Alphabet-Finanzchefin Wie Ruth Porat Nerds Finanzdisziplin beibringt

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"Ich liebe alle meine Kinder"

In den USA hat man den Eindruck, durch den massenhaften Rückkauf eigener Aktien arbeiten viele Konzerne an einer Blase, die irgendwann platzen wird.
Nicht bei uns. Der Umfang unseres Rückkaufprogramms ist, gemessen an unserem Ergebnis, ja eher klein. Sozusagen das i-Tüpfelchen unseres gesamten Konzepts zur Kapitalverwendung. Was auch immer für andere Unternehmen gilt: Bei uns hat das Hand und Fuß.

Freuen Sie sich eigentlich auf Donald Trumps Steuerreform?
Ich finde die Aussicht durchaus ermutigend, dass es irgendwann mal eine Steuerreform geben könnte. Demokraten und Republikaner wollen die ja seit Langem auf den Weg bringen.

Wie bewerten Sie die Vorschläge Donald Trumps?
Ich habe mich bisher zurückgehalten, den Präsidenten zu kommentieren, und werde auch dabei bleiben.

Haben Sie nach vielen Jahren in der Finanzbranche nicht mal den Wunsch, etwas anderes zu machen, als CFO zu sein?
Ehrlich gesagt schon. Nach sechs Jahren als Finanzchefin von Morgan Stanley dachte ich: Du hast in diesem Job alles erreicht, die Bank hat einen super CEO, das wirst du also nicht werden, deshalb mach was anderes. Ich habe mich dann mit dem großartigen Bill Campbell beraten und ihm vorweg gesagt: Eins ist mir klar, ich will nie wieder einen CFO-Job. Wir haben mehrere Stunden geredet, und dann hat Bill gesagt: Ich habe die perfekte Idee. Du wirst CFO von Google.

Und dann haben Sie erst mal Nein gesagt.
Ich habe natürlich Ja gesagt. Alle Bedenken waren weg. Ich kannte Google ja schon gut, denn ich habe bei Morgan Stanley den Google-IPO gemacht. Das Unternehmen hat mich immer begeistert.

Was macht es für einen CFO bei Google spannender als bei Morgan Stanley?
Die schiere Breite der Möglichkeiten. Ich wusste sofort: was für eine Wahnsinnsmöglichkeit.

Es gibt Menschen, die nennen das Silicon Valley Amerikas neue Wall Street. Was haben Sie im alten Job gelernt, das sie im neuen gebrauchen können?
In den Jahren der Finanzkrise, und glauben Sie mir, die waren nicht schön, habe ich gelernt, worauf es ankommt. Die richtigen Warnsysteme, die richtigen Kennzahlen und die Kompetenz, die Daten auch wirklich analysieren zu können. Da sind wir auch wieder beim Thema Transparenz. In der Finanzkrise hatten alle Beteiligten lange keine Klarheit, was wirklich los ist, also konnten sie nicht die richtigen Entscheidungen treffen.

Umsatz und Gewinn von Googe Inc./Alphabet Inc. weltweit

Jetzt klingen Sie sehr datengetrieben.
Ich zitiere unseren Chairman Eric Schmid: Verankere deine Entscheidungen in Daten, und sie werden dir eine Geschichte erzählen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Wenn Menschen sich auf ihre Intuition verlassen, ohne die Daten zu Rate zu ziehen, übersehen sie ihre eigenen blinden Flecken.

Sie haben ein sehr klares Gerüst für Ihre Arbeit und Ihre Entscheidungen. Woher kommt das?
Von dem größten Vorbild, das ich habe, und das ist mein Vater. Er ist 94, der Superheld unserer ganzen Familie.

Was macht ihn zum Helden?
Er hatte nicht mal eine ordentliche Schulausbildung, als er für die britische Armee in Afrika in den Krieg ging. An der Front hat er sich selbst Physik beigebracht. Seine Kameraden haben ihn die ganze Zeit geärgert und gesagt: Du bist tot, bevor du damit fertig bist. Und er hat geantwortet: Dann sterbe ich wenigstens gut ausgebildet. Später hat er dann in England studiert und mithilfe des damaligen Senators John F. Kennedy in Harvard. In seinem Labor in Stanford habe ich immer meine Hausaufgaben gemacht. Wir haben zusammen verrückte kleine Maschinen gebaut.

Klingt, als hätten Sie schon in Ihrer Kindheit nicht viel Work-Life-Balance erlebt.
Mit dem Begriff kann ich nichts anfangen. Er ist eine Falle. Wo gibt es schon Balance? Man versucht dauernd, sie herzustellen, und es gelingt doch nie. Führt nur dazu, dass man sich ständig schuldig fühlt. Ich benutze lieber die Metapher eines Kaleidoskops. Darin sieht man nie die gleiche Farbe und Form, sauber sortiert auf allen Seiten, sondern alles ist ein Mix und verändert sich immer wieder im Laufe des Lebens.

Wofür sollte Alphabet Ihrer Meinung nach in 20 Jahren noch berühmt sein?
Wir können mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, mit Ausbildung, mit wirtschaftlichem Ansporn so viel machen, in alledem stehen wir noch am Anfang. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten, das Leben für die Menschen einfacher und besser zu machen.

Welches ist Ihr Lieblingsprojekt unter den Moonshots?
Ich liebe alle meine Kinder.

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