Apple, Spotify und Napster Diese fünf Punkte entscheiden über die Zukunft des Musikstreamings

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Aufbegehren der Musiker

„Personalisierung und bessere Empfehlungen für Nutzer liegen derzeit besonders im Fokus“, bestätigt Napster-Manager Schliesche die Überlegungen der Branche. Und schiebt ein weiteres Thema hinterher, dass den Streaminganbietern unter den Nägeln brennt: „Exklusivität bei den Inhalten“.

4. Wer mit wem?

Im Videostreaming-Segment sorgen Netflix und Amazon gerade mit hochwertigen Eigenproduktionen für Aufsehen, im Kampf um die beliebteste TV-Produktion liefern sie sich einen Bieterwettstreit. Film- und Serienfans wägen sorgfältig ab, welcher Anbieter welchen Star im Angebot hat. Lange es so es so aus, als wäre eine ähnliche Entwicklung in der Musikbranche undenkbar. In jüngster Vergangenheit zeichnet sich jedoch ein Trend zu Exklusiv-Deals ab.

Treibende Kraft sind mitunter die Künstler selbst. Die stöhnen laut, dass von den Streamingebühren nur Kleckerbeträge bei ihnen ankommen. Entnervt und öffentlichkeitswirksam erteilten schon Branchengrößen wie Taylor Swift den Streamingdiensten eine Absage. Jay Z, nicht nur selbst eine HipHop-Größe sondern auch ein einflussreicher Produzent, ging vor wenigen Wochen mit seinem eigenen Streamingdienst Tidal an die Öffentlichkeit und verkündete feierlich die „Wiedereinführung des Wertes der Musik“.  Bei ihm, so das Versprechen, wird bis zum Doppelten der üblichen Abspiellizenzen an die Künstler ausgezahlt.

Wer am Musikstreaming verdient

Dahinter steckt freilich Kalkül. Nicht nur, dass Jay Z geschickt die Werbetrommel rührt. Mit den Versprechungen und guten Branchenkontakten hat er Künstler wie Madonna, Kanye West, Rihanna und Beyoncé zu exklusiven Deals und frühere Veröffentlichungen auf Tidal bewegt. Schafft er bedeutende Künstler zu Sonderverträgen zu überreden, wäre dies das wichtigste Alleinstellungsmerkmal überhaupt. Auch Apple hat bereits angekündigt, Musiker exklusiv unter Vertrag nehmen zu wollen.

Unter den Wettbewerbern stößt die Strategie auf Skepsis: „Grundsätzlich sehen wir hier eine riskante Bewegung für den Endkonsumenten und die Musikindustrie“, sagt Napster-Manager Schliesche. „Streaming ist noch nicht im Massenmarkt angekommen und konkurriert weiterhin mit verschiedenen anderen Entertainment- und Musik-Angeboten. Da ist es schwer, einem Kunden zu vermitteln, dass bestimmte Künstler nur bei diesem und andere Künstler wiederum nur bei einem anderen Service sind.“ Man könne doch nicht vom Konsumenten erwarten, dass er zwei bis drei Services bezahlt, um alle Musiker zu hören.

Top Ten der Digitalverkäufe (Singles) 2014

Tatsächlich würden mehr Exklusiv-Deals wohl vor allem den kleineren Diensten aus der zweiten Reihe zusetzen, die ohne finanzstarken Partner auskommen müssen. Wer auf lange Sicht nicht mit großen Stars aufwarten kann, wird auf der Strecke bleiben.

Das Interesse der drei großen Musiklabels, Universal, Sony und Warner, ihre Publikumslieblinge Stars künftig nur noch bei ein oder zwei Streaminganbietern zu platzieren, dürfte aber begrenzt sein. Sie verdienen an der Vermarktung ihrer ganzen Kataloge an verschiedene Anbieter schließlich besonders gut.

Da die drei Majors rund 80 Prozent des globalen Umsatzes machen und noch immer die überwiegende Mehrzahl der Publikumslieblinge unter Vertrag haben, ist von einer Zersplitterung der Musikstreaming-Branche wie im Videosegment derzeit nicht auszugehen. 

5. Welche Technik hilft beim Durchbruch?

Ihre Einführung wurde als Revolution gefeiert, die die Art Musik zu hören grundlegend verändern würde. Plötzlich hatten Musikfreunde Zugriff auf Millionen Titel – dank Smartphones sogar nahezu überall.

Nach dem Vorwärtssprung, den ihr Markteintritt brachte, sind große Innovationen in der Streaming in den vergangenen Jahren rar geworden. Die Entwicklung geht langsam voran, beschränkt sich meist auf Verbesserungen an den Plattformen und darauf die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. In der Klangqualität haben einige Dienste CD-Qualität erreicht. Andere bleiben so knapp darunter, dass es dem normalen Hörer nicht auffällt. Viel Bewegung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

Das heißt jedoch nicht, dass der technische Fortschritt keinen maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft der Streamingbranche hat. Es sind jedoch vor allem externe Faktoren, die die Entwicklung vorantreiben. „Entscheidend für das Wachstum im Streamingbereich ist der Netzausbau und die Verfügbarkeit von schnellem Internet unterwegs“, sagt BMVI-Geschäftsführer Drücke.

Mit dem Ausbau des schnellen Mobilnetzes und neuen, großen Datentarifen auch für normale Smartphonenutzer, wächst das Interesse an den digitalen Musikbibliotheken in der Cloud. Kein Wunder, dass Streaminganbieter Mobilfunkkunden derzeit als eine Kernzielgruppe auserkoren haben, die sie mit Bundle-Angeboten erreichen wollen: Als Dreingabe zu bestimmten Verträgen gibt es Abos für die Musikdienste, entweder vergünstigt oder so, dass das Abspielen das Datenvolumen nicht auffrisst.

In der Branche gelten die Deals, die Spotify etwa mit der Telekom oder Napster mit O2 und E-Plus geschlossen hat, als fruchtbares und vor allem wirtschaftlich zukunftsfähiges Modell. Die Dienste profitieren von den neuen Hörern, die Telefonanbieter vom zusätzlichen Service und dem Inhalt, mit dem sie Vertragskunden locken können.

Kooperationen gehen die Streaminganbieter immer häufiger auch mit Anbietern von Zubehör ein. Weil drahtlose Soundsysteme von Sonos oder Teufel die Wohnzimmer erobern, versuchen die Musikdienste ihr Angebot bei möglichst vielen Anbietern unterzubringen. Auch Autohersteller haben sie längst als vielversprechende Partner auserkoren. Stolz verkünden Spotify, Deezer und Napster, das sie bald auch über die Infotainment-Systeme von BMW  oder Audi zu empfangen sind.

Markt für drahtlose Soundsysteme für zu Hause

Dem Drang, auf immer mehr Geräten abspielbar zu sein, kann sich kein Musikdienst verschließen. „Der Kunde möchte nicht vorgeschrieben bekommen, wie und wo er seine Musik nutzen kann“, sagt Napster-Manager Schliesche. Im Klartext: Wer bei den Verhandlungen mit wichtigen Soundsystemherstellern, Geräte-Produzenten, ja selbst Autobauern pennt, verliert wichtige Kundesegmente – und könnte daran auf Dauer zugrunde gehen.

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