Die einzige neue Produktkategorie, die unter seinem Nachfolger entstand, ist die Apple Watch. Cook, ein Fitness-Fanatiker trägt die Sportversion mit weißem Armband, die er auch unter der Dusche nicht ablegt. Doch bis heute – drei Jahre nach Premiere – hat er noch nicht einmal exakte Absatzzahlen, geschweige denn Umsätze genannt. “Es ist die am besten verkaufte Smartwatch der Welt”, betonte Cook am Donnerstag.
Es wäre auch ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit den 135 Milliarden Dollar, die Apple im Geschäftsjahr 2016 allein mit dem Verkauf von iPhones erzielte. Schwerer wiegt, dass auch die Keimzelle von Apple – die Macintosh Computer – an Reiz eingebüßt haben. Das MacBook Pro mit dem Touch-Display gilt als Flop.
Die mit dem Internet vernetzten Lautsprecher, die mittels Digitaler Agenten ins Wohnzimmer lauschen und auf Sprechbefehl Nachrichten vorlesen, das Wetter ansagen oder die Heimbeleuchtung steuern, hat Apple schlicht verpennt. Es war der Handelsgigant Amazon, der die neue Produktkategorie über seine Echo-Lautsprecher in den Markt einführte und so überraschend die Scharte auswetzte, im Gegensatz zu Apple und Google über kein eigenes Smartphone zu verfügen. Google zog rasch nach. Apple hingegen pflegte sein Credo, Dinge erstmal anzukündigen und später zu liefern. Seine Antwort – der HomePod – kommt erst im Dezember. Eine typische Apple-Taktik, um mit einer Vorankündigung den Absatz der Wettbewerber zu lähmen.
Auch die Zukunft des Projekts Titan, bei dem Apple angeblich seit vier Jahren am selbstfahrenden Auto der Zukunft bastelt, steht in den Sternen. Viele der geheuerten Experten sind aus Frust über die ungewisse Zukunft wieder abgewandert, arbeiten für Tesla und Uber oder sind schlicht zu Volkswagen, Daimler oder Ford zurückgekehrt.
"Apple war nie ein Pionier"
Vor allem ist noch immer unklar, was dem iPhone folgen wird. „Erweiterte Realität hat großes Potenzial“, schwärmt Cook und meint damit das Beamen von Informationen ins Blickfeld. “Sie wird für immer die Art und Weise verändern wie wir Technologienutzen.” Aber er gesteht auch ein, dass Erweiterte Realität noch nicht reif für den Massenmarkt ist. Genau das ist allerdings das größte Problem für Apple, ein Fehler in seinem Erbgut. Apple werde missverstanden, sagt Paul Saffo, der an der Stanford und der Singularity Universität Zukunftsforschung lehrt. „Apple war nie ein Pionier bei neuen Technologien, sie haben immer die Errungenschaften von anderen genutzt, dafür aber meisterlich die Massen begeistert“, sagt Saffo. Doch nun ist es schwieriger geworden, einfach geheimniskrämerisch zu warten und dann einen Trend für sich zu vereinnahmen.
Apples Gebaren wirft die Frage auf, ob der Konzern sich egoistisch verhält, indem er auf die Risikobereitschaft von anderen setzt. Google hat Milliarden von Dollar in das Entwickeln von selbstfahrenden Autos gesteckt, trieb über den deutschen Stanford Professor Sebastian Thrun den Trend beharrlich voran. Noch immer ist unklar, ob Google davon jemals profitieren wird. Aber seine Beharrlichkeit und Risikofreude hat nicht nur die Autobranche neu befeuert, sondern auch Investitionen in Künstliche Intelligenz angefacht. Ähnlich Facebook, dessen Schöpfer Mark Zuckerberg fest entschlossen, virtuelle und erweiterte Realität durchzusetzen und in die junge Branche fleißig investiert.
Gut möglich, dass Apple bei Erweiterter Realität diesmal mehr vorlegt. An den finanziellen Mitteln mangelt es jedenfalls nicht. Apple ist nicht nur der wertvollste, sondern zugleich der reichste Konzern der Erde. Nach Abzug der Schulden hat das Unternehmen mindestens 130 Milliarden Dollar auf der hohen Kante und kann sich so neue Märkte hinzukaufen. Was wahrscheinlich ist und wie das die Gefahr erhöht, dass Apple dann doch auf Kosten seiner Kunden seine Datenschätze stärker ausbeutet, lesen Sie in der aktuellen WirtschaftsWoche 46.