Alternativen für Mittelständler Es muss nicht immer SAP sein

SAP-Alternativen aus Deutschland für Mittelständler Quelle: imago images

Vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen gilt: Es muss nicht immer SAP sein. Gerade hierzulande gibt es eine große Palette mittelständischer Hersteller von Unternehmenssoftware – die Lösungen sowohl aus der Cloud als auch herkömmlich per Lizenz im Angebot haben.

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Konzerne kommen meist nicht um SAP herum, wenn sie Buchhaltung, Personalwesen bis hin zu Einkauf und Logistik per zentraler Unternehmenssoftware vereinheitlichen und auf eine digitale Plattform stellen wollen. Denn der Funktionsumfang der Softwarepakete SAP Business Suite und der allerneuesten Anwendung S/4Hana ist vor allem für Großunternehmen sinnvoll.

Ganz anders sieht es jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen aus. Zwar haben die Walldorfer mit Business One auch für sie ein Software-Paket im Angebot. „Insbesondere für Mittelständler gilt aber: Es muss nicht immer SAP sein“, sagt Axel Oppermann, Chef und Gründer des IT-Analysehauses Avispador aus Kassel.

Das gilt gerade in Deutschland: Schließlich gibt es hierzulande eine große Palette mittelständischer Anbieter von Unternehmenssoftware. Sie sind oft spezialisiert auf einzelnen Branchen oder warten mit speziellen technologischen Funktionen auf. Außerdem interagieren sie mit ihren Kunden eher auf Augenhöhe als die von vielen kleineren Firmen teils als arrogant wahrgenommene SAP.

Einer der neuen SAP-Wettbewerber ist Scopevisio: Der Anbieter aus Bonn hat mit der Wirtschaftsauskunftei Creditreform und der Telekom als Vertriebspartner gleich zwei starke Verbündete. Scopevisio bietet Software-Lösungen für das gesamte Unternehmen – angefangen bei Buchhaltung und Rechnungswesen über Marketing und Vertrieb bis hin zum Management der Dokumente, und das für verschiedene Branchen.

Weiterer Vorteil: Statt ein Paket für das ganze Unternehmen zu kaufen, können Firmenchefs auch einzelne sogenannte Miniservices von Scopevisio buchen – also jene Cloud-Lösungen, die sie täglich benötigen. Dazu zählen beispielsweise Kassenbuch, Lohnvorerfassung oder Finanzbuchhaltung bis hin zur Reisekostenabrechnung, und das für geringe Euro-Beträge pro Monat.

Eine ebenfalls branchenübergreifende Lösung bietet das Software-Haus Abas aus Karlsruhe an. Im Gegensatz zu Scopevisio sind die Nordbadener bereits seit 1980 am Start, verfügen dadurch also über eine bald 40-jährige Erfahrung bei der Einführung von Unternehmenssoftware. Rund 3600 Unternehmen setzen die Lösungen laut Abas-Angaben weltweit ein.

Die Megaflops unter den SAP-Großprojekten
OttoDer Hamburger Otto-Konzern kippte im Jahr 2012 eine SAP-Einführung mit dem Namen „Passion for Performance“. Das im Jahr 2009 gestartete Vorhaben galt als das größte IT-Projekt in der Geschichte des Versandhändlers, der seine diversen IT-Systeme mithilfe von SAP vereinheitlichen wollte. Rund 100 Beschäftigte arbeiteten an dem Projekt, das dann doch floppte. Der finanzielle Schaden lag laut Unternehmensangaben im zweistelligen Millionenbereich. Ottos knappe Begründung für das Scheitern: „sehr komplex“. Quelle: dpa
Deutsche BankMit einem SAP-Projekt, das intern den Code-Namen „Magellan“ hatte, wollte die Deutsche Bank die IT der von ihr übernommenen Postbank integrieren. Im Jahr 2015 stoppte das Frankfurter Bankhaus die Sache: Hunderte Experten hatten über Jahre an dem Projekt gewerkelt, die angestrebten Ziele jedoch nicht ansatzweise erreicht. Bis zum Schiffbruch hat die Bank mit Magellan eine dreistellige Millionensumme versenkt, wie seinerzeit aus dem Unternehmensumfeld verlautete. Quelle: dpa
LidlIm Jahr 2011 hatte Lidl unter dem Codenamen „Elwis“ eine konzernweite SAP-Offensive für ein weltweit einheitliches Warenwirtschaftssystem gestartet. Fast sieben Jahre lang bastelten der Discounter und die Unternehmensberatung KPS an der Einführung. Nach Investitionen von einer halben Milliarde Euro zog der Discounter schließlich im Juli 2018 die Reißleine und beerdigte „Elwis“. Die ursprünglichen Projektziele seien „nicht mit vertretbarem Aufwand“ erreichbar, so Lidl-Chef Jesper Hoyer im Juli 2018 in einer internen Mitteilung. Quelle: dpa
EdekaDer größte deutsche Lebensmittelhändler Edeka entschied im Jahr 2007, seine komplexen Einkaufs- und Warenwirtschaftsabläufe im Projekt „Lunar“ mit SAP zu vereinheitlichen. Dafür veranschlagte das Unternehmen ursprünglich ein Budget von 200 Millionen Euro. Als Lunar im Jahr 2012 abgeschlossen war, hatte Edeka insgesamt 350 Millionen Euro investiert. Laut Aussage des damaligen Edeka-IT-Vorstands Reinhard Schütte war dieses Projekt „eine der weltweit kompliziertesten SAP-Installationen der vergangenen Jahre“. Intern rumort es weiterhin, weil verschiedene Edeka-Untergesellschaften statt Lunar ein SAP-Alternativsystem namens „Sonar“ favorisieren, das in einer anderen Untergesellschaft der Händlergenossenschaft entwickelt wurde. Wer sich in dem IT-Streit durchsetzt, ist bisher offen. Quelle: dpa
Deutsche PostIm Jahr 2015 musste die Deutsche Post wegen einer gefloppten SAP-Einführung ihre Gewinnziele kappen. In dem Projekt namens „New Forwarding Environment“ wollte der Konzern aus Bonn eigentlich von 2011 an sein 30 Jahre altes IT-System „Logis“ mit einer komplett neuen Software auf SAP-Basis ablösen. Ende 2015 räumte die Post dann offiziell ein, einen dreistelligen Millionenbetrag in den Sand gesetzt zu haben: „Vor dem Hintergrund der geringeren Wahrscheinlichkeit, dass DHL (...) aus dem New Forwarding Environment (NFE) System in der gegenwärtigen Form positive Effekte erzielen kann, hat der Konzern in den ersten neun Monaten 2015 Einmaleffekte in Höhe von 345 Millionen Euro verbucht“, gab der Konzern aus Bonn per per Ad-hoc-Mitteilung bekannt. Die Summe setzte sich zusammen aus 308 Millionen Euro für Abschreibungen auf das Projekt – und weiteren 37 Millionen Euro Rückstellungen für dessen Rückabwicklung. Quelle: imago images
DocMorrisIm Jahr 2012 sorgte eine holprige SAP-Einführung für ein enormes Chaos bei der Internetapotheke DocMorris. Anfangs hakte insbesondere die Weitergabe von Aufträgen, sodass Tausende Rezepte unbearbeitet blieben. Über zwei Jahre kam es zu Lieferengpässen. Viele enttäuschte Kunden machten in Internetforen ihrem Unmut Luft. „Unser Nahtoderlebnis“, nannte Vorstandschef Olaf Heinrich das Projekt, das er selber rettete. Quelle: obs

Abas richtet sich vor allem an fertigungsnahe Unternehmen. Im ihrem Produktportfolio finden sich diverse Module, angefangen bei Produktionsplanung und -steuerung (PPS), Finanzwesen und Buchhaltung bis hin zu Materialwirtschaft sowie Vertriebssteuerung und Kundenmanagement (CRM). Mit 38 zertifizierten Vertriebs- und Beratungs-Partnern in insgesamt 27 Ländern ist Abas auch für größere Mittelständler mit internationalen Niederlassungen geeignet.

Der in München ansässige Anbieter MyFactory adressiert dagegen – Nomen est omen – vor allem mittelständische Industrieunternehmen. MyFactory ist ein modular aufgebautes Cloud-System, das vollintegriert ist. Das bedeutet: Kunden können verschiedene Services wie etwa Materialwirtschaft, Finanzbuchhaltung oder Mitarbeiterverwaltung nach eigenem Gusto als Cloud-Abo buchen. Dabei arbeiten sie stets auf einer einheitlichen Datenbasis. Wer den Gang in die Internet-Wolke scheut, kann stattdessen auch die herkömmliche Lizenzversion erwerben und die Software „on-premise“ laufen lassen, das heißt installiert auf Rechnern im eigenen Unternehmen.

Die im rheinland-pfälzischen Hauenstein südlich von Kaiserslautern beheimate Softengine bietet mit seinen Programmen BüroWare und WebWare kaufmännische Komplettlösungen für Handel, Industrie und E-Commerce an. BüroWare ist dabei die klassische Software für den Einsatz im Unternehmen und umfasst Warenwirtschaft, CRM und Finanzbuchhaltung. WebWare ist die entsprechende Lösung „on-demand“, das heißt per Browser-Zugriff über das Internet. Die Cloud-Anwendung von Softengine ist zudem als App per Tablet nutzbar, etwa für den Zugriff von Außendienstlern auf Vertriebs- oder Lagerdaten.

Welcher Anbieter ist am besten?

Welche Unternehmenssoftware am besten passt, hängt von den Anforderungen des jeweiligen Mittelständlers ab. Es ergibt aber durchaus Sinn, in die Evaluierung mehr als nur die gängigen Anbieter wie SAP oder Microsoft mit seinem Paket Dynamics miteinzubeziehen, rät Avispador-Chef Oppermann: „Gerade nationale Anbieter können für kleinere Unternehmen besser passen, weil sie weniger komplex sind – und dennoch alle hiesigen Anforderungen erfüllen.“ Dann wären sie auch eine Alternative zu langlaufenden SAP-Einführungsprojekten, mit denen sich gerade viele Mittelständler hierzulande plagen.

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