Die Unister-Insolvenz zieht weitere Kreise. Inzwischen haben auch die Betriebsgesellschaft des Reiseportals Ab-in-den-Urlaub.de und mit rund 178 Mitarbeitern und zwei weitere kleinere Töchter des Internetkonzerns Insolvenz beantragt. Das sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther der Deutschen Presse-Agentur. Das Unternehmen hatte kurz nach dem Unfalltod der beiden Unister-Chefs Thomas Wagner (38) und Oliver Schilling (39) Insolvenz beantragt.
Am Donnerstag nahmen bei einer Trauerfeier in Leipzig knapp 400 Mitarbeiter, Freunde und Weggefährten Abschied von den beiden Managern. Trauerredner erinnerten an den Aufbruchsgeist, mit dem Wagner und Schilling Unister zu einem Riesen im Internet-Reisegeschäft ausbauten. Zur Lage des Unternehmens wollte sich kaum einer der geladenen Gäste der Trauerfeier äußern. Die Stimmung sei schon noch gut, sagte ein Mitarbeiter des Controllings.
Ansonsten hieß es: „Entschuldigung, kein Kommentar.“ Mit Blick auf Wagner und Schilling sagte der ehemalige Unister-Manager Ralph Michaelsen: „Die Besten sterben jung. Und die beiden gehören zu den Besten – menschlich und im Berufsleben.“
Die Unister-Insolvenz - Ein Wirtschaftskrimi?
Der Fall ist mysteriös - und klingt nach einem Wirtschaftskrimi: Selfmade-Millionär und Gründer des Leipziger Internetunternehmens Unister, Thomas Wagner, stürzt am 14. Juli 2016 mit einer Privatmaschine in Slowenien ab. An Bord Bargeld. Kurz darauf meldet die Holding Insolvenz an, ebenso ein Tochterunternehmen. Schon seit Jahren wird über wirtschaftliche Schwierigkeiten spekuliert. Viele Fragen sind offen.
Quelle: dpa
Zum Absturz könnte Vereisung an der einmotorigen Maschine beigetragen haben. Entsprechende Probleme hatte der 73-jährige Pilot der slowenischen Flugkontrolle gemeldet. Slowenische Medien spekulierten, dass die gecharterte Privatmaschine deutlich oberhalb der für diesen Typ üblichen Flughöhe von 5000 Metern unterwegs gewesen sein dürfte. Die Untersuchungen des Wracks laufen noch, auch unter Beteiligung deutscher Behörden.
Neben Firmengründer und Unister-Hauptanteilseigner Wagner (38) auch der Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), ein 65-jähriger Mann und der Pilot.
Wagner und sein Kompagnon wollten sich in Venedig mit potenziellen Investoren treffen, wie Unister mitgeteilt hat. Dabei sollen sie betrogen worden sein. Die slowenische Polizei berichtete von Dokumenten an Bord der Unglücksmaschine, die darauf hinwiesen, dass Wagner „um eine größere Summe geschädigt wurde“. In Medienberichten wird über die Investoren und untergeschobenes Falschgeld spekuliert, offiziell bestätigt ist nichts. Auch die Herkunft der an der Unglücksstelle gefundenen 10.000 Schweizer Franken in bar ist unbekannt.
Wagner galt zeitweise als ostdeutscher Vorzeige-Unternehmer, später gerieten Geschäftspraktiken von Unister immer wieder in die Kritik. Die letzte veröffentlichte Bilanz der Unister Holding stammt von 2011. Ihr alleiniger Geschäftsführer war Wagner, der alle Fäden in den Händen hielt. 2002 hatte er Unister als 23-Jähriger in Leipzig ursprünglich als Studententauschbörse gegründet und das Start-up auf einen rasanten Wachstumskurs geführt. 2015 war dann von Stellenstreichungen die Rede, 30 Millionen Euro pro Jahr sollten eingespart werden.
Unter dem Dach der Unister Holding GmbH fand sich eine Vielzahl von Firmen, die mehr als 40 Internetportale unter anderem zu den Themen Reisen, Nachrichten, Immobilien oder Partnervermittlung betreiben - darunter beliebte Seiten wie fluege.de, ab-in-den-urlaub.de, news.de oder partnervermittlung.de. Insgesamt arbeiteten mehr als 1000 Beschäftigte für die Unternehmensgruppe.
Bis zu seinem Tod hielt Wagner rund 40 Prozent der Anteile und war damit Hauptgesellschafter Unister Holding. Der Rest verteilt sich nach Firmenangaben auf die vier Mitgründer - darunter Schilling, der ebenfalls beim Absturz ums Leben kam - sowie eine Firma namens Opus30 Vermögensverwaltungsgesellschaft.
2012 geriet Unister ins Visier der Justiz. Wagner und drei weitere Manager wurden unter anderem wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte und Steuerhinterziehung angeklagt. Unister wies die Vorwürfe stets zurück. Zum Prozess kam es bisher nicht, weil das Landgericht Leipzig derzeit eine weitere Klage prüft.
Die beiden Gesellschafter des Leipziger Internet-Unternehmens waren Mitte Juli bei einem Flugzeugabsturz in Slowenien ums Leben gekommen. Sie waren auf dem Rückweg aus Venedig. Dort soll Wagner in der Hoffnung auf einen Kredit einem Millionenbetrug aufgesessen sein. Kurz darauf meldete Unister Insolvenz an, weitere Töchter folgten. Nun mit Ab-in-den-Urlaub.de ein weiteres prominentes Portal.
Dies sei die Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaften ohne Altlasten und Verbindlichkeiten an einen Investor verkauft werden können, sagte der Flöther der dpa. Die Buchungen seien sicher, für die Kunden ändere sich nichts, betonte er. Insgesamt sind 1080 Unister-Mitarbeiter von der Insolvenz betroffen.
Bis zum Ablauf der Frist am 31. August lagen laut Flöther sechs konkrete Kaufangebote von Investoren vor. In Absprache mit den Gläubigern werden diese nun geprüft und Einzelverhandlungen mit den Bietern geführt. „Das letzte Wort über den Zuschlag haben die Gläubiger.“ Die Angebote beziehen sich alle auf die Reisesparte. Somit zeichnet sich ein Deal über das Kerngeschäft mit seinen bekanntesten Unister-Marken und Plattformen als wahrscheinlichste Lösung ab. Dabei gehen Altlasten und Risiken wie Schulden oder Rechtsstreitigkeiten nicht auf den Käufer über.
Bis ein Vertrag mit einem potenziellen Investor unterzeichnet ist, werden die insolventen Gesellschaften fortgeführt. Flöther geht davon aus, dass dies auch dann möglich ist, wenn die Zahlung des Insolvenzgeldes Ende September ausläuft. „Wir haben zwar insolvenzbedingt Rückgänge, aber die Ertragslage ist stabil“, so Flöther. Das liege vor allem daran, die „immensen Marketingausgaben“ drastisch herunterschraubt wurden. „Wir haben also zwar Einbrüche im Umsatz, aber auch deutlich geringere Kosten.“
Unter Druck setzen lassen will sich Flöther nicht, notfalls wolle er sich Zeit nehmen, „um die Braut noch schöner zu machen“ - und dann einen höheren Kaufpreis zu erzielen. „Wir machen keinen Notverkauf, wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand, dennoch wollen wir so schnell wie möglich einen Investor finden.“ Flöther geht davon aus, dass das Insolvenzverfahren zum 1. Oktober eröffnet werden kann.
Das Insolvenzrecht gibt Flöther die Möglichkeit, Zahlungen, die Unister getätigt hat, unter bestimmen Umständen nachträglich anzufechten – etwa wenn der Konzern eigentlich schon zahlungsunfähig war. „Das wird ein großes Thema sein, dem wir uns nach der Verfahrenseröffnung widmen werden“, erklärte Flöther. „Natürlich prüfen wir, ob Zahlungen an Dritte zurückgefordert werden können und wann die Insolvenz faktisch eingetreten ist.“ Wenn dies schon früher der Fall gewesen sein sollte, gehe es um „sehr hohe Summen.“
In Unternehmenskreisen geht man davon aus, dass Unister schon früher zahlungsunfähig war – und zwar mit dem Auslaufen des Hanse-Merkur-Darlehens im Oktober 2015.