Antitrust-Klage Eine Zäsur für Google – und die gesamte Tech-Industrie

Ist Google nur der erste Silicon-Valley-Konzern, bei dem das US-Justizministerium jetzt ernst macht? Quelle: ddp images

Die US-Regierung nimmt Google mit einer Wettbewerbsklage ins Visier. Das trifft nicht nur den Suchmaschinen-Giganten, sondern könnte das Silicon Valley erschüttern. Warum das nur der Anfang ist – und Donald Trump genau jetzt zuschlägt.

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Die PR-Krisenexperten der Silicon Valley Hightech-Ikonen, allen voran die von Google natürlich, laufen gerade zu Höchstform auf. „Es ist eine zutiefst fehlerhafte Klage, die nichts für Kunden bringen wird“, schimpft Googles-Chefjustiziar Kent Walker in einer ersten Reaktion auf den Vorstoß des US-Justizministeriums. Das wirft Google unfairen Wettbewerb bei der Websuche vor – und wird Klage erheben.

Doch egal, wie die Tech-Konzerne es drehen und wenden, wie sie auch schimpfen mögen: Diese Monopolklage gegen einen der einflussreichsten Tech-Konzerne der Welt bedeutet eine Zäsur. Mehr als zwanzig Jahre hat das US-Justizministerium weitgehend untätig der zunehmenden Machtkonzentration in der Internet-Branche zugesehen. Die Untersuchungen samt anschließender Monopolklage gegen Microsoft – die in der Ära von Bill Clinton ins Rollen gebracht wurde – liegen beinahe 25 Jahre zurück.

Und erstmals überhaupt richtet sich eine Monopolklage jetzt gegen ein Unternehmen aus dem Silicon Valley. Obwohl Microsoft oft in einem Atemzug mit dem Silicon Valley genannt wird, ist es 1300 Kilometer weiter nördlich von Googles Hauptquartier ansässig, im Städtchen Redmond bei Seattle.

Die Monopolklage ist nur der Auftakt. Branchenbeobachter rechnen fest damit, dass es als nächstes Facebook treffen wird. Und sich zudem die Generalstaatsanwälte der US-Bundesstaaten einschalten.

Ein Bericht des Antitrust-Ausschusses im US-Repräsentantenhaus machte jüngst klar, wie schlecht das Ansehen der Hightech-Unternehmen trotz massiver Lobby-Arbeit ist. Er stellte nach 16 Monaten Untersuchung und Anhörung der CEOs von Amazon, Apple, Facebook und Google klar, dass die vier Unternehmen eindeutig ihre Monopolmacht missbrauchen, Märkte kontrollieren und manipulieren, Gewinner und Verlierer festlegen, Preise diktieren, ihre Wettbewerber durch Knebelverträge ausschalten oder vorausblickend aufkaufen.

Sie hätten mit ihrem Gebaren nicht nur den Wettbewerb und die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie untergraben. Ihre Zeiten als leuchtende Vorbilder seien vorbei. „Aus Unternehmen, die mal als schnoddrige Außenseiter Start-ups angetreten sind, um die bestehende Ordnung herauszufordern, sind die Art von Monopolen geworden, die es zuletzt zu Zeiten der Ölbarone und Eisenbahn-Tycoons gab“, ätzen die Autoren des Berichts.

Wenn es einen Angriffspunkt für die PR-Krisenexperten gibt, dann es ist der Zeitpunkt der Monopolklage: gerade mal zwei Wochen vor den US-Wahlen. Die Attacke auf Google ist auch ein PR-Stunt Donald Trumps. Nun kann sich der amtierende US-Präsident auf die Fahnen schreiben, endlich etwas gegen die Macht der großen Tech-Konzerne unternommen zu haben. Das ist jetzt noch nicht einmal gelogen und für ihn Gold wert.

Viele der großen Übernahmen, mit denen die Internet-Konzerne ihre Macht zementiert haben – wie der Kauf der Reisesuchmaschine ITA durch Google oder von Instagram und WhatsApp durch Facebook – gingen während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama und seinem Vize Joe Biden über die Bühne. Obama war gern gesehener Gast in den Hauptquartieren von Google und Facebook. Seine Regierung wurde von Experten aus dem Silicon Valley beraten, die dort aus und ein gingen.

Dabei wäre es falsch, das Zögern der Wettbewerbshüter allein auf Obama und Biden zu schieben. Die mit Abstand wichtigste Übernahme von Google war die des Werbedienstleisters Doubleclick für 3,1 Milliarden Dollar im Jahr 2007 – dem vorletzten Amtsjahr von George W. Bush. Und auch Trump hat nichts getan, um die Konsolidierungswelle in der Internet- und Medienbranche zu stoppen. Seine Wettbewerbshüter gaben grünes Licht für den Kauf von Time Warner durch AT&T, was einen der größten Kommunikationskonzerne der Welt schuf. Wenig später konnte Disney dann Fox Entertainment aufkaufen, die Unterhaltungssparte von Rupert Murdoch. Ironischerweise gab es auch deshalb grünes Licht, weil die Aufkäufer jammerten, dass sie sich sonst nicht gegen das Silicon Valley durchsetzen könnten.

Sind die Zeiten der Megamerger jetzt vorbei, weil die Konzernchefs sich wegen der Monopolklage gegen Google nicht mehr an sie herantrauen? Wird Google nun aufgespalten und muss Facebook seine Zukäufe rückgängig machen? Sind danach Amazon und Apple dran?

Wenn überhaupt, dann wird es Jahre dauern und die nächste und sogar übernächste US-Administration beschäftigen. Google wird die besten Juristen der Welt aufbieten. Und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat bereits geschworen, „in den Ring zu steigen.“
Außerdem ist unklar, ob sich die Regierung überhaupt durchsetzen wird. Professor Viktor Mayer-Schönberger, der lange in Harvard beschäftigt war und nun in Oxford Internet Politik und Regulierung lehrt, gibt zu bedenken, dass die Antitrust-Klagen der US-Regierung bislang nie das gewünschte Ziel erreicht haben.


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Bei Microsoft sei das Aufspalten in der Berufung gekippt worden. Zudem haben das ganze Verfahren und seine Voruntersuchungen viele Jahre gedauert. Ähnlich sei es auch beim Aufspalten von AT&T unter US-Präsident Ronald Reagan gewesen, das heute als großer Erfolg der US-Wettbewerbshüter gefeiert wird. Dort wurde die Aufspaltung tatsächlich vollzogen. Es entstanden dadurch viele kleine Telefongesellschaften, die sogenannten Baby-Bells, die sich wiederum konsolidierten und am Ende wieder in AT&T mündeten. Einem Konzern, der heute stärker denn je ist.

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