Lars Frerichs, Gründer und Chef von neun grad, konnte den Rat der Stadt Hude davon überzeugen, dass sich die monitorartige Front des Supermarkts durchaus mit dem Bullerbü-Charme des Städtchen verträgt. Konventionelle Discounter-Architektur hätte in Hude wegen der Politik keine Chance mehr gehabt. Wenn sich die Handelsketten neuerdings daran erinnern, dass Supermärkte und Discounter mehr bieten können als die handelsüblichen Hallen aus Fertigbauteilen, dann liegt das nicht zuletzt am wachsenden Selbstbewusstsein der Städte. Die Behörden lassen es nicht mehr ohne Weiteres zu, dass das kompakte Ortsbild durch gesichtslose Container-Architektur und ausufernde Parkplätze zerstört wird. Sie verbieten den Bau von Discountern. Oder sie drängen, wie der Duisburger Architekt Christian Kohl sagt, auf eine „städtebauliche Integration der Handelsimmobilien, gern auch mit ein, zwei alternativ genutzten Geschossen über dem Markt“.
Der Markt als Marke
Die Handelsketten spielen in aller Regel mit, weil der Standort in den attraktiven, zentrumsnahen Lagen der Schlüssel zu ihrem Erfolg ist. Und weil sich herumgesprochen hat, dass gute Architektur ein Wettbewerbsvorteil ist im Kampf um die Kunden. Je austauschbarer das Warenangebot in Qualität und Preis, desto stärker die Bereitschaft der Handelskonzerne, sich durch Architektur zu unterscheiden. In Zeiten der Standardisierung wird, wie der Stadtforscher Wolfgang Christ sagt, „der Standort einmalig gemacht: Der Markt wird als Marke inszeniert.“
Die österreichische Supermarktkette M-Preis hat schon in den Neunzigerjahren vorgemacht, wie Architektur auf diese Art Zeichen setzen kann: Jeder M-Preis-Markt ist anders, ein architektonisches Unikat. Seit dem Jahr 2000 hat der österreichische Handelskonzern Spar nachgezogen: Bauwettbewerbe wurden ausgeschrieben, die Budgets leicht erhöht und die Umsatzzahlen untersucht. Die Kunden, so die Bilanz, honorieren Investitionen in den architektonischen Mehrwert, die in der Regel zwischen 5 und 15 Prozent über dem Standard liegen.
Energieerzeugender Supermarkt
Das gilt auch für Graz, wo Ende 2011 ein spektakulärer Spar-Supermarkt eröffnet wurde, der erste in Österreich, der mehr Energie erzeugt, als er selbst verbraucht. „Wir haben uns architektonisch sehr weit aus dem Fenster lehnen dürfen“, sagt der Architekt Bernhard Schönherr, Partner des Grazer Büros LOVE architecture. Die rasante Form habe sich aus dem trapezförmigen Zuschnitt des Grundstücks ergeben: Durch das am Eingang angehobene und nach hinten abfallende Dach entstehe eine starke, dreidimensionale Sogwirkung in den Markt, „wie bei einer Trompete: Es zieht einen richtig in den Markt hinein, wenn man davor steht.“ Die Hülle aus verzinktem Stahlblech mit ihren umlaufenden Knickkanten und Falten steigert noch die Dynamik und erzeugt, je nach Perspektive, metallisch changierende Hell-Dunkel-Effekte, während das Innere des Supermarkts in warmen Holztönen gehalten ist.