Die Fußstapfen des legendären Steve Jobs waren groß, als Tim Cook nach dem Tod der Apple-Ikone im Herbst 2011 die Führung des Unternehmens übernahm. Skeptiker munkelten, dass ohne den iGod der Höhenflug des Unternehmens vorbei sei. Und tatsächlich ebbte trotz weiter guter Verkaufszahlen die Kritik an Cooks nicht ab. Fehlgriffe wie bei der Maps-Anwendung oder die enttäuschenden Quartalszahlen waren ebenso Öl im Feuer der Kritiker, wie die schlechten iPad-Verkaufszahlen.
Immer wieder wurde die Frage laut, ob dieser unscheinbar wirkende und öffentlichkeitsscheue Mann wirklich in der Lage sein kann, die Erfolgsgeschichte von Apple weiterzuschreiben und vor allem das Dreamteam von Jobs an der Führungsspitze zusammenzuhalten. Als dann auch noch der Verkaufsstart des iPhone 5 mit den neuen hauseigenen iOS-Karten statt Google-Maps zu einer Blamage wurde, musste der Apple-Chef viel Schimpf und Schande über sich ergehen lassen.
Gewohnt souverän reagierte das Unternehmen mit einer Entschuldigung für die desaströsen Karten, die teilweise die Städte gar nicht anzeigte und Routen quer durch das Meer vorschlug. Man gelobte Besserung und rüstete schnellst möglich nach. Nur wenige Tage nach dem Fehlstart prognostizierten Branchenexperten, dass Apple mit den iOS-Karten wieder ein Trendsetter der Zukunft ist. Für Tim Cook war die Sache damit jedoch nicht ausgestanden. Nun setzt er den iOS-Chef Scott Forstall vor die Tür. Forstall scheidet im kommenden Jahr aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wird er als Berater des Apple-Chefs fungieren.
Für Forstall ist dies ein besonders dramatischer Trend, wurde er doch früher als potenzieller Jobs-Nachfolger gehandelt. Ganz unschuldig scheint er an seiner Situation jedoch nicht zu sein. Laut Unternehmenskennern habe er mit seinem aggressiven Auftreten andere Manager verschreckt und nach Jobs' Tod im vergangenen Jahr nur noch wenige Verbündete an der Firmenspitze gehabt.
Stress an der Apple-Spitze
Reibereien soll es unter anderem zwischen Forstall und Chef-Designer Jonathan Ive gegeben haben, der ebenfalls Interesse an dem Chefposten gehabt haben soll. Der enge Vertraute von Firmengründer Jobs ist künftig nicht nur für die Gestaltung der Geräte, sondern auch für die der Software zuständig. Der Leiter der Sparte Online-Dienste und iTunes, Eddy Cue, übernimmt zusätzlich den Kartendienst und Siri, den "virtuellen Assistenten" auf iPhones und iPads. Forstalls bisherigen Aufgaben übernimmt Craig Federighi, der schon für Mac OS verantwortlich ist und nun auch die Entwicklung von iOS voranbringen soll.
Mit dieser Rochade in der Führungsspitze drückt Cook dem Unternehmen seinen Stempel auf. Nie wurde das Apple-Team so radikal umgebaut. Neben Scott Forstall muss auch John Browett seinen Hut nehmen. Der Vertriebschef war erst im April von der britischen Elektronikkette Dixons Retail zu Apple gewechselt, wo die Apple Stores in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Browett verringerte die Personalausstattung in den Apple-Geschäften, was das Unternehmen später rückgängig machte und als Fehler bezeichnete. Wer seinen Job übernehmen wird, ist bisher unklar.
Schwarze Zahlen dank Tim Cook
Diese Schritte waren wichtig für den neuen Apple-Chef. Über ein Jahr nach dem Tod von Steve Jobs war es an der Zeit zu zeigen, dass er nicht nur der blasse Nachfolger einer Ikone ist. Auch er ist eine über Jahre gewachsene Größe des Unternehmens. Bereits unter der Führung von Steve Jobs galt er als einer der wichtigsten Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Er war es, der die kühnen Visionen in schwarze Zahlen verwandelte.
Sein Handwerk hat er von der Pike auf gelernt. Tim Cook studierte Wirtschaft an der Duke University und Maschinenbau an der Auburn University. Später war er viele Jahre als Manager bei IBM tätig, ehe Steve Jobs ihn 1998 abwarb und zu Apple holte. Damals kämpfte das Unternehmen ums Überleben, und Cook sollte es richten.
Schon damals krempelte er mit harter Hand das Unternehmen um. Er schloss die Apple-eigenen Produktionswerke und ließ die Geräte von externen Unternehmen anfertigen. Außerdem sorgte er dafür, dass die Lagerbestände sich drastisch reduzierten, so dass das Unternehmen schnell auf neue Geräte umstellen konnte, ohne noch alte Modelle an den Mann bringen zu müssen.
Der Workaholic
Tim Cooks Führungsstil gilt als schnell, hart und unmittelbar. Er sei ein Workaholic heißt es, der auch in der Nacht Arbeits-E-Mails verschickt. Mit den aktuellen Entscheidungen erinnert er wieder daran, dass er mehr ist, als nur der Steve-Jobs-Schatten. Er ist ein Chef, der durchgreift und ein Team um sich schart, das für ihn arbeitet und nicht nur für Steve Jobs.
Der Umbau der Apple-Führungsspitze wird ohne Zweifel Auswirkungen auch auf die kommenden Produkte des Unternehmens haben. Die Entwicklung des Betriebssystems iOS und der Mac-Software liegen nun in einer Hand, was darauf hindeutet, dass Apple-Computer und die mobilen Endgeräte des Unternehmens künftig noch kompatibler sein werden. Außerdem könnte sich optisch einiges ändern. Der britische Designer Jonathan Ive stieß schon Anfang der 90er Jahre zu Apple. Doch erst als Jobs 1997 wieder die Führung übernahm, blühte Ive voll auf. Seine Abteilung bekam größere Räume in einem Hochsicherheitstrakt des Hauptquartiers und die Lizenz zum Experimentieren. Aus Ives Labor stammen Innovationen wie die aktuellen Notebooks aus einem Stück Aluminium sowie das schlichte Design von iPhone, iPad und Mac. Bezüglich Design-Fragen war er oft anderer Meinung als Forstall, der voll auf der geschmacklichen Linie Steve Jobs war.
Interessant wird auch die weitere Entwicklung des zunächst gefloppten iOS-Kartendienstes. Manager Eddy Cue, der Chef der iTunes-Plattform, musste bereits den schlecht gestarteten Speicherdienst MobileMe retten - und machte die funktionierende iCloud daraus. Nun soll er die misslungenen Apple-Karten fit machen und den oft kritisierten persönlichen Assistenten Siri verbessern. Schon 2011 bekam Cue die Führung des gesamten Bereichs Internet-Software und Dienste übertragen. Damit ist er Chef über den iTunes Store, den App Store und den Büchershop iBooks. Mit dem Online-Speicher iCloud zeichnet er für einen Schlüssel-Bereich für die Zukunft vonApple verantwortlich.
Mit der neuen Führungsriege will Tim Cook gewappnet sein für die wachsende Konkurrenz bei den Tablet- und Smartphone-Anbietern. Denn die setzt Apple heute deutlich mehr zu, als noch zu Jobs Zeiten. Das Unternehmen muss mit einer starken Mannschaft antreten, um der oft deutlich günstigeren Konkurrent entgegenzutreten. Niemand weiß das besser als Tim Cook. Und genau deshalb greift er durch.
Mit Material von Reuters und dpa