Apple Music Was Apples neuer Streamingdienst kann

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Zeit für ein persönliches Fazit

Installieren, anmelden, rumspielen, anhören: Nach den ersten Stunden mit Apple Music ist es Zeit für ein erstes Fazit. Möchten wir nach dem ersten Schnelltest für Apples Streaming-Dienst weiter nutzen – oder sogar Geld dafür bezahlen?

Stephan Happel, Android- und Apple-Nutzer

 „Ach, Apple-Genies. Hübsch könnt ihr, intuitiv könnt ihr auch. Apple Music ist ein guter Dienst. Das PR-Tam-Tam beherrscht ihr ohnehin. Aber mich bekommt ihr trotzdem nicht.

Dass Apple Music nicht auf meinem Android-Smartphone läuft, war klar - und folgt eurer Logik, stets das eigene Betriebssystem zu stärken, statt auf die Masse zu setzen. Unverständlich hingegen, dass Apple Music nicht von Beginn an mit Geräten von Drittanbietern zusammenarbeitet. Mein Soundsystem von Sonos etwa bleibt stumm.

Die Köpfe hinter Apple

Android-App und Sonos-Kompatibilität sollen kommen. Bald. Irgendwann. Bis dahin ist Apple Music für mich nicht alltagstauglich.

Selbst für Apple-Jünger, die ausschließlich Apfel-Geräte besitzen, müsste der Dienst eine kleine Enttäuschung sein. Wer sich einmal an die schöne Oberfläche gewöhnt hat, sieht, dass nur Stinknormales dahinter steckt: 30 Millionen Songs bekomme ich bei den anderen auch. Und das Radio-Angebot nicht echten US-Moderatoren ist bislang eine nette Dreingabe. Aber für mich kein Kaufgrund.

Apple-Genies, ihr seid mit Music in eine Falle getappt, in der die ganze Branche steckt: Im Kern seid ihr alle beliebig austauschbar. Euer Name, eure Erfolge der Vergangenheit und euer Talent, Dienste auf den eigenen Systemen zu feiern, werden euch die Nutzer in Scharen bringen. Daran, dass Apple Music besonders innovativ ist, liegt das sicher nicht.

Spotify hat zuletzt ein ganzes Bündel an Neuerungen vorgestellt. Darunter: Videoclips und Musik, die sich beim Joggen an Tempo anpasst. Ob die Dienste tatsächlich auf Dauer von vielen Musikhörern genutzt werden, ist fast egal. Durch den PR-Coup der alten Schweden, liebe Apple-Genies, wirkt euer Musikdienst schon zu seinem Start wie ein Angebot aus dem Jahr 2014.“

Sebastian Schaal, Apple-Nutzer

„Apple Music sieht schick aus und funktioniert beim ersten Test bis auf kleine Schwierigkeiten mit der Cloud einwandfrei. Mehr aber auch nicht. Und das genau ist der Punkt, der mich im Moment davon abhält, meinen Spotify-Account aufzugeben. Vielleicht lerne ich mit der Zeit neue Funktionen beim Apple-Dienst kennen, aktuell sind mir die Unterschiede aber zu gering.

Meinen Spotify-Account habe ich mir mit der Zeit genau nach meinen Bedürfnissen eingerichtet, aufwändig Playlists zusammengestellt oder aber auch Kanäle von Freunden oder Künstlern abonniert. Und das fehlt mir am Tag 1 von Apple Music noch: mein Netzwerk. Wenn sich das eines Tages ändert, kann es gut sein, dass ich meine Entscheidung nochmal überdenke.

Ich habe seit Jahren verschiedene iPhones, iPods, iPads und MacBooks besessen. Mich haben die Produkte überzeugt – Punkt. Den Hype, der um Apple gemacht wurde und wird, kann ich nicht nachvollziehen. Eines steht fest: Etwas Visionäres, wie es von Apple in der Regel erwartet wird, hat der Streaming-Dienst nicht.

Die Unterschiede zur Konkurrenz sind für mich marginal, einige der Neuheiten sind für mich verzichtbar. Für die groß angepriesene Direktverbindung von den Fans zu ihren Stars zum Beispiel brauche ich persönlich nicht Apple Music – ihre Facebook- und Twitter-Accounts werden die Stars wohl nicht von heute auf morgen stilllegen.“

Tim Rahmann, Streaming-Neuling

„Streaming? Habe ich bisher nicht gemacht. Ich bin kein Musik-Nerd, muss nicht die neusten Songs hören. Ich mag die Beatsteaks, Oasis und Nirvana. Von denen habe ich die Alben, zum Teil digital, zum Teil anachronistisch auf CD. Ausgewählte Songs habe ich gegen Gebühr bei iTunes runtergeladen. Dafür streamt meine Freundin; sie hat Spotify für sich entdeckt und spielt beim Kochen neuerdings verschiedene Playlists ab. Mein Eindruck: brauche ich nicht. Viele der Lieder in den Spotify-Listen kenne ich nicht, viele spiegeln nicht meine Erwartung an den Titel der entsprechenden Liste („Feierabend“, „Summerfeeling“) wider.

Aber ich mag Apple-Produkte und gebe dem neuen Streamingdienst eine Chance. Der erste Eindruck: nichts, was ich vermisst hätte. Ein Radiosender mit esoterischen Klängen, der sicher nicht besser als 1live ist sowie verschiedene Playlists, die ich nicht brauche. Dafür heißt „iTunes“ jetzt „Musik“ und meine Downloads sind auf den ersten Blick nicht auffindbar.

Ich spiele wahllos im Menü rum; es ist einfach und intuitiv. Ich klicke auf „Für dich“ – und werde positiv überrascht. Ich wähle Lieblingsgenres an, Künstler die ich besonders mag – und finde auf einer Übersichtsseite viele Angebote, die tatsächlich meinen Geschmack treffen. Das neuste Album der „Kings of Leon“ wird mir angezeigt, ich tippe zwei Mal aufs Display und „Sex on fire“ ertönt. Die Ladezeiten sind okay, der Sound gut. Die Broilers und die Sportfreunde werden mir als weitere Alben angeboten: nicht sonderlich innovativ, aber meinen Geschmack trifft es.

Dennoch vermisse ich meine eigene iTunes-Playlist. Ich wische durch die Menüs: Ich kann Playlists erstellen oder Radio hören. Meine Songs bleiben für mich verschwunden, auch unter dem Menüpunkt „Meine Musik“ werde ich nicht wirklich fündig. Also suche ich nach einem der Künstler, von dem ich Songs heruntergeladen habe, finde ihn, wähle meinen Lieblingssong und höre ihn.

Fazit: Apple Music ist schnell, die Bedienung – bis auf die Suche nach den früher einmal gekauften Titeln – einfach. Ob ich es brauche? Früher habe ich vielleicht zwei Songs pro Monat kostenpflichtig heruntergeladen. Für das mehr an Komfort würde ich einen Tick mehr zahlen, vielleicht fünf Euro pro Monat. Aber keine zehn Euro. Es ist unwahrscheinlich, dass ich nach Ablauf des Testabos ein 10-Euro-Monatsabo abschließe.“

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