinem kongenialen Designer Jonathan Ive, der Apples Produkte ab den Neunzigern so nachhaltig gestalterisch prägt, wie Esslinger die frühen Apple-Rechner, verhilft dem Konzept des Smartphones zum Durchbruch. Was, etwa in Form von Nokias Klassiker, dem Communicator, zuvor nur ein kommunikatives Business-Tool war, schafft als iPhone ab 2007 den Sprung in den Massenmarkt.
En passant kannibalisiert sich Jobs dabei auch noch selbst – höchst erfolgreich und bemerkenswert konsequent. Das Smartphone (Apples iPhone mit seinem an nachladbaren Mikroprogrammen über die Zeit geradezu überquellenden App-Store zumal) integriert immer neue Funktionen und macht damit jede Menge Technik obsolet.
Nicht nur, dass die Telefone einen Großteil des Kamerageschäfts übernommen, den Markt der Einsteiger- und Mittelklasse-Fotoapparate de-facto abgeschafft haben. Auch das Geschäft mit MP3-Playern, das Apple mit seinen 2001 eingeführten iPod- Musikspielern und deren Anbindung an den digitalen Plattenladen iTunes selbst erst massenmarktfähig gemacht hatte, begann Jobs nur ein gutes halbes Jahrzehnt mit den iPhones schon wieder anzugreifen. Denn – natürlich – gehörte auch eine Musik-App zur Ausstattung von iOS.
Heute haben Smartphones nicht bloß Diktiergeräte, Fernbedienungen, Musikspieler, einen Großteil der Fotoapparate, Fahrplanbücher und sogar Reisebüros obsolet gemacht. Mit annähernd 1,5 Milliarden weltweit verkauften Geräten 2015, haben sie auch längst dem PC den Rang als höchstpersönlicher Computer abgelaufen. Und selbst wenn Apples Handysoftware iOS knapp zehn Jahre nach dem Start des ersten iPhone nur noch auf knapp jedem siebten neuen Multimediatelefon läuft, weit abgeschlagen hinter Googles Android-Plattform – in den Handywelt ist Apple noch immer erfolgreicher als es das Unternehmen im PC-Markt je war.
Schachzug zum doppelten Überleben
Dass Apple selbst in dem Geschäft noch mitmischt, war übrigens zeitweilig alles andere als sicher. in den späten Neunzigerjahren war das Unternehmen nach jahrelangem Missmanagement erst in eine Innovations- und daraus folgend auch in eine dramatische finanzielle Krise geraten. Mitgründer Jobs, zwischenzeitlich aus dem Unternehmen gedrängt kam, über durch Apples Kauf seines Computerunternehmens NeXT wieder an Bord, strich Produktlinien wie den Handheldcomputer Newton, beendete die Lizenzierung der Mac-Software an andere Hersteller und fädelte einen geradezu diabolisch scheinenden Kontrakt ein.
Am 6. August nämlich verkündete er – zusammen mit dem per Videokonferenz zugeschalteten Microsoft-Gründer Bill Gates – dass sich der Erzkonkurrent aus Redmond mit einem 150-Millionen-Dollar-Investment bei Apple einkaufe. Offiziell verband Microsoft damit unter anderem eine Kreuzlizenzierung von Patenten. Inoffiziell beendeten beide Unternehmen damit auch ihren Disput über die Ähnlichkeiten von MacOS und Windows.
Es war ein Deal unter ziemlich Ungleichen. Microsoft war kurz nach dem Einstieg eine halbe Milliarde Dollar wert, Apple selbst keine drei Milliarden mehr.
Und doch war es ein Deal, der vermutlich beiden Beteiligten das Überleben rettete. Denn als Gates Jobs aus der Finanzklemme half, stand Microsoft selbst unter massivem Druck der Wettbewerbsbehörden aus den USA und Europa, die teils sogar die Aufspaltung des Quasi-Monopolisten der PC-Welt forderten. „Gates zielte daher wohl kaum auf Investment-Erlöse, sondern darauf, Apple als einzig nennenswerten Anbieter eines konkurrierenden Betriebssystems am Leben zu erhalten“, sagt Barry Ritholtz, Investment-Chef einer US-Vermögensverwaltung und Kolumnist beim Wirtschaftsdienst Bloomberg, im Rückblick. „Aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive war das ein Geniestreich.“
Es wäre am Ende sogar ein phantastisches Finanzinvestment gewesen. Denn nachheutigen Maßstäben wäre der Anteil wohl deutlich über 20 Milliarden Dollar wert – ein sensationelles Ergebnis für die ursprünglich investierten 150 Millionen Dollar. Den strategischen Vorteil, dass Microsoft nicht aufgespalten wurde, gar nicht erst eingerechnet.
Trotzdem hat Apple von dem Investment noch weitaus stärker profitiert. Mit gut 600 Milliarden Dollar aktueller Börsenbewertung, hat der einstige Insolvenzkandidat den früheren Gönner deutlich deklassiert. Microsoft ist inzwischen zwar auch wieder rund 435 Milliarden Dollar wert – allerdings nach einem Sturz auf nur noch etwa 127 Milliarden im Frühjahr 2009.
Wer bestimmt die nächste Dekade?
Auch das ist eine Folge der dramatischen Relevanzverschiebung in der digitalen Welt, die Apple – wie das Beispiel iPhone zeigt – im vergangenen Jahrzehnt weit erfolgreicher gemanagt hat, als Microsoft. Der PC-Dominator krebst mit seinen Windows-Phones konstant an der Grenze zur Irrelevanz. Die paar Prozent verbliebener Marktanteil gehen in der Wahrnehmung neben Googles Android-Welt und Apples iOS fast im Grundrauschen unter.
Und doch ist alles andere als ausgemacht, wer besser für die nächste Dekade des Computerzeitalters aufgestellt ist. Denn die wird bestimmt vom Internet der Dinge, jenes allumfassenden Computernetzes, das jeden Winkel des Alltags durchdringt. Mithilfe des weltweiten Datennetzes lösen sich Daten von PC-Festplatten und aus den Smartphone-Speichern. Cloud Computing, die Datenverarbeitung in der Wolke Internet, elektrisiert die Computerwelt. Die Idee dahinter: Programme und Daten lagern, statt auf dem Büro- oder Privat-PC, in der virtuellen Wolke.
Cloud-Computing-Konzepte werden auf immer mehr Anwendungen übertragen. Privatleute pflegen ihre Fotoalben im Web. Mitarbeiter in Unternehmen müssen Dokumente nicht mehr per Diskette kopieren, sondern greifen übers Netz darauf zu und bearbeiten sie dort mit Kollegen. Unternehmen wie Salesforce.com vertreiben ganze Softwarepakete für das Kundenmanagement, die komplett im Internet laufen – statt wie zuvor auf den Büro-PCs.
Immer mehr vernetzte Geräte greifen – neben PCs und Telefonen – auf Informationen im Netz zu; vom Internet-Handy bis zum TV-Gerät mit Online-Anschluss. Das Wachstumsgeschäft der Computerriesen konzentriert sich darauf, Hard- und Software zu entwickeln, mit denen sich diese Informationen im weltumspannenden Wissensverbund des Internets speichern, dort verarbeiten oder auch von dort wieder abrufen lassen.
Computer werden unsichtbar Spielekonsolen, Handys, Fernseher, selbst Autos, Heizungen und Waschmaschinen können auf das Wissen im Netz zugreifen. Und gerade sind die Geräte dabei zu lernen, auch völlig eigenständig zu kommunizieren.
Navigationsgeräte etwa erfahren über das Internet, wo sich Autos stauen, und suchen flexibel nach anderen Wegen. Mit winzigen Chips ausgestattete Hemden messen die Herzfrequenz von Patienten und verständigen im Notfall einen Arzt. Computer dringen in immer mehr Lebensbereiche ein. Doch sie werden dabei zunehmend unsichtbar. "Ziel ist, dass sich die Maschinen dabei den Menschen anpassen – nicht umgekehrt", sagt Designer-Ikone Esslinger.
All das will auch Apple erschließen. Doch Tim Cook, der den 2011 verstorbenen Jobs wenige Monate vor dessen Tod an der Unternehmensspitze ablöste, tut sich schwer dabei, das Unternehmen so innovativ zu halten, wie zu Zeiten des genialen Firmengründers. So wie Steve Ballmer Microsoft nach dem Ausscheiden von Mitgründer Bill Gates zwar ökonomisch exzellent managte und zu immer neuen Gewinnrekorden führte (aber es versäumte, erfolgreich zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu erschließen) liefert auch Apple im Jahr fünf nach Jobs und im 40. Jahr seines Bestehens, erstklassige Zahlen aber wenig Inspiration.
Vielleicht gelingt es Cook ja, mit neuen Ideen zur Vernetzung von Smartphone und Gebäudesteuerung, mit Software zur Gesundheitsüberwachung (beides gibt es schon fürs iPhone) oder mit irgendwelchen anderen revolutionären Einfällen – Fans spekulieren seit langem auf den Apple-Fernseher oder das iCar – dem Unternehme neuen Schwung zu verleihen.
Vielleicht braucht es aber auch erst noch einen zweiten personellen Umbruch auch in der Nachfolge von Steve Jobs. So wie erst der Antritt von Satya Nadella nach dem Abgang von Steve Ballmer Microsoft wieder neue strategische Dynamik verliehen hat.
Eines aber ist unbestritten. Ohne den genialen Einfall von zwei Steves vor 40 Jahren hätte die Computer-Revolution so nie stattgefunden, hätte vielleicht nicht einmal der PC zum prägenden Werkzeug mindestens zweier Jahrzehnte werden können. Dass es sehr wohl so gekommen ist: Apple sei Dank!