Amazon, Apple und Facebook Neue EU-Regeln sollen Internetriesen Grenzen setzen

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Große Anbieter müssen deutlich mehr Regeln beachten

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte am Dienstag zwar, die Vorschläge richteten sich gegen kein bestimmtes Unternehmen – allerdings ist offensichtlich, wen sie besonders treffen würden. Facebook zeigte sich in einer ersten Reaktion dennoch aufgeschlossen für die Vorschläge. Man begrüße einheitliche EU-Regeln und mehr Verantwortung dafür, schädliche Inhalte zu löschen, sagte ein Sprecher. Karan Bhatia von Google zeigte sich hingegen besorgt, dass die Vorschläge „offenbar speziell auf eine Handvoll Unternehmen abzielen und die Entwicklung neuer Produkte zur Unterstützung kleiner Unternehmen in Europa erschweren“. Man werde die Vorschläge in den kommenden Tagen sorgfältig prüfen.

Die EU-Kommission geht die aktuellen Probleme gewissermaßen von zwei Seiten an. Das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geht gesellschaftliche Fragen an. Bevor die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden, müssen EU-Staaten und Europaparlament sich noch auf eine Linie verständigen.

Der DSA sieht nun vor, dass alle Online-Plattformen bestimmte Regeln beachten müssen – die großen Anbieter aber deutlich mehr als die kleinen. Unter anderem müssten Online-Plattformen ihre Werbung und auch ihre Empfehlungsalgorithmen transparenter machen. Nutzer sollten wissen, warum ihnen die Produkte bestimmter Anbieter weiter oben angezeigt werden – und andere gar nicht, sagte Vestager. Illegale Inhalte wie Hassrede oder Missbrauchsdarstellungen müssten zudem zügig entfernt werden. Zugleich müssten Nutzer die Möglichkeit zur Beschwerde haben. Marktplätze wie Amazon müssten die Anbieter auf ihrer Seite überprüfen, damit weniger gefälschte Ware im Netz landet.

Banken, Autokonzerne, Industrie und Mittelstand – Google macht sich in der deutschen Wirtschaft breit. Während sich die EU müht, den US-Konzern im Internet einzuhegen, drängt der längst weit darüber hinaus.
von Peter Steinkirchner, Henryk Hielscher, Matthias Hohensee, Andreas Macho, Cornelius Welp, Silke Wettach

Bei Verstößen gegen diese Vorgaben sind Strafen von bis zu sechs Prozent des jährlichen Umsatzes vorgesehen – bei den Tech-Riesen ginge das schnell in die Milliarden. Besonders große Plattformen, die von mehr als zehn Prozent der EU-Bevölkerung (rund 45 Millionen) genutzt werden, müssten sich außerdem der Aufsicht eines neuen Europäischen Ausschusses für digitale Dienste stellen.

Der DMA richtet sich gegen sogenannte Gatekeeper, die erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, und soll für faireren Wettbewerb sorgen. Als Gatekeeper bezeichnet die EU-Kommission auch solche Dienste, über die viele Business-Kunden ihre Kunden erreichen. Wer ein solcher Gatekeeper ist, muss bestimmte Vorgaben erfüllen. Dazu zählt etwa, dass die Daten von Anbietern, die die eigene Plattform nutzen, nicht gegen eben diese Anbieter benutzt werden dürfen, wie Vestager sagte. Ein solches Vorgehen wird beispielsweise Amazon auf seinem Marketplace vorgeworfen.

Auch müssten Gatekeeper, wenn sie einen neuen Dienst entwickeln, Interoperabilität mit den Diensten anderer – kleinerer – Unternehmen sicherstellen. Zudem soll das Bevorzugen eigener Angebote verboten sein: Diese dürften nicht höher angezeigt werden als andere. Wer gegen diese Vorgaben verstößt, dem drohen Strafen bis zu zehn Prozent des jährlichen Umsatzes. Im Härtefall droht die EU-Kommission auch mit der Zerschlagung eines Unternehmens.

Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern in Deutschland sind die Vorschläge der EU-Kommission allerdings nicht konkret genug. Man habe bei der Regulierung des Marktverhaltens von marktdominanten Plattformen „konkretere und weitgehendere Vorschläge“ erwartet, teilten der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) am Dienstag gemeinsam in Berlin mit.


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Die Verleger forderten weitere Debatten zur europäischen Plattformregulierung. Sie sehen zudem die Gefahr, dass effektivere Regeln in Mitgliedsstaaten im Kartell- und Wettbewerbsrecht und auch im deutschen Medienstaatsvertrag in Teilen unmöglich werden könnten. Der Medienstaatsvertrag beinhaltet Regeln für Rundfunk und Plattformen, die Inhalte bereitstellen. Eine Schwächung der Regeln würde aus Verlegersicht zu einer Monopolverstärkung führen. „Das ist sicher nicht intendiert“, hieß es.

Mehr zum Thema: Die EU-Kommission hat ihren Gesetzesvorschlag für digitale Märkte und Dienstleistungen vorgestellt.

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