Algorithmen Big Data schafft den Zufall ab

Seite 2/3

Was heute schon geht

Regierungen, Unternehmen und Forscher haben längst damit begonnen, die Menge an Daten neu auszuwerten und einzusetzen. Das hat eine neue Qualität. Klausnitzer schildert als Beispiel einen erbosten Vaters, der den Supermarkt um die Ecke aufsucht und dort den Geschäftsführer zur Rede stellt. Der Grund: Seine Tochter im Teenager-Alter werde mit Coupons für Babykleidung und Kinderbetten überhäuft. Ob man sie zum schwanger werden verführen wolle? Am Ende stellt sich heraus, dass die Tochter durchaus schwanger war.

Doch warum wusste der Supermarkt-Manager vor dem werdenden Großvater von der Schwangerschaft seiner Tochter? Ganz einfach: Jeder Einkauf der jungen Frau wurde gespeichert. Bei der Analyse der Daten erkannte das Marketing-Team des Unternehmens, dass sich die Schwangere genauso verhielt wie andere werdende Mütter zuvor. Die kaufen nämlich beispielsweise mehr mehr Körperlotion - aus Angst vor Schwangerschaftsstreifen.

Genauso funktioniert auch der Onlinehändler Amazon. Das eigene Kaufverhalten wird mit dem anderer Kunden verglichen, die ähnliche Artikel anklicken. So hat es der Konzern durch den geschickten Einsatz von Algorithmen geschafft, seine Kunden digital zu beraten. Auch Google speichert alle Suchanfragen und filtert so durch das sogenannte „PageRank“ die Ergebnisse aus, die der Suchende vermutlich finden möchte. Barack Obama hat sich im letzten US-Wahlkampf zum wahren Datenkönig entpuppt. Sein Team analysierte persönliche Daten potentieller Wähler in den jeweiligen Bundesstaaten und bekam so heraus, mit welcher Ansprache Obama dort wohl am besten landen würde.

In Arbeit
Bitte entschuldigen Sie. Dieses Element gibt es nicht mehr.

Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler – alle wollen mit Hilfe technischer Mitteln dem Zufall ein Schnippchen schlagen. „Ich kennen kein Unternehmen, in dem keine Logdaten anfallen“, sagt Stefan Edlich von der Technischen Universität Berlin. „Und schon aus den Logdaten lässt sich Gold rausholen, weil sich dadurch das Surfverhalten der User genau analysieren lässt.“ Das ist die Grundlage auf der Amazon sein Empfehlungswesen aufgebaut hat.

In einem Punkt scheinen sich die Experten einig zu sein: Wer die Zukunft mitbestimmen will, muss heute in den Bereich Big Data investieren. Auf Intuition, Bauchgefühl oder auch mal den Zufall mag sich heute kaum noch jemand verlassen. „Je früher man investiert, desto wahrscheinlicher, dass man mit angreifen kann“, sagt Stefan Edlich von der TU Berlin. Wer sich der modernen Datenanalyse im Zeichen von Big Data widmen möchte, steht allerdings vor großen Herausforderungen. Beispielsweise der Quantität der zu analysierenden Daten.

Die neue Quantität und Qualität der Daten

Buchautor Klausnitzer: „Das Riesenausmaß der Daten erlaubt uns zu sagen, ,Korrelation reicht‘. Wir können Daten analysieren, ohne vorher ein Modell von dem zu haben, was wir zeigen können. Wir werfen die Daten in die großen Analysemaschinen und statistische Algorithmen finden, wo die Wissenschaft bisher keine erkennen konnte.“

Doch woher kommen diese Datenberge, die am Ende dafür sorgen, dass Zufälle in unserem Alltag eliminiert werden? Da sind zum einen die schon erwähnten Logdaten. Dann gibt es die normalen Daten, die jeder einzelne Bürger bei Behörden oder auch Unternehmen hinterlässt. Dazu kommen jene Daten, die in sozialen Netzwerken geteilt werden – und die dadurch entstehenden Verbindungen zwischen Personen, die sich ebenfalls nutzen lassen. Smarte Stromnetze tauschen Informationen aus. Autos sind mit Elektrotechnik vollgestopft, die nichts anderes macht, als Sensordaten von A nach B zu transferieren.

Relativ neu ist der Trend des Selbstvermessens, der wohl der vorläufige Gipfel der freiwilligen Datenabgabe im Netz ist. Seinen Ursprung hat diese sogenannte Quantified-Self-Bewegung zum Speichern der eigenen Körper-Daten im Bereich der Gesundheit. Erfasst werden die privatesten Informationen: Wie lange habe ich geschlafen, wie viel Sex hatte ich, wie viel habe ich mich bewegt, wie ist mein Blutdruck? Sogar der Urin lässt sich dank neuer App kontrollieren. Dabei helfen meistens Applikationen am Smartphone, die alle Informationen genau speichern. Vor allem im sportlichen Bereich werden die Ergebnisse sogar geteilt und mit denen von Freunden verglichen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%