40 Jahre Apple Von der Zigarrenkiste zum iCar

Seite 6/6

Wer bestimmt die nächste Dekade?

Auch das ist eine Folge der dramatischen Relevanzverschiebung in der digitalen Welt, die Apple – wie das Beispiel iPhone zeigt – im vergangenen Jahrzehnt weit erfolgreicher gemanagt hat, als Microsoft. Der PC-Dominator krebst mit seinen Windows-Phones konstant an der Grenze zur Irrelevanz. Die paar Prozent verbliebener Marktanteil gehen in der Wahrnehmung neben Googles Android-Welt und Apples iOS fast im Grundrauschen unter.

Und doch ist alles andere als ausgemacht, wer besser für die nächste Dekade des Computerzeitalters aufgestellt ist. Denn die wird bestimmt vom Internet der Dinge, jenes allumfassenden Computernetzes, das jeden Winkel des Alltags durchdringt. Mithilfe des weltweiten Datennetzes lösen sich Daten von PC-Festplatten und aus den Smartphone-Speichern. Cloud Computing, die Datenverarbeitung in der Wolke Internet, elektrisiert die Computerwelt. Die Idee dahinter: Programme und Daten lagern, statt auf dem Büro- oder Privat-PC, in der virtuellen Wolke.

Cloud-Computing-Konzepte werden auf immer mehr Anwendungen übertragen. Privatleute pflegen ihre Fotoalben im Web. Mitarbeiter in Unternehmen müssen Dokumente nicht mehr per Diskette kopieren, sondern greifen übers Netz darauf zu und bearbeiten sie dort mit Kollegen. Unternehmen wie Salesforce.com vertreiben ganze Softwarepakete für das Kundenmanagement, die komplett im Internet laufen – statt wie zuvor auf den Büro-PCs.

Immer mehr vernetzte Geräte greifen – neben PCs und Telefonen – auf Informationen im Netz zu; vom Internet-Handy bis zum TV-Gerät mit Online-Anschluss. Das Wachstumsgeschäft der Computerriesen konzentriert sich darauf, Hard- und Software zu entwickeln, mit denen sich diese Informationen im weltumspannenden Wissensverbund des Internets speichern, dort verarbeiten oder auch von dort wieder abrufen lassen.

Computer werden unsichtbar Spielekonsolen, Handys, Fernseher, selbst Autos, Heizungen und Waschmaschinen können auf das Wissen im Netz zugreifen. Und gerade sind die Geräte dabei zu lernen, auch völlig eigenständig zu kommunizieren.

Navigationsgeräte etwa erfahren über das Internet, wo sich Autos stauen, und suchen flexibel nach anderen Wegen. Mit winzigen Chips ausgestattete Hemden messen die Herzfrequenz von Patienten und verständigen im Notfall einen Arzt. Computer dringen in immer mehr Lebensbereiche ein. Doch sie werden dabei zunehmend unsichtbar. "Ziel ist, dass sich die Maschinen dabei den Menschen anpassen – nicht umgekehrt", sagt Designer-Ikone Esslinger.

All das will auch Apple erschließen. Doch Tim Cook, der den 2011 verstorbenen Jobs wenige Monate vor dessen Tod an der Unternehmensspitze ablöste, tut sich schwer dabei, das Unternehmen so innovativ zu halten, wie zu Zeiten des genialen Firmengründers. So wie Steve Ballmer Microsoft nach dem Ausscheiden von Mitgründer Bill Gates zwar ökonomisch exzellent managte und zu immer neuen Gewinnrekorden führte (aber es versäumte, erfolgreich zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu erschließen) liefert auch Apple im Jahr fünf nach Jobs und im 40. Jahr seines Bestehens, erstklassige Zahlen aber wenig Inspiration.

Die zehn Erfolgsgeheimnisse des IT-Konzerns
Wie macht Apple das nur? Aktuell ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Der Börsenwert liegt bei mehr als 580 Milliarden Dollar. Und Apple  hat Barreserven in Höhe von  216 Milliarden  Dollar. Zehn Gründe warum das Unternehmen so viel besser ist als jeder Konkurrent. Quelle: REUTERS
1. Der NetzwerkeffektDie IT-Welt funktioniert nach anderen Regeln als der Rest der Wirtschaft. Eine besondere Rolle spielt der sogenannte Netzwerkeffekt. Beispiel Microsoft: In der Ära des PCs hatte der Konzern ein Quasi-Monopol im Bereich der Desktop-Betriebssysteme und der Office-Software. Der Grund: Sobald MS-DOS und später Windows gegenüber damals konkurrierenden Systemen wie CP/M nur einen hauchdünnen Vorsprung hatte, entwickelten Softwareentwickler vornehmlich für das Microsoft-System, um möglichst viele potenzielle Kunden zu erreichen. Andererseits wurde die Microsoft-Plattform mit der verfügbaren Software auch für die Kunden immer attraktiver. Die große Verbreitung von Office in der PC-Ära machte auch diese Software zum Quasi-Standard: Wer die Dokumente von Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern lesen und bearbeiten wollte, musste zur Microsoft-Software greifen. Quelle: dpa
1. Der NetzwerkeffektIm mobilen Markt hat Apple die Nase vorn. Zwar werden in absoluten Zahlen im Smartphone-Markt mehr Geräte mit Android-System verkauft – doch Android-Nutzer zeigen im Schnitt deutlich weniger Bereitschaft, Geld für Apps auszugeben. Quelle: AP
2. Zulieferer in vielen LändernApples Zulieferer beschäftigen mehr als 1,6 Millionen Menschen in 20 Ländern. Apple steht wegen der Arbeitsbedingungen seiner Zulieferer in der Kritik. Das taiwanesische Unternehmen Foxconn, das vornehmlich in China produzieren lässt, wurde zum Symbol für Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen. Jetzt ist es Apple durch Kontrollen bei Zulieferern gelungen, Verstöße gegen Arbeitszeit-Beschränkungen zu reduzieren. Die Obergrenze von 60 Arbeitsstunden pro Woche sei im vergangenen Jahr zu 97 Prozent eingehalten worden, erklärte der Konzern in seinem jährlichen Bericht zur Lage bei den Zulieferern. Ein Jahr zuvor wurde noch ein Wert von 92 Prozent angegeben. Die durchschnittliche Arbeitszeit für fest angestellte Mitarbeiter bei Zulieferern lag jetzt bei 55 Stunden pro Woche. Quelle: dpa
3. MargeDie Marge pro verkauftem Gerät ist traditionell besonders hoch bei Softwareherstellern: Nachdem ein Software-Produkt entwickelt ist, sind die Kosten pro verkauftem Medium sehr gering, der Verkaufspreis hoch. Apple verkauft zwar auch Software, verdient sein Geld aber hauptsächlich mit dem Verkauf von Hardware. Der Konzern erreicht allerdings auch bei der Hardware Margen, von denen die Konkurrenz nur träumen kann. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch Analysten schätzen die Marge pro verkauftem Gerät zwischen 30 und 40 Prozent. Besonders groß ist die Marge beim iPhone – und davon hat Apple wiederum besonders viele Geräte verkauft: im Jahr 2015 mehr als 231 Millionen Stück. Quelle: REUTERS
4. Konzentration auf das WesentlicheAuch bei den Produktkategorien herrscht Übersichtlichkeit. Das aktuelle iPhone SE gibt es jeweils mit unterschiedlicher Speicherausstattung – auf verwirrende Produktbezeichnungen mit langen Zahlenreihen und verschiedenen Ausstattungen verzichtet der Konzern komplett. Mit der Konzentration auf das Wesentliche hat Apple auch beim Produktdesign Trends gesetzt: Überflüssiges wird weggelassen. Das macht die Produkte elegant und benutzerfreundlich. Damit liegt Apple ganz auf der Linie des heimlichen Vorbilds, dem deutschen Braun-Designer Dieter Rams. Quelle: dpa
Apple-Museum Quelle: dpa

Vielleicht gelingt es Cook ja, mit neuen Ideen zur Vernetzung von Smartphone und Gebäudesteuerung, mit Software zur Gesundheitsüberwachung (beides gibt es schon fürs iPhone) oder mit irgendwelchen anderen revolutionären Einfällen – Fans spekulieren seit langem auf den Apple-Fernseher oder das iCar – dem Unternehme neuen Schwung zu verleihen.

Vielleicht braucht es aber auch erst noch einen zweiten personellen Umbruch auch in der Nachfolge von Steve Jobs. So wie erst der Antritt von Satya Nadella nach dem Abgang von Steve Ballmer Microsoft wieder neue strategische Dynamik verliehen hat.

Eines aber ist unbestritten. Ohne den genialen Einfall von zwei Steves vor 40 Jahren hätte die Computer-Revolution so nie stattgefunden, hätte vielleicht nicht einmal der PC zum prägenden Werkzeug mindestens zweier Jahrzehnte werden können. Dass es sehr wohl so gekommen ist: Apple sei Dank!

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%