Altersdiskriminierung im Silicon Valley Digitaler Jugendwahn vor Gericht

Haben nur noch junge Menschen eine Chance auf dem digitalen Arbeitsmarkt? Vor einem Gericht in Kalifornien muss sich Google jetzt wegen Altersdiskriminierung verantworten. Im Silicon Valley ist das kein Einzelfall.

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Eine abgelehnte Bewerberin wirft dem Konzern Altersdiskriminierung vor. Quelle: dpa

San Francisco Es wird ernst für Google: Die amerikanische Bundesbehörde für gleiche Chancen am Arbeitsmarkt (EEOC) hat Ermittlungen über Diskriminierung bei der Einstellungspraxis von älteren Bewerbern bei dem Internetkonzern eingeleitet. Das berichten die „San Jose Mercury News“ unter Berufung auf die Klageschrift einer Bewerberin, die nach Vorstellungsgesprächen abgelehnt worden war.

Eine rund ein Jahr alte Klage vor Gericht, die das Potenzial hat, das Silicon Valley zu verändern, bekommt damit eine neue Brisanz. „Die EEOC hat viele Beschwerden über Altersdiskriminierung bei Google bekommen und hat eine ausführliche Untersuchung über die Einstellungsmethoden und -praxis eingeleitet“, so die Klageschrift einer 47-jährigen Systemprogrammiererin, die sich beworben hatte, zum Gespräch eingeladen und nie angestellt wurde.

Zum Hintergrund: In Kalifornien sind bei Bewerbungen weder Fotos noch Altersangaben erlaubt. Bewerber müssen nach ihren Qualifikationen beurteilt werden. Alter und Aussehen stellen sich erst im Gespräch heraus. Die Behörde teilte mit, dass man zu etwaigen Verfahren keine Aussagen machen könne. Google selbst, so die „Mercury News“, hatte zu einem früheren Zeitpunkt generell mitgeteilt, dass man Gegenstand von Untersuchungen sei und kooperiere.

Diskriminierung hat System im Silicon Valley. Das Epizentrum der digitalen Industrie ist weiß und männlich. Das räumen auch viele Gründer und Manager unumwunden ein und unterstützen Projekte, um Minderheiten und Frauen stärker in die Tech-Industrie zu integrieren. Sie setzen sich auch für die Einwanderung qualifizierter, junger Arbeitskräfte ein. Doch statt Geschlecht oder Hautfarbe entscheidet häufig das Alter, wenn es darum geht, einen Job in der Glitzerwelt der digitalen Wirtschaft zu ergattern oder aufs Abstellgleis geschoben zu werden.

Bereits 2007, als Mark Zuckerberg noch nicht absehen konnte, dass er einmal der Herrscher über ein kalifornisches Imperium mit einem Börsenwert von 330 Milliarden Dollar sein würde, sprach der Facebook-Gründer noch frei von der Leber weg, wie er sich die Zukunft der Arbeitswelt vorstellt: „Ich will ausdrücklich betonen wie wichtig es ist, jung und technikorientiert zu sein“, bläute der Jungunternehmer Studenten an der Eliteuniversität Stanford ein. „Junge Menschen sind einfach smarter“, ist seine Überzeugung. Sie hätten ein „einfacheres Leben“, was sie befähige, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Zuckerberg selbst besaß damals nach eigener Aussage nur eine Matratze auf dem Boden eines winzigen Appartements.


Alter als Gehaltsbremse

Während Politiker und Wirtschaftswissenschaftler in den USA oder Deutschland also gebetsmühlenartig erklären, dass die Menschen länger als früher arbeiten müssen, macht die digitale Elite klar, wo die Reise wirklich hingeht. „Altersdiskriminierung ist allgegenwärtig in der Industrie“, zitiert die „Mercury News“ Norman Matloff von der University of California Davis. „Und wir reden hier nicht von 55, sondern eher von 35.“ Die „New Republic“ berichtete 2014 von einer Überschrift auf der Karriereseite des Start-ups Service Now, die knallhart lautete: „Wir wollen Leute, die ihre besten Zeiten vor sich haben. Nicht hinter sich.“

Doch es geht dabei vor allem darum, die Kosten niedrig zu halten, schätzen Insider. Die mächtigen Silicon-Valley-Unternehmen waren schon einmal dabei erwischt worden, wie sie ein Kartell geschmiedet hatten mit dem Ziel, sich gegenseitig ungefragt keine Mitarbeiter abzuwerben, um keinen Preiskrieg am Arbeitsplatz um hochqualifizierte Talente auszulösen. Die beteiligten Unternehmen verpflichteten sich nach langen Gerichtsverfahren solche Praktiken zu unterlassen und zahlten tausenden Klägern Schadenersatz.

Jetzt scheint statt geheimer Absprachen das Alter als Gehaltsbremse zu fungieren. Junge Programmierer können bereits mit 100.000 Dollar Startgehalt und mehr rechnen, wenn sie rund um San Francisco einen Job in der Tech-Industrie ergattern. Mit zunehmender Erfahrung und mit dem Alter steigen die Gehälter dann überproportional an. Dazu kommen Aktien und Optionen oft im siebenstelligen Bereich. Wenn man denn so lange durchhält oder überhaupt eingestellt wird.

Der Gerichtstermin für die Klage der Programmiererin ist für Anfang 2017 angesetzt. Google habe Cheryl Fillekes laut Klageschrift zwischen 2007 und 2014 viermal persönlich für verschiedene Positionen interviewt, sich über ihre „beeindruckenden“ Kenntnisse geäußert, sie aber nie angestellt. Die Klägerin schließt sich einem Verfahren aus dem Jahr 2015 an.

Robert Heath, der auf eine Karriere bei IBM, Compaq und General Dynamics zurückblicken kann, hatte sich im Alter von 60 Jahren auf eine Stelle beworben. Google räumte 2015 ein, mit beiden Klägern Kontakt gehabt zu haben. Sie seien aber aus Gründen nicht eingestellt worden, die nichts mit dem Alter zu tun gehabt hätten.

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