Wie gewohnt strotzte die Präsentation des iPhone 7 am Mittwochabend deutscher Zeit vor Superlativen. „Bestes iPhone, das wir jemals gebaut haben“, schwärmte Apple-Chef Tim Cook auf der Bühne des Billy Graham Civic Auditorium in San Francisco. „Beste Kamera“ und „ausdauerndster Akku“ sekundierte Marketing-Chef Phil Schiller.
Am 16. September werden die beiden neuen iPhone-Modelle 7 und 7 Plus ausgeliefert. Es wird heiße Debatten geben, wie gut oder schlecht das iPhone im Vergleich zur Konkurrenz von Samsung ist, ob die Batterie im Alltag wirklich mindestens eine Stunde mehr Strom liefert als das Vorgängermodell und was die zusätzliche Tele-Linse taugt.
Ob Apple mit dem Wegfall der Audiobuchse einen Trend oder eher ein Ärgernis setzt und warum der Konzern bis heute kein drahtloses Aufladen unterstützt und auch nicht bereits die neue Amoled-Displaygeneration eingeführt hat. Und wie es externe Kopfhörer-Anbieter wie Shure, Bose oder Bang & Olufsen sehen, wenn Apples eigene Kopfhörersparte Beats einen Wettbewerbsvorteil durch Vorab-Kenntnis über den Wegfall der Audiobuchse hat.
Das eigentlich Interessante ist aber, dass diese heißblütigen Debatten kaum eine Rolle spielen. Schon jetzt lässt sich vorhersagen, dass sich das iPhone 7 wesentlich besser als sein Vorgänger 6S verkaufen wird. Was sogar der Fall wäre, wenn die neue Generation sich rein objektiv kaum von den Vorgängermodellen unterscheiden würde.
Manipuliert Apple?
Denn Apple hat sich einen weiteren Superlativ redlich verdient: Den der psychologisch besten Markteinführung, die der Konzern jemals unternommen hat. Mit Methoden, die Apple-Fans als geschicktes Taktieren bezeichnen könnten, Kritiker hingegen als Manipulation.
Am 26. Juli hatte Apple-Finanzchef Luca Maestri einen Ausblick auf das Geschäftsergebnis des laufenden Quartals gegeben, das noch bis Ende September dauert. Maestri prognostizierte eine Umsatzspanne von zwischen 45,5 und 47,5 Milliarden Dollar. Und damit bis zu sechs Milliarden Dollar weniger als im Vorjahreszeitraum, als nur einen Tag vor Quartalsende der Verkauf des nur leicht modifizierten iPhone 6S begann. Mit anderen Worten: Er agierte so, als ob Apple am Reiz des iPhone 7, immerhin einer neuen Gerätegeneration, zweifeln würde.
Die Evolution des iPhones
Mit seinem leicht bedienbaren Touchscreen revolutionierte das iPhone die Handybranche. Dabei waren die technischen Daten der ersten Generation noch recht bescheiden: Der Prozessor leistete nur 667 Megahertz, der Arbeitsspeicher war nur 128 Megabyte groß. Den Datenfunk UMTS unterstützte die erste Generation nicht. Trotzdem wurde das Gerät ein riesiger Erfolg.
Das zweite Gerät der iPhone-Reihe, vorgestellt im Juni 2008, brachte einige wesentliche Änderungen. Zum einen überarbeitete Apple das Design gründlich. Zum anderen unterstützte das Gerät den Datenfunk UMTS sowie den Datenturbo HSDPA.
Ein Jahr später stellte Apple das iPhone 3GS vor. Am Design änderte sich nichts, allerdings stattete der Hersteller das Gerät mit einem besseren Prozessor und einem größeren Speicher aus. Das suggeriert auch der Name: Das S steht für „Speed“. Zudem war eine Kamera mit 3 Megapixel Auflösung an Bord.
Mit der vierten Generation, präsentiert im Juni 2010, wagte Apple wieder ein neues Design: Das Gehäuse war kantiger und aus Edelstahl. Zudem verbaute der Hersteller ein Display mit höherer Auflösung. Auch der Prozessor war leistungsfähiger als beim Vorgänger. Der Ansturm auf das Gerät war gewaltig.
Äußerlich unterschied sich das iPhone 4S kaum von seinem Vorgänger, das Design blieb weitgehend gleich. Schlagzeilen machte vor allem der persönliche sprachgesteuerte Assistent Siri, der zunächst nur auf dem 4S lief, später aber auch auf anderen iPhone-Modellen. Siri kann Fragen beantworten oder Kommandos ausführen. Die Kamera des iPhone 4S hatte eine Auflösung von 8 Megapixel.
Das sechste und aktuelle Gerät der Reihe heißt iPhone 5. Es ist etwas länger, aber gleichzeitig dünner als das Vorgängermodell – dadurch ergibt sich ein neues Seitenverhältnis von 16:9. Die 8-Megapixel-Kamera kann Aufnahmen in HD anfertigen. Ein neuer Prozessor soll für mehr Tempo sorgen. In die Kritik geriet Apple, weil vor allem an der schwarzen Variante schnell Abnutzungserscheinungen zu sehen waren. Mit dem iPhone 5 führte Apple auch iOS 6 ein, die neue Version des Betriebssystems, die den vielkritisierten Kartendienst Maps enthält.
Das iPhone 5C und das iPhone 5S waren die Modelle sieben und acht. Das 5C ist die etwas günstigere Variante: Weitgehend ausgestattet wie das iPhone 5, hat es aber ein Gehäuse aus buntem Plastik. Das 5S hat unter anderem einen doppelt so schnellen Chip, eine bessere Kamera und einen Fingerabdrucksensor zur Entsperrung des Gerätes.
Die sichtbarste Neuerung bei der jüngsten iPhone-Generation sind die Maße: iPhone 6 und iPhone 6 Plus sind mit 4,7 beziehungsweise 5,5 Zoll deutlich größer als die Vorgänger. Damit reagiert Apple auf den Boom der Phablets, also der übergroßen Smartphones. Die Geräte unterstützen den Bezahldienst Apple Pay, der über den Nahfunkstandard NFC Daten überträgt.
Mit dem iPhone 6S setzte Apple das Tick-Tock-Prinzip fort: In einem Jahr kommt das "große" Update mit einer neuen Zahl, im Folgejahr werden vor allem Details wie Rechnerleistung, Speicher oder die Kamera verbessert – am Design selbst ändert sich wenig.
Nachdem das iPhone 5C mit seinem billigen Kunststoff-Design als Einstiegsvariante wenig erfolgreich war, hat Apple im Frühjahr 2016 einen neuen Ansatz für das Low-Budget-Smartphone gewagt: Das iPhone SE kombiniert die Optik des iPhone 5S (mit dem kleineren Display) mit der besseren Technik des iPhone 6S. Da auf Details wie eine teure Front-Kamera, die modernste Variante des Fingerabdrucksensors oder das Force-Touch-Display verzichtet wurde, konnte es zum Budget-Preis angeboten werden.
Nun sind Prognosen immer schwierig. Apple weist wie von der Börsenaufsicht SEC vorgeschrieben bei jeder Präsentation darauf hin, dass sich die Dinge anders entwickeln können als dargestellt. Andererseits kann Maestri seine Vorhersagen nicht einfach aus der Luft greifen, sondern muss sich am realen Geschäftsverlauf orientieren. Seine konservative Kalkulation wirft allerdings Fragen auf.
Denn die neue iPhone-Generation wird bereits am 16. September ausgeliefert. Apple hat also im Gegensatz zum Vorjahr über eine Woche mehr Zeit, Umsatz mit den neuen iPhones im laufenden Quartal zu verbuchen. Zudem präsentiert der Konzern einen Nachfolger der Apple Watch, was ebenfalls für Zusatzeinnahmen sorgt.
Apple ist abhängiger denn je vom iPhone
Für Maestris Vorsicht gibt es eine gute Erklärung. Denn es gibt für einen Finanzchef fast nichts Schlimmeres, als eine Prognose zu unterbieten. Dafür aber den großen Anreiz, weit bessere Zahlen ausweisen zu können als ursprünglich in Aussicht gestellt. Positive Nachrichten verstärken sich gegenseitig. Wenn Apple im kommenden Oktober traumhaften Absatz seines iPhone 7 vermeldet plus erklecklichen Umsatzzuwachs, lässt das nicht nur bei Anlegern die Herzen höher schlagen, sondern erleichtert auch vielen Kunden die Kaufentscheidung. Denn was sich gut verkauft, muss gut sein – eine positive Verstärkung also.
Sollten Analysten oder gar die Börsenaufsicht SEC Fragen haben, kann sich Apple immer noch damit rausreden, Umsätze durch die neuen Leasing-Modelle, bei denen Kunden monatliche Raten berappen statt auf einen Schlag zu zahlen, stärker bei der Kalkulation berücksichtigt zu haben.
Hinzu kommen die Wehen von Samsung. Der Konkurrent steckt wegen explodierender Akkus seines Galaxy Note 7 gerade mitten in einer Rückrufaktion, was sich negativ auf den Absatz der gesamten Galaxy-Reihe, dem direkten iPhone-Konkurrenten, auswirken könnte. Das konnte Maestri allerdings tatsächlich nicht erahnen.
Man kann Apple auch nicht vorwerfen, den Verkauf seiner neuen iPhone-Generation in den besten Farben zu präsentieren. Nach fünf Jahren unter der Ägide von Cook ist das Unternehmen abhängiger denn je von seinem Bestseller.
Virtual Reality spielt bei Apple keine Rolle
Er steuert über die Hälfte des Umsatzes bei. Analysten wie Colin Gillis von BGC Financial fordern deshalb gar seine Ablösung. „Apple hat seine Spitze unter Cook überschritten“, meint er.
Denn die Suche nach dem „nächsten großen Ding“ ist noch immer am Gange – und sie verläuft nicht wie geplant. Das Projekt Titan, mit dem Apple mit einem eigenen Auto oder zumindest System für ein selbstfahrendes Gefährt punkten will, leidet unter Personalquerelen. Im Markt für virtuelle und erweiterte Realität mischt Apple bislang überhaupt nicht mit.
Hinzu kommt: In den anderen Bereichen des Konzerns stagnieren die Umsätze oder brechen sogar ein. Beim iPad gehen die Stückzahlen nach einem kurzen Ausreißer im Weihnachtsgeschäft zurück, obwohl Cook seit Längerem einen Boom bei den Geschäftskunden verspricht. Auch die Einführung des höherpreisigen iPads Pro, als Alternative zum Notebook angepriesen, hat das nicht ändern können. Apple TV sollte das Fernsehen revolutionieren – geschehen ist das bislang nicht. Auch die Absätze des Mac, der Keimzelle des Konzerns, laufen schlechter als geplant. Was auch daran liegt, dass der Mac für Hardcore-Gamer keine gute Wahl ist. Zumal er Virtual Reality wie von Oculus nicht unterstützt.
Die Börse hat die Wehen bereits eingepreist. Apple ist im Vergleich zu anderen Computerherstellern wie HP Inc so gering bewertet, als ob es künftig überhaupt nicht mehr wachsen würde. Doch Cook hat ja noch etwas Zeit fürs Präsentieren neuer Produkte, bevor das Weihnachtsgeschäft richtig durchstartet. Schlagzeilen über den guten Absatz des iPhone 7 können da nur förderlich sein.