5G-Mobilfunk MWC in Barcelona: Fehlstart am Mittelmeer

Mobile World Congress: Fehlstart am Mittelmeer bei 5G Quelle: imago images

Der Mobilfunkbranche ist das Kunststück geglückt die neue Funktechnik 5G schneller als geplant marktreif zu bekommen. Ein entscheidender Punkt aber fehlt bisher, um sie erfolgreich zu machen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wenn sich in diesen Tagen in Barcelona die Mobilfunkwelt zu ihrem Jahrestreffen versammelt, dann sieht alles nach einer perfekten Punktlandung aus. Unmittelbar vor dem Start des Mobile World Congress meldete beispielsweise der Netzbetreiber Vodafone, man habe in der Innenstadt der katalanischen Metropole ein erstes Mobilfunknetz auf Basis der neuen 5G-Technik installiert und vier Wochen lang erfolgreich getestet.

Der Schweizer Mobilfunker Sunrise kündigte vor ein paar Tagen an, ab März hunderte kommerzielle Kunden via 5G-Funk ans Internet anschließen zu wollen. Und nur eine gute halbe Woche bevor die weltgrößte Mobilfunkmesse am Montag ihre Tore öffnet, präsentierte Handy-Primus Samsung als erster Hersteller mit dem Galaxy S10 5G ein serienreifes Smartphone für die kommenden Funknetze der fünften Generation.

Und die Konkurrenz zieht nach. Richard Hu etwa, der Chef von Huaweis Smartphone-Sparte, stellte einen Tag vor Messebeginn mit dem neuen Modell Mate X das erste 5G-Telefon des Tech-Riesen vor. Das zusammenklappbare Gerät wird nicht bloß 5G-fähig sein, sondern besitzt zudem einen biegsamen Bildschirm, der sich außen ums Gehäuse schmiegt und sich auf bis zu acht Zoll Display-Diagonale auffalten lässt. Ab Jahresmitte will Huawei das Telefon erst den Netzbetreibern zum Testen geben und dann zu Preisen um 2300 Euro in Europa in die Läden bringen.

Und auch die chinesischen Hersteller ZTE und OnePlus werden wohl in Barcelona mindestens „marktnahe Prototypen“ erster 5G-Handys präsentieren. Motorola Mobile, inzwischen Tochter des chinesischen IT-Konzerns Lenovo, hat für sein Top-Handy Z3 schon ein Erweiterungsmodul vorgestellt, das sich ans Gehäuse anstecken lässt und es so 5G-tauglich macht. In den kommenden Monaten will es der US-Netzbetreiber Verizon auf den Markt bringen.

Auf den ersten Blick also ist fast alles bereitet für den Start in die Mobilfunkzukunft, in der 5G-Netze auch die nötige Übertragungskapazität für den unstillbar scheinenden Datenhunger der mobilen Internetnutzer liefern soll. Allein für Deutschland meldet der IT-Verband Bitkom fürs vergangene Jahr erneut einen Zuwachs um 51 Prozent gegenüber 2017 beim mobilen Datenverkehr in Deutschland – von 1,39 auf 2,10 Milliarden Gigabyte. Fürs laufende Jahr liegt die Prognose bei knapp drei Milliarden Gigabyte. Ein weiteres Plus um gut 40 Prozent.

Das 5G-Versprechen: schneller, stärker, besser

Das Potenzial in der neuen Technik reicht weit hinaus über mehr und schnellere Daten: Die neuen Netze sollen Nutzern nicht bloß bis zu hundertmal mehr Up- und Downloadtempo bieten, sondern auch...

... bis zu tausendmal mehr Gesamtkapazität haben als der Vorläufer LTE,

... bis zu zehnmal schneller auf Datenabrufe reagieren,

... pro Funkzelle das Hundertfache an Endgeräten versorgen können,

... zehnmal energieeffizienter arbeiten,

... bis zu zehn Jahre Gerätebetrieb ohne Batterietausch ermöglichen,

... und dabei noch um den Faktor 1000 stabiler sein.

Das sind die neuen Samsung-Smartphones
Samsung Galaxy Fold Quelle: Samsung
Samsung Galaxy Quelle: dpa
Samsung S10e Quelle: Samsung
Samsung S10 Quelle: Samsung
Samsung S10+ Quelle: Samsung
Samsung Galaxy S10 5G Quelle: dpa
Samsung Galaxy Buds Quelle: dpa

So anspruchsvoll all das klingt, tatsächlich ist den Entwicklern der Netzausrüster und Netzbetreiber, Chip-Lieferanten und Handyproduzenten etwas gelungen, das in der Tech-Welt selten ist: Statt – wie so oft – die Termine zu reißen, zu denen Standards verabschiedet und Geräte fertig entwickelt sein sollten, sind die wichtigsten Rahmenbedingungen inzwischen nicht bloß fixiert. Die Branche liegt inzwischen sogar deutlich vor ihrem ursprünglichen Zeitplan. Statt erst im kommenden Jahr gehen die ersten kommerziellen 5G-Dienste bereits 2019 in Betrieb und die ersten Smartphones kommen wohl schon in diesem Sommer in die Läden.

Es gäbe in diesen Tagen also reichlich Grund zu Euphorie und (Selbst-) Zufriedenheit für die Aussteller in Barcelona. Trotzdem mischt sich einiges an Skepsis in die Stimmung der Ausrüster und der Netzbetreiber.

Skepsis statt Euphorie in Barcelona

Aus gutem Grund. Denn statt eines schwungvollen 5G-Aufbruchs droht eher ein Fehlstart am Mittelmeer. So erfolgreich die Entwicklung der Technik bisher lief, so wenig ist erkennbar, mit welchen Geschäftsmodellen die Telefonfirmen demnächst ihre 5G-Investitionen in teils dreistelliger Milliardenhöhe wieder erwirtschaften werden.

Klar ist bloß, dass es nicht reicht, bloß Smartphone-Nutzern etwas mehr Tempo und etwas mehr Datenvolumen zu verkaufen. Kurz vor der Messe zeigt etwa eine aktuelle Bitkom-Studie: 39 Prozent der befragten Deutschen wären gar nicht bereit für einen 5G-Vertrag mehr zu bezahlen. 25 Prozent würden maximal zehn Euro drauflegen. Ein weiteres knappes Drittel bis zu 20 Euro. Im Durchschnitt aber liegt die zusätzliche Zahlungsbereitschaft bei gerade einmal fünf Euro.

Falsche Erwartung beim Kunden

Dazu kommt, dass Kunden auch in den neuen Netzen vermutlich auf Jahre weder mit besserer Klangqualität telefonieren, noch sich über kürzere Rufaufbauzeiten freuen können oder von stabileren Sprachverbindungen profitieren werden. „5G ist keine Technologie für Sprachtelefonate“, dämpft etwa Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter kurz vor dem Start des MWC falsche Hoffnungen. „Zunächst einmal dient die Technik alleine der Datenübertragung; die erforderlichen Standards für Telefongespräche über 5G müssen erst noch entwickelt und verabschiedet werden.“

Dass Sprache keine Rolle spielt, ist wenig verwunderlich. Schließlich werden Smartphones künftig ohnehin den kleinsten Teil der Geräte ausmachen, die via 5G kommunizieren. Die meisten Innovationen, die in der Technik stecken, zielen auf Endgeräte, die mit Menschen nichts zu tun haben: Das künftige Massengeschäft der 5G-Kommunikation soll die Vernetzung von Maschinen und Sensoren werden. „5G wird weltweit nicht bloß Hunderte von Millionen Menschen vernetzen“, so Frank Fitzek, Co-Leiter des 5G-Lab Germany an der Technischen Universität Dresden, im WirtschaftsWoche-Gespräch. „Künftig geht es darum, global Hunderte Milliarden von Maschinen zu verbinden – und das in Echtzeit.“

Mobilfunk, so der Plan, wird zum kommunikativen Rückgrat des Internets der Dinge – zum universellen Übernetz für alles und jedes.

Neue Geschäftsmodelle gesucht

Bloß, jene Abermilliarden von Funkchips, die einmal via 5G im Internet der Dinge funken, werden den Netzbetreibern – jedenfalls aufs Stück gerechnet – kaum nennenswerte Monatsumsätze bescheren. „Ich glaube fest daran, dass 5G viele neue Geschäftsmodelle ermöglichen wird, von denen wir heute keine Idee haben, wie sie einmal aussehe“, sagt Vodafone-Mann Ametsreiter vor dem MWC. Aber er sagt eben auch: „Welche Dienste das genau sein werden und welche Umsätze die Branche damit einmal erzielt, das kann heute keiner verlässlich vorhersagen.“

Damit steht Ametsreiter nicht alleine. Welches Umsatzpotenzial wirklich darin steckt, beispielsweise Ampeln und Fertigungsmaschinen mit der digitalen Welt zu verknüpfen, freie Parkplatzstellflächen oder volle Mülltonnen zu erfassen und an Dienstleister zu melden, Akkustände in Drohnen oder E-Autos zu überwachen oder Skibindungen und Turnschuhe in autonom funkende Fitnesstracker zu verwandeln, darauf möchte sich heute kein Branchenmanager festlegen.

Wohl aber, dass der erforderliche Aufbau der 5G-Infrastruktur teuer wird. Ametsreiters Pendant beim Konkurrenten Telefónica, Deutschlandchef Markus Haas, hat angesichts der absehbaren Kosten schon mal Alarm geschlagen. Für eine Versorgung der deutschen Bevölkerung mit einer Datenübertragungsrate von 300 Megabit pro Sekunde über die heutigen Funkfrequenzen wären in Deutschland mehr als 200.000 Mobilfunkstandorte erforderlich. Gegenwärtig haben alle drei deutschen Netzbetreiber zusammen nicht einmal die Hälfte dieser Standorte.

Bis 2025 98 Prozent der Bevölkerung auf diesem Niveau via 5G zu versorgen, würde pro Netzbetreiber mehr als 25 Milliarden Euro Investitionen erfordern, sagte Haas in einer Stellungnahme für die Bundesnetzagentur im Vorlauf der bald anstehenden Versteigerung der deutschen 5G-Frequenzen. Mal ganz abgesehen von den erwartbaren Widerständen, wenn es darum geht, die erforderlichen Funkstandorte zu erschließen.

5G in Deutschland: Kaum noch Aufbruchsstimmung

Entsprechend dünnhäutig reagieren die Netzbetreiber bei der Lizenzvergabe für die benötigten Frequenzen auf die politischen Vorgaben zum 5G-Ausbau. Ausgerechnet in Deutschland, das (unter anderem dank des Dresdener 5G-Labs) lange einer der weltweit führenden Forschungs- und Entwicklungsstandorte für die neue Funktechnik war, ist von der dynamischen Aufbruchsstimmung ins 5G-Zeitalter nicht mehr viel übrig geblieben.

Erst verzögerten politische Scharmützel um die Rahmenbedingungen der anstehenden Frequenzauktion monatelang den Start der Lizenzvergabe, nun haben die drei deutschen Netzbetreiber auch noch Klage gegen die Vergaberegeln eingereicht. Jetzt ist völlig offen, ob der angepeilte Versteigerungstermin überhaupt zu halten ist.

Und so gibt sich beispielsweise Olaf May, verantwortlicher Manager für IT und Mobile Communication bei Samsung in Deutschland nur vorsichtig optimistisch, dass beispielsweise das neue Galaxy S10 5G rasch bei deutschen Käufern ankommt: „Wir arbeiten daran, die Möglichkeiten von 5G möglichst schnell für den Verbraucher und für Unternehmen Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt May. Aber damit hängt der koreanische Tech-Konzern eben auch vom Netzaufbau in Deutschland ab. „Wir hoffen, dass erste 5G-Tests in Deutschland nächstes Jahr in den ersten Städten verfügbar sein wird.“ Tests, wohlgemerkt, nicht flächendeckende Netze.

Sorge um Sicherheit

Dazu kommt die zunehmende Diskussion um die Sicherheit der neuen Infrastrukturen. Insbesondere um den chinesischen Netzausrüster Huawei ist zuletzt ein veritabler Streit bis in oberste politische Etagen entbrannt. Kritiker befürchten, dass chinesische Unternehmen vom Staat gezwungen werden könnten, digitale Hintertüren (sogenannten Backdoors) in ihre Hard- und Software einzubauen. Fernöstlichen Spionen stünde dann nicht nur der Zugriff auf die deutschen Datenverkehre offen. Womöglich ließen sich darüber, so die Sorge, im Ernstfall sogar ganze Funknetze kurzerhand lahmlegen.

Huawei bestreitet die Existenz von Backdoors und die Zusammenarbeit mit chinesischen Geheimdiensten zwar vehement. Doch die zunehmende Skepsis der Kritiker an der Glaubwürdigkeit des fernöstlichen Ausrüsters mindert das nicht. Beim Konkurrenten ZTE, der ebenfalls aus China stammt und dem Vernehmen nach das Mobilfunknetz für den vierten deutschen Bewerber um 5G-Lizenzen, United Internet, aufbauen soll, ist es nicht anders.

Streit um die Lizenzbedingungen, Sorge um die Sicherheit im Netz und ein Mangel an zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen – die Voraussetzungen für den Aufbruch ins 5G-Zeitalter könnten wahrlich günstiger sein. Nicht nur in Deutschland. Denn selbst da, wo erste Anbieter tatsächlich schon erste Dienste gestartet oder angekündigt haben – neben der Schweiz auch in Korea, Japan, China und den USA –, haben die Angebote mit echtem Mobilfunk noch wenig zu tun.

5G-Start ohne Mobilfunk

Tatsächlich nämlich sind jene drahtlosen Internet-Zugänge, die die Schweizer Sunrise in Kürze vermarkten will, etwas völlig Anderes als jene Anwendungen, für die der neue Turbofunk eigentlich entwickelt wurde. Im Prinzip sind sie bloß der Ersatz für herkömmliche Festnetzanschlüsse – nicht umsonst umschreibt Sunrise den Service auch als „Glasfaser durch die Luft“. Genauso ist das in den USA, wo der Netzbetreiber Verizon seit Herbst 2018 ersten Kunden in Ortsteilen von Houston, Indianapolis, Los Angeles und Sacramento Internet-Hausanschlüsse über 5G-Funk anbietet. Konkurrent AT&T will mit ähnlichen Diensten im Jahresverlauf nachziehen. Aber Mobilkommunikation ist das eben nicht.

Ein echter, umfassender Aufbruch ins 5G-Zeitalter, das gestehen in Barcelona (zumindest inoffiziell) selbst die engagiertesten Propagandisten der nächsten Mobilfunkgeneration ein, der müsste anders aussehen.

Und so werden sie es wohl 2020 noch einmal versuchen müssen mit ihrer Punktlandung in Sachen 5G.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%