Apple News+, Apple TV+ und Apple Arcarde Apple wirft den Flatrate-Köder aus

Apple TV+, Apple News+: Tim Cook peppt Apples Service-Sparte auf Quelle: imago images

Apple-Chef Tim Cook peppt seine Service-Sparte mit zusätzlichen Angeboten auf und präsentiert neben Apple TV+ noch Apple Arcarde und Apple News+. Während der Streamingdienst sehr starker Konkurrenz begegnen muss, bringt Apple News+ Verleger in die Zwickmühle.

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Es demonstriert die Macht von Apple, wenn dessen Chef Tim Cook in seiner neuesten Keynote nicht nur eine, sondern gleich drei Branchen angreifen kann. Auch wenn viele Fragen offen bleiben, doch der Vorstoß hat es trotzdem in sich.

Zunächst für die Medienbranche: Deren Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern will Cook ein „all you can eat buffet“ namens Apple News+ als Geschäftsmodell aufdrücken, wobei die Auswahl und Präsentation der Speisen von Apple bestimmt wird.

Dann den Fernseh-und Filmstudios sowie Streaming-Anbietern wie Netflix und Amazon: Ihnen will Cook mittels Apple TV+ und mit Hilfe von Promi-Kreativen wie Steven Spielberg, Reese Witherspoon oder Jennifer Aniston zeigen, was wirklich gute Inhalte sind und wie Apple diese viel besser vermarkten kann. Auch wenn die Frage nach der monatlichen Abogebühr, die der Konzern für seinen Netflix-Verfolger Apple TV+ verlangen wird, bislang offen bleibt.

Schließlich die Anbieter von Videospielen: Deren Produkte will Apple in einem Service namens Apple Arcade ab Herbst zu einer Flatrate offerieren – ebenfalls zu einem noch ungenannten Preis.

Die Online-Anzeigenbranche muss sich warm anziehen, weil Apple verhindern will, dass sie weiterhin ungeniert das Surf- und Einkaufsverhalten von Internet-Nutzern aufzeichnet, um ihre „maßgeschneiderten Anzeigen“ teuer zu verkaufen.

Auch die Banken bekommen ihr Fett weg, durch eine Apple-Kreditkarte aus Metall, die statt Flugmeilen oder obskuren Punkten täglich bis zu drei Prozent der Kaufsumme in Form von „echtem Geld“ („daily cash“) ausschüttet. Laut Apple-Werbung ist es „eine neue Art von Kreditkarte. Erschaffen von Apple, nicht von einer Bank.“ Tatsächlich schafft es jedoch auch Apple nicht ohne die bösen Geldinstitute. Partner sind ausgerechnet die US-Investmentbank Goldman Sachs und Branchenriese Mastercard.

Die Druckwelle von Apple ist unterschiedlich stark zu spüren. Für die Banken und Streaming-Anbieter, wie Netflix oder Amazon, ist es eher ein leichtes Wackeln. Apple muss erstmal beweisen, dass es der bessere Kreditkartenanbieter sein kann. Oder zeigen, dass es Netflix wirklich mit selber produzierten Spielfilmen und TV-Serien Konkurrenz machen kann.

Die Giganten beim Ausspielen von Online-Werbung – also Google und Facebook – dürfte das Vibrieren gar gefallen, zumindest zunächst. Denn sie haben bereits genug Daten über ihre Nutzer. Solange diese sich das gefallen lassen und nicht dagegen revoltieren, macht es die Werbung auf ihren Plattformen sogar noch attraktiver und teurer.

Die wirklich Erschütterten sind die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger. Weltmarken wie Conde Nast, Wall Street Journal oder Los Angeles Times, die scheinbar freiwillig in Kauf nehmen, dass sich Apple als Mittelsmann zwischen ihre Produkte und Leser schaltet und ihnen sogar weitere Einnahmen abnimmt – von Einsichten über ihre Konsumenten ganz zu schweigen.

Rund 300 Magazine offeriert Apple für seine US-Kunden in seinem digitalen Kiosk. Darunter Time, New Yorker, National Geographic, Vanity Fair oder GQ, auch Zeitungen wie Los Angeles Times und Wall Street Journal, ebenso Online-Marken wie Vox. All das aufbereitet und kuratiert von Apple, zur Flatrate von 9,99 Dollar pro Monat. Ein verlockendes Angebot für Leser. Die Digitalausgabe des Wall Street Journals kostet allein doppelt so viel pro Monat. Der New Yorker verlangt für ein Jahresabo mindestens 80 Dollar. Derzeit ist der Flatrate-Kiosk Kunden in den USA und Kanada vorbehalten, später sollen weitere englischsprachige Märkte dazukommen. Wichtigster Wettbewerber ist der schwedische Digitalkiosk-Anbieter Readly, der ebenfalls 9,99 Dollar pro Monat verlangt und seit 2014 auch in Deutschland aktiv ist. Im Gegensatz zu Apple ist er auch für Android und Amazon Kindle verfügbar.

Apple ködert Verlage mit potenzieller Leserschaft

Apple selber hat errechnet, dass ein Abo all der offerierten Zeitungen und Zeitschriften mindestens 8000 Dollar pro Jahr kosten würde. Also eine Ersparnis von 7880 Dollar. Für Apple sind die Vorteile klar. Je mehr Inhalte der Konzern offeriert, umso mehr zücken seine Kunden ihre iPhones und iPads und lassen sich regelmäßig zum Upgrade der Geräte überreden.

Warum aber lassen sich Verleger darauf ein? Lässt der Wegfall von Druck und Vertriebskosten tatsächlich so viel Spielraum? Nein. Apple lockt mit einer saftigen Karotte, genauer mit seinen 1,4 Milliarden in Gebrauch befindlichen Geräten, darunter mindestens 900 Millionen iPhones weltweit. Das Kalkül ist, dass die schiere Menge an potentiellen Lesern die Einnahmeverluste mehr als aufwiegt. Selbst wenn man bis zur Hälfte dieser Einnahmen an Apple abführen muss.

Erfolgreiche Medien-Manager wie Mark Thompson sind skeptisch. Der CEO der New York Times Company hat die Einladung von Apple abgelehnt. Er will lieber die Geschicke seiner Marke selbst gestalten und so flexibel bleiben, auch beim Preis. Eine herbe Enttäuschung für Apple, war die New York Times doch das Lieblingsblatt ihres Gründers Steve Jobs. Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos hat keine Lust, sein „Privathobby Washington Post“ von Apple abhängig zu machen.

Noch sind viele Fragen offen. Beispielsweise ob Apple tatsächlich alle Inhalte seiner Medienpartner offeriert und man sich so beispielsweise das Abo des Wall Street Journal sparen kann. Cook zumindest erwähnte keine Beschränkungen. Kann der Ruhm von Apple andere Marken beflügeln oder schnürt er ihnen die Luft ab?

Eigentlich müsste man annehmen, dass die Branche durch Schaden klug geworden ist. Vor zwanzig Jahren versuchten US-Verleger eine gemeinsame Online-Plattform aufzuziehen und zu bestücken. Die Idee scheiterte am gegenseitigen Misstrauen. Man befürchtete, Leser an die Konkurrenz zu verlieren. Das bereitete den Boden für Google News.

Mittels Facebook wollte man die Scharte auswetzen. Das soziale Netzwerk versprach Verlegern eine bislang unerreichte Reichweite und luchste so nicht nur Inhalte ab, sondern über den Facebook-Login auch gleich noch die Daten der Konsumenten. Man ließ sich sogar ermuntern verstärkt Video-Inhalte für Facebook zu produzieren, stellte dafür Leute ein und vertraute dabei den Marktforschern des sozialen Netzwerks. Als sich das Interesse als kleiner als prognostiziert entpuppte, änderte Facebook seine Strategie und ließ seine vermeintlichen Partner auf den Kosten sitzen.

Auch der Aufstieg von Netflix sollte eine Warnung sein. Dessen Gründer Reed Hastings überredete einst Film- und TV-Studios, seinen Service doch als zusätzliche Abspiel-Station zu nutzen, um so mehr Kunden zu erreichen. Es schien alles harmlos. Daraus entstand allerdings eine der wertvollsten Medien-Marken der Welt, die nun Giganten wie Disney das Fürchten lehrt.

Netflix wird bei Apple TV+ übrigens nicht mitmachen. Hastings weiß eben nicht nur, wie wertvoll eine etablierte Marke ist, sondern auch, wie entscheidend es ist, über die Gewohnheiten und Vorlieben seiner Kunden im Bilde zu sein.

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