5G-Netze Warum Sunrise-CTO Elmar Grasser weiter auf Huawei setzt

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„Es muss mehr Aufklärungsarbeit geben“

Sie bieten auch „Glasfaser durch die Luft“, wo 5G-Antennen im 3,5-Gigahertz-Frequenzband das Internet zu Routern direkt in die Haushalte liefern, von wo aus Handys, Computer und Fernseher mit einem Gigabit Geschwindigkeit ans Internet eingebunden werden. Lohnt sich das nur in einem Bergland wie der Schweiz, wo viele Haushalte mit Glasfaser nur sehr teuer zu erschließen wären?
Fixed Wireless Access ist unabhängig von der Geographie eines Landes sinnvoll. Der Glasfaserausbau ist davon unabhängig extrem wichtig – wir brauchen es auch, um die Funkantennen anzuschließen und auch den Endkunden zu Hause zuverlässigen Datendurchsatz zu liefern. Aktuell sind circa 35 Prozent aller Haushalte mit Glasfaser erschlossen, das wollen wir bis 2027 auf 70 Prozent erhöhen.

Das „Glasfaser durch die Luft“ ist gerade da interessant, wo wir schon 5G-Antennen, aber die Haushalte noch kein Glasfaser haben. Das wird lange eine Lösung bleiben für glasfaserähnlich schnelles Internet. Glasfaser und 5G sind beide wichtig, die ergänzen sich. Das schnelle Internet auch in der ländlichen Region ist essentiell für das Wirtschaftsleben. Ich kann nicht glauben, dass die Landbevölkerung in anderen Ländern mit 2G, 3G oder auch Edge abgespeist werden soll.

In Deutschland wird 5G gerade hauptsächlich auf bestehenden 2,1-statt der neuen 3,5-Gigahertz-Frequenzen aufgebaut – bringt das dieselbe Leistung?
Das ist so, als würden Sie eine bestehende Straße mit 5G neu asphaltieren, Sie geben am Rand etwas Platz hinzu. Da kommt dann insgesamt eine um zehn Prozent bessere Leistung heraus - und nicht das revolutionäre 5G, das alle erwarten. Die faszinierenden und komplexen neuen Technologien wie „Massive MIMO“ und „Beam Forming“, die die effiziente Auslastung des Spektrums ermöglichen, kommen gar nicht zum Einsatz. Natürlich ergibt auch der neue Asphalt Sinn, aber dass das dann auch 5G heißt, ist zwar technisch korrekt, kann aber beim Kunden zur Enttäuschung führen.

In Deutschland launcht Vodafone auch mit dem Partner Huawei Fixed Wireless Access auf der 700-Megahertz-Frequenz. Ist das dasselbe, was Sie in der Schweiz anbieten?
Wir bieten Fixed Wireless Access auf Basis der 3,5-Gigahertz-Frequenzen an, das schafft reale Geschwindigkeiten von über einem Gigabit und zwölf Millisekunden Latenz. Auf der 700-Megahertz-Frequenz muss 5G mit 4G aggregiert werden. Ich bezweifele, dass dabei solche Geschwindigkeiten zustande kommen können.

Ist das denn störungssicher?
Beim hohen Frequenzbereich deckt eine Antenne nur Häuser im Umfeld von 300 bis 400 Metern ab. Fenster und Wände stellen Barrieren dar. Wir testen gerade kleine Außenantennen, die man ans Haus anbringt. Ein flaches Kabel führt dann ins Innere zum Router. So bleibt die Bandbreite auch im Haus verfügbar.

Auch in der Schweiz leben Sie nicht im Land der Seeligen. Die strengen staatlichen Auflagen hemmen den weiteren Ausbau des Funknetzes. Kann es sein, dass Deutschland am Ende doch noch an der Schweiz vorbeizieht?
Das Problem der Schweiz ist, dass wir in der elektromagnetischen Dosis, die wir senden dürfen, stark limitiert sind, und zwar auf ein Zehntel im Vergleich zu anderen Ländern. Dadurch können wir die neuen Frequenzen kaum nutzen. Zum Vergleich: In Wien fördern SPD und Grüne den Ausbau von 5G massiv. Der Datenverkehr wächst jedes Jahr exponentiell. Die Datenmenge verdoppelt sich alle 16 bis 18 Monate. Wer sagt, dass ihm die aktuelle Geschwindigkeit reicht, hat nicht verstanden, dass wir in drei Jahren kollabieren, wenn wir nur die bestehenden Systeme beibehalten können. Wir haben in der Schweiz ein Riesenpotential für die Zukunft – aber der Bund hätte die Aufgabe aufgrund von rationalen Studien zu sagen, was Sache ist.

In der Schweiz kursieren sogar Gerüchte, dass das Coronavirus von 5G-Masten verstrahlt würde.
Es muss mehr Aufklärungsarbeit geben. Als Anbieter sind wir aber nicht glaubwürdig. Das ist wirklich schwierig, wenn die Diskussion so irrational geführt wird. Nicht-ionisierende Strahlen haben eine niedrige Frequenz, sie liegen unterhalb des sichtbaren Lichts und haben Wellen von einem bis zehn Zentimeter. Röntgenstrahlen dagegen liegen weit über der Sichtbarkeit von Licht und haben Wellenlängen im atomaren Bereich. Die Radiofrequenzwellen haben einen thermischen Effekt. Doch haben Sie jemals gesehen, dass Menschen sich im Winter zum Aufwärmen um Antennenstationen gruppieren? Das liegt daran, dass die Signale so schwach sind, dass keine spürbare Wärme entsteht.

Leider schwingt in unseren von Wohlstand verwöhnten Gesellschaften viel Angst mit, wenn es um 5G geht. Auch Angst vor Robotern, die Arbeitsplätze wegnehmen und dem Überwachungsstaat. In Asien und insbesondere China wird die Technologie als Hoffnungsträger erlebt. Wir leben auf dem besten Platz in der Welt – wir müssen schauen, dass wir das nicht verlieren.

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Die Entscheidung der Briten gegen Huawei dürfte das ohnehin schon angespannte Verhältnis mit Peking zusätzlich verschlechtern. Der Ausbau des superschnellen 5G-Netzes in Großbritannien wird sich wohl um Jahre verzögern: Großbritannien schließt Huawei vom Ausbau seines 5G-Netzes aus.

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