Alexa, Magenta und Co. Warum TV-Sender sich vor Sprachassistenten fürchten

Die Sprachbox Hallo Magenta am Stand der Telekom auf der ifa (Internationale Funkausstellung, Messe für Unterhaltung). Quelle: imago images

In immer mehr deutschen Haushalten stehen sprachgesteuerte Assistenten. Damit kommt Alexa, Siri und Co. eine Türsteher-Funktion zu: Sie entscheiden, was dem Nutzer vorgeschlagen wird. Experten reagieren alarmiert.

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Vom Typ her sind Türsteher eher breitschultrig, haben reichlich Muskeln und schauen dem Klischee entsprechend grimmig drein. Dieser Zugangswächter allerdings kommt eher harmlos daher: Klein ist er, weißlich-blass und eher rundlich gebaut. Dennoch hat er eine Macht, die selbst große Konzerne fürchten.

„Hallo Magenta, suche Nachrichten“ – es sind Befehle wie dieser, die nicht nur den Chefs von Fernsehsendern wie ProSieben und RTL, ARD und ZDF, n-tv und Sport 1 schlaflose Nächte bereiten. Denn der neue Sprachassistent der Deutschen Telekom wird womöglich bald in vielen Wohnungen darüber entscheiden, welche TV-Programme dort geschaut werden. Der Bonner Riese hat den smarten Assistenten für die nahe Zukunft angekündigt und will so der mächtigen US-Konkurrenz wie Amazons Alexa, Apples Siri und Google Home Paroli bieten.

Je mehr Kunden sich eine der sprachgesteuerten Mini-Tonnen ins Haus holen und sie auch dazu nutzen, ihren Medienkonsum zu organisieren, desto wichtiger wird es für die Sender, dass jeder Anbieter eine faire Chance hat, vom Nutzer auch gefunden zu werden.

„Die Politik muss dringend schnellere Entscheidungen treffen“, fordert Hans Demmel, der Vorsitzende des Privatsenderverbands Vaunet, der zugleich auch Chef des Nachrichtensenders n-tv ist. Demmel sieht die für die Medien zuständigen Bundesländer in der Pflicht. Die sind gerade dabei, mit einem neuen Medienstaatsvertrag die rechtlichen Rahmenbedingungen für die TV-Landschaft in den kommenden Jahren zu überarbeiten.

Doch die Privatsender treibt die Sorge um, dass die Politik zu langsam vorankommt, Themen wie Sprachassistenten und Empfehlungssysteme gar nicht richtig auf dem Schirm hat und daher von den Anbietern gerade Fakten geschaffen werden. Sendervertreter treiben vor allem drei Themen um: Sie fordern von Empfehlungssystemen Transparenz, einen offenen Zugang und die Auffindbarkeit ihrer Angebote. „Die Zukunft braucht Regeln“, sagt etwa Matthias Kirschenhofer, Geschäftsführer beim Münchner Anbieter Sport1. Es gehe darum, die Vielfalt der eigenen Inhalte im Wettbewerb mit global agierenden Anbietern sichern zu können.

Doch das gilt nicht nur für Alexa und Co. Auch auf Magenta TV, der neuen TV-Plattform der Deutschen Telekom, die diese jüngst vorgestellt hat, herrscht reichlich Gedrängel. Neben einem Streamingangebot mit Eigenproduktionen wie der Comedyserie „Deutsch-Les-Landes“ mit „Stromberg“-Darsteller Christoph Maria Herbst gehört dazu auch eine Mediathek, in der die Telekom ihren Kunden rund 100 TV-Sender anbietet. „Und wenn dann ein Zuschauer den Sprachassistenten auffordert, Nachrichten zu zeigen – wessen Programm sucht der dann aus?“, fragt nicht nur n-tv-Chef Demmel.

Dabei sehen Sendervertreter auch die Telekom mit gemischten Gefühlen. Einerseits begrüßen sie es, über das Angebot aus Bonn eine weitere Vertriebsmöglichkeit für ihre Programme zu bekommen. Bereits heute meldet die Telekom 3,3 Millionen Kunden für ihr TV-Angebot. Hinkt sie damit zwar Anbietern wie Netflix und Amazons Prime Video noch hinterher, könnte die Öffnung auch für Nicht-Kunden dem Angebot noch mal einen deutlichen Schub geben. Wolfgang Elsässer, der bei der Telekom für Magenta zuständige Manager, tönte jedenfalls schon mal in einem Interview mit dem Branchendienst DWDL: „Wenn hier und dort der Wunsch zu lesen ist, eine Art „Deutschland-Plattform“ zu schaffen, dann sind wir der so nah wie kein anderer Wettbewerber.“

Andererseits wächst mit dem möglichen Erfolg auch das Risiko für TV-Sender, in neue Abhängigkeiten zu geraten. Kaum ein Anbieter kann es sich erlauben, mit seinem Programm nicht auf der neuen Plattform vertreten zu sein. Er liefe Gefahr, einen Teil seines Publikums zu verlieren.

Umso größer wird daher die Bedeutung von Sprachassistenten und Empfehlungssystemen, die ihnen quasi zuarbeiten. „Empfehlungssysteme suggerieren den Kunden fast menschliche Zuwendung“, sagte Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Tatsächlich jedoch seien sie „aber ökonomisch motiviert“. Ihr regulatorisches Ziel sei es daher, „das Warum“ der Empfehlung begreifbar zu machen.

Tatsächlich wächst die Zahl der sogenannten Smart Speaker in den Wohnzimmern. Der Trendstudie „Consumer Technology 2018“ des Digitalverbands Bitkom und der Unternehmensberatung Deloitte zufolge nutzt mit 13 Prozent bereits jeder achte Bundesbürger ab 18 Jahren einen „intelligenten“ Lautsprecher mit einem digitalen Sprachassistenten wie Amazon Echo oder Google Home. Das wären immerhin bereits 8,7 Millionen Menschen. Gleichzeitig wächst auch das Wissen um Sprachsteuerung. So hätten bereits 84 Prozent haben schon von digitalen Sprachassistenten gehört. 2016 waren es erst fünf Prozent. Und jeder Vierte kann sich vorstellen, künftig Geräte mit der eigenen Stimme zu steuern – ein Trend, der neben TV-Sendern auch den Herstellern von Konsumgütern Kopfzerbrechen bereitet.

Bei ihnen wächst die Sorge, dass es der Trend zur Sprachsteuerung Anbietern wie Amazon noch leichter machen wird, vor allem ihre eigenen Produkte zu verkaufen und Markenhersteller ins Leere laufen zu lassen. „Bei Versuchen mit Amazons Alexa in den USA kaufte Alexa überdurchschnittlich häufig Batterien der Eigenmarke des Online-Händlers – obwohl andere Marken deutlich günstiger und besser bewertet waren“, erzählte Digitalexperte Peter Gentsch dem Branchenmagazin „Lebensmittelzeitung“. „Wenn Bots Kaufentscheidungen für uns treffen, hat das weitereichende Implikationen.“ Tina Beuchler, Direktorin für Digitales und Medien bei Nestlé fürchte, dass von Marken bald keine Rede mehr sein könnte, weil die Sprachassistenten vielleicht nur noch „einen Konkurrenten und eine Eigenmarke nennen.“

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