AppStore-Urteil Ist Apple mit einem blauen Auge davongekommen?

Apple Logo. Quelle: AP

Kläger Epic Games hat sich vor einem Gericht in einem wichtigen Punkt durchgesetzt: Anbieter können künftig Apples 30-Prozent-Kommission aushebeln. Dieses Urteil kann die Digitalwirtschaft maßgeblich verändern.

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Schreck für Apple-Anleger, kurz vorm Start ins Wochenende: Die Aktie des wertvollsten Unternehmens der Welt drehte kurzzeitig um bis zu fünf Prozent ins Minus, um sich dann wieder leicht zu erholen.

Der Grund war die Entscheidung einer kalifornischen Richterin im Streit zwischen Apple und dem Spielentwickler Epic Games, dass der Megakonzern künftig App-Entwicklern erlauben muss, auch eigene Bezahlmethoden zu verwenden. Mit anderen Worten: Anbieter von Apps für iPhone und iPads können die bis zu 30 Prozent Abgabe an Apple künftig umgehen. Sie können ihre Angebote so besser vermarkten und vor allem den direkten Kontakt zu ihren Kunden wieder erlangen. Damit droht nun eine Lücke in der Hecke von Apples vielbeneideten „walled garden“.

Apple muss sie nun innerhalb von neunzig Tagen hineinschneiden, falls das Unternehmen - wie von Rechtsexperten erwartet - nicht in Berufung geht. Apple könnte die Entscheidung so um mehrere Jahre hinauszögern.

Es geht um viel Geld. Im vergangenen Jahr setzte der AppStore, so schätzen Analysten, rund 72 Milliarden Dollar um. Die Richterin geht sogar von rund 100 Milliarden Dollar aus. Das Geschäft dahinter ist jedoch noch wesentlich größer. Eine von Apple in Auftrag gegebene Studie schätzt, dass App-Stores weltweit im vergangenen Jahr für Umsätze von 643 Milliarden Dollar sorgte. Die Diskrepanz erklärt sich daraus, dass das Gros der Entwickler ihre Apps kostenlos offeriert und über andere Einnahmen wie beispielsweise Werbung gegenfinanziert.

Nicht nur Apple ist betroffen. Der Spieleentwickler Epic hat auch Google wegen seiner Abgaben in dessen Google Play Store verklagt. Das Urteil von Richterin Yvonne Gonzalez Rogers könnte diesen Prozess, der noch in diesem Jahr starten soll, beeinflussen.

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Aber ein Fiasko ist der Richterspruch nicht, weshalb sich die Apple-Aktie auch wieder leicht erholte. Denn Gonzalez Rogers urteilte außerdem, dass Apple kein Monopolist ist. Zwar kontrolliere Apple über 55 Prozent des Marktes für den Vertrieb von Apps und den damit verbundenen fetten Margen, doch „Erfolg ist nicht illegal“, so die Richterin.

Das ist für Apple mehr als nur ein Trostpflaster. Denn US-Politiker haben sich über Parteigrenzen hinweg vorgenommen, die Macht von „Big Tech“, zu denen vor allem Apple, Facebook, Google und Amazon gehören, durch neue Gesetze zu bändigen. Ein Kernargument war bislang, dass diese Monopole betreiben würden. Zumindest im Fall von Apple ist dem nun gerichtlich widersprochen, auch wenn es sich nur um die Meinung einer Richterin handelt.

Gonzalez Rogers stellte zudem fest, dass Epic seinen Vertrag mit Apple brach, als es einfach sein eigenes Bezahlsystem verwendete. Der Spielentwickler muss nun mindestens vier Millionen Dollar plus Zinsen nachzahlen.

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Epics Chef Tim Sweeney ist enttäuscht. „Das heutige Urteil ist weder ein Gewinn für Entwickler noch für Konsumenten“, schimpft er. Er interpretiert die Entscheidung so, dass die Kunden, die alternative Bezahlsysteme verwenden wollen, auf die Webseiten der Anbieter umgeleitet werden müssen und nicht direkt im App-Store bezahlen können. Das macht einen wichtigen Unterschied. Denn falls die Preisunterschiede nicht allzu groß sind, werden viele Kunden aus Bequemlichkeitsgründen weiter direkt über Apple bezahlen – Tastenklick genügt.

Bei Apple betont man, dass die Entscheidung zeige, „dass der AppStore keine Antitrust-Gesetze verletzt.“ Besonders erfreut ist man in Cupertino über das Zitat der Richterin, dass „Erfolg nicht illegal“ ist.

Trotzdem: Auch wenn es noch Jahre Zeit haben sollte, das Geschäftsmodell von Apple mit seinem AppStore ist angegriffen. Was für Apple schlecht ist, sieht der Konzern sein künftiges Wachstum doch vor allem in digitalen Diensten. Apple musste schon Konzessionen machen, indem es die Provision von Entwicklern mit Umsätzen von unter einer Million Dollar auf 15 Prozent senkte.

Auch außerhalb der USA mehrt sich der Widerstand. In Südkorea beschloss das Parlament, dass das mit dem App-Store-Absolutismus so nicht mehr weitergeht, bei Apple und bei Google. Die Plattformen müssen in Südkorea künftig auch andere Bezahlsysteme zulassen, nicht nur die eigenen.

Gerichtet ist das Gesetz klar und eindeutig gegen die Marktmacht der Giganten. Und die japanische Fair Trade Commission, die Wettbewerbsbehörde, konnte Apple-Chef Tim Cook zuletzt auch nur dadurch besänftigen, dass er beschloss, bestimmten App-Store-Anbietern zu erlauben, Links in ihren Apps zu setzen. Die sollen es Kunden ermöglichen, Abos außerhalb der Apple-Welt abzuschließen – und ohne, dass für die Anbieter die berüchtigten 30 Prozent Kommission fällig werden. Diese Regelung soll ab 2022 für Anbieter wie Spotify, Netflix und Amazon weltweit gelten. Aber den Umsatztreiber des App-Geschäfts – die Spielehersteller – hatte Apple von dieser Regelung ausgenommen. Tim Cook betrieb Kosmetik, aber schützte die Cash-Cow.

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Damit ist es jetzt vorbei. Denn so milde das Urteil für Apple erscheint: Es zielt direkt auf das Kerngeschäft Apples im App-Store: Die Spiele.

Mehr zum Thema: Ebenfalls ein Streitthema bei Apple: das Ladekabel. Seit Jahren sträubt sich der iPhone-Hersteller gegen ein einheitliches Ladekabel. Der Umwelt und der Innovation zuliebe, sagt Apple – vermutlich nur die halbe Wahrheit. Nun will die EU-Kommission dem Konflikt ein Ende setzen.

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