Ashley-Madison-Hack Unternehmen setzen zu wenig auf Datenschutz und -sicherheit

Hacker haben Datensätze, die sie bei einem Seitensprungportal erbeuteten, veröffentlicht. Mittlerweile sind auch interne Dokumente des Portals im Netz. Der Ashley-Madison-Hack ist pikant - doch nur einer von vielen.

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Die Startseite des Seitensprungportals Ashley Madison. Quelle: REUTERS

„Das Leben ist kurz, gönn‘ dir eine Affäre“ – mit diesem Slogan und einer hochattraktiven Frau, die mit einem Finger vor den Lippen Diskretion verspricht, wirbt das Seitensprungportal Ashley Madison.

37 Millionen Nutzer hat die Website, die von dem kanadischen Unternehmen Avid Life Media betrieben wird. 37 Millionen Nutzer, die für Diskretion zahlen. Die meisten sind Amerikaner und Kanadier, aber auch 1,2 Millionen Briten haben hier das außereheliche Vergnügen gesucht. Nach Informationen des Guardians sind allein 100 Nutzer mit Mail-Accounts des britischen Verteidigungsministeriums registriert.

Das Zehn-Punkte-Programm der Telekom zur Cyber-Sicherheit

All das geht aus Daten hervor, die Ashley Madison gesammelt hat und die eine Hacker-Gruppe, die sich Impact Team nennt, im Juli erbeutet hat.

Damals drohten die Hacker, den Datensatz zu veröffentlichen, sollte Avid Life Media nicht Ashley Madison vom Netz zu nehmen – genau so wie ein ebenfalls von ihnen betriebenes, ähnlich geartetes Portal, Established Men. Die Kanadier kamen der Forderung nicht nach.

Die Konsequenz: Die Hacker veröffentlichten am Dienstag einen Datensatz mit einer Größe von rund zehn Gigabyte, der Passwörter, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Chatlogs, sexuelle Vorlieben, Kreditkartentransaktionen und Adressen von rund 32 Millionen Nutzern enthält. Heute haben die Hacker weiteres Material online gestellt, wie Motherboard berichtet: Ein 20 Gigabyte großes Archiv, das neben internen Dokumenten den Quellcode des Portals enthält.

Eine Frage der Zeit, bis die Daten publik werden

Noch sind die Datensätze nur im sogenannten Tor-Netzwerk auffindbar – einem Teil des Internets, der nur mit spezieller Software zugänglich ist. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Daten, fein-säuberlich aufgereiht, ihren Weg ins offene Internet finden.

Was bald für mehrere Millionen Ehemänner und -frauen zu einem ganz konkreten Problem werden und für Scheidungsanwälte einige lukrative Jobs bringen dürfte, demonstriert auch ein gesamtgesellschaftliches Problem: Unser Leben verlagert sich zunehmend ins Netz – die dabei anfallenden, oft sensiblen Datenmassen werden aber nur unzureichend geschützt.

Die größten Hacker-Angriffe aller Zeiten
Telekom-Router gehackt Quelle: REUTERS
Yahoos Hackerangriff Quelle: dpa
Ashley Madison Quelle: AP
Ebay Quelle: AP
Mega-Hackerangriff auf JPMorganDie US-Großbank JPMorgan meldete im Oktober 2014, sie sei Opfer eines massiven Hackerangriffs geworden. Rund 76 Millionen Haushalte und sieben Millionen Unternehmen seien betroffen, teilte das Geldhaus mit. Demnach wurden Kundendaten wie Namen, Adressen, Telefonnummern und Email-Adressen von den Servern des Kreditinstituts entwendet. Doch gebe es keine Hinweise auf einen Diebstahl von Kontonummern, Geburtsdaten, Passwörtern oder Sozialversicherungsnummern. Zudem liege im Zusammenhang mit dem Leck kein ungewöhnlicher Kundenbetrug vor. In Zusammenarbeit mit der Polizei gehe die Bank dem Fall nach. Ins Visier wurden laut dem Finanzinstitut nur Nutzer der Webseiten Chase.com und JPMorganOnline sowie der Anwendungen ChaseMobile und JPMorgan Mobile genommen. Entdeckt wurde die Cyberattacke Mitte August, sagte die Sprecherin von JPMorgan, Patricia Wexler. Dabei stellte sich heraus, dass die Sicherheitslücken schon seit Juni bestünden. Inzwischen seien die Zugriffswege jedoch identifiziert und geschlossen worden. Gefährdete Konten seien zudem deaktiviert und die Passwörter aller IT-Techniker geändert worden, versicherte Wexler. Ob JPMorgan weiß, wer hinter dem Hackerangriff steckt, wollte sie nicht sagen. Quelle: REUTERS
Angriff auf Apple und Facebook Quelle: dapd
 Twitter Quelle: dpa

Die Attacke auf das Seitensprungportal ist nur einer von vielen publik-gewordenen Hackangriffen in jüngster Zeit: Da wären beispielsweise die Angriffe auf den japanischen Elektronikkonzern Sony und den deutschen Bundestag.

„Jede Woche werden Firmen Opfer von Hackangriffen, bei denen Kundendaten erbeutet werden“, sagt Stefan Köpsell, der am Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit an der TU Dresden tätig ist.

Dabei haben es die Hacker zumeist nicht besonders schwer: „Die meisten Webunternehmen haben kein tiefgreifendes Datenschutz und -sicherheitskonzept“, so Köpsell. „Es werden immer wieder dieselben Fehler gemacht – sensible Daten und Daten, die unmittelbar für die Funktionsweise des Webportals gebraucht werden, werden nicht getrennt voneinander und nicht verschlüsselt gespeichert.“

Die aktuellen Datenschutzstandards

Bei Ashley Madison handelt es sich um ein kanadisches Unternehmen, damit fällt es nicht unter die deutsche Datenschutz- und IT-Sicherheitsgesetzgebung, die unter anderem Anbieter verpflichten sensible Daten (etwa mit Bezug zur Gesundheit oder sexuellen Orientierung) zu verschlüsseln und in Bezug auf Sicherheitsstandards immer den Stand der Technik einzuhalten.

„Das Recht der USA ist nicht so harmonisiert wie das deutsche und bald das europäische“, sagt Rolf Schwartmann, Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit und Professor für Medienrecht an der FH Köln. „Aber auch dort gelten auf vertraglicher Basis jedenfalls vergleichbare Verpflichtungen.“

Die dümmsten Passwörter der Welt
"Dadada"Nein, die Rede ist hier nicht von dem Neue-Deutsche-Welle-Song von Trio, sondern dem Passwort des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg in Netzwerken wie Twitter, LinkedIn und Pinterest - zumindest wenn man den Hackern Glauben schenkt, die im Anfang Juni 2016 mehrere seiner Profile gehackt haben. Beim Foto-Dienst Pinterest gelang es den Hackern mithilfe des Passworts, das sie nach eigener Auskunft in den gestohlenen des Karriere-Netzwerks LinkedIn gefunden haben, den Profiltext für kurze Zeit durch den Text „gehackt vom OurMine Team“ zu ersetzen. Bei Twitter gab es eine verdächtige Aktivität auf Zuckerbergs Account mit dem Namen „@finkd“, in dem er seit Januar 2012 nichts mehr veröffentlicht hatte. Und bei Pinterest wurde das angebliche Passwort sogar öffentlich gemacht: "dadada". Damit wählte der Facebook-Entwickler scheinbar nicht nur ein ziemlich simples Passwort (übrigens nicht besser als "12345" oder "password"), sondern benutzte das Passwort gleich für mehrere Profile - ebenfalls absolute No-Gos, die aber immer wieder vorkommen, wie die folgenden Beispiele zeigen. Quelle: Screenshot
Simple Zahlen- oder BuchstabenfolgenSicherheitsforscher des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) haben 2015 fast 35 Millionen geraubte Identitätsdaten aufgespürt. Wie die Potsdamer Sicherheitsforscher anhand der gesammelten Daten analysierten, stehen bei den Internetnutzern in aller Welt immer noch Zahlenreihen oder Zeichenfolgen auf der Tastatur (z.B. qwerty auf der amerikanischen Tastatur) an der Spitze der Beliebtheitsskala bei Passwörtern. Gern werden auch Vornamen oder andere simple Begriffe verwendet, etwa das Wort "password". "Unangefochten weltweit auf Platz 1 liegt leider nach wie vor die Zahlenreihe 123456, obwohl automatische Cracker solche simplen Passwörter als erstes und blitzschnell ermitteln", sagte HPI-Direktor Christoph Meinel. Dass Passwörter dieser Art überhaupt nicht sicher sind, ändert nichts an ihrer Beliebtheit: Schon 2014 wurden mehr als 3,3 Millionen Passwörter geknackt, auf dem ersten Platz landet auch da schon "123456". Auch wenn die Länge variiert wird, hilft das nicht: Auf dem dritten und vierten Platz finden sich "12345" und "12345678". "123456789" landet auf Rang sechs, gefolgt von "1234" auf Platz sieben. Auf Rang elf liegt "1234567". Nachfolgend ein Überblick der meistgeknackten Passwörter 2014: Quelle: dpa
Passwort: "Password"Wer sich für ganz schlau hält und einfach "password" als Zugangscode verwendet sei hiermit gewarnt: Die vermeintlich simple und sichere Lösung liegt auf Rang zwei der meistgeknackten Passwörter. Quelle: dpa
FantasiewörterSie denken sich, kein Mensch weiß was "qwerty" ist? Falsch gedacht. Die Buchstabenfolge, die auf einer amerikanischen Tastatur nebeneinander liegt, landet auf Platz fünf. Auf deutschen Tastaturen wäre es übrigens "qwertz". Quelle: REUTERS
Das sportliche PasswortSport-Fans müssen sich etwas besseres einfallen lassen, als nur den Namen ihrer Lieblingssportart: Auf Platz acht der meistgeknackten Passwörter landet "baseball". Quelle: AP
Mystische GestaltenAuch Drachen-Fans gibt es einfach zu viele. Das Passwort "dragon" ist jedenfalls alles andere als originell. Es findet sich auf Rang neun. Quelle: REUTERS
Sport, die zweiteAnhänger des Football sind auch nicht besser dran als Baseball-Freunde: Das Passwort "football" findet sich auf Rang zehn der gehackten Zugangsdaten. Quelle: AP

In den USA und Kanada werden die Sicherheitsstandards vor allem über Selbstverpflichtungen gegenüber den Kunden gewährleistet. So können sie im Missbrauchsfall mit rechtlichen Schritten teils empfindliche Strafen gegen die Unternehmen erwirken . Den Kunden hilft das allerdings nur bedingt – der Datendiebstahl ist längst vollzogen und der Ruf mitunter zerstört.

Doch egal ob die gesetzliche Regulierung hierzulande oder die Selbstverpflichtung auf der anderen Seite des Atlantiks: Zu bringen scheinen die Maßnahmen wenig, wie die jüngsten Angriffe zeigen. Und das ist erst der Anfang.

„Die Zahl der Angriffe wird stark zunehmen“, sagt Köpsell. Mit erbeuteten Daten lässt sich gutes Geld verdienen – etwa indem Hacker das Unternehmen erpressen oder sie auf dem Schwarzmarkt verkaufen. „Zudem sind solche Angriffe relativ risikolos. Wer sich geschickt anstellt, kann ohne weiteres seine Spuren verwischen.“

Auf große Schwierigkeiten stoßen die Hacker dabei selten. „Nicht einmal besonders großes technisches Know-How ist heute noch notwendig“, sagt Köpsell. Auf den einschlägigen Seiten werden Tools angeboten, die Interessierte kaufen oder mieten können und die ausreichen, um solche Angriffe durchzuführen.

Mögliche Lösungsansätze

Laut Schwartmann erhöht sich die Attraktivität für Hackangriffe weiter dadurch, dass heutzutage fast jeder seine Kontodaten auf dem Smartphone mit sich herumträgt. „Die Zahl der Angriffsziele erhöht sich stetig.“

Die Frage ist, was zu tun bleibt. „Vom gesetzlichen Anforderungsprofil haben wir viel von dem, was wir brauchen“, sagt Schwartmann. Gibt der Bund etwa konkrete technische Richtlinien vor, wäre das lediglich eine Behinderung. „Technische Richtlinien in diesem Bereich sind viel zu kurzlebig“, so Köpsell.

Schwartmann sieht deswegen die Unternehmen in der Pflicht: „Sie müssen begreifen, dass die Diskretion und die Sicherheit der Daten ihr Geschäft sind.“ Deshalb plädiert er dafür, dass die Webunternehmer gewisse Selbstkontrollmechanismen entwickeln – wie sie etwa in der Automobilbranche längst Standard sind.

Köpsell glaubt, der Gesetzgeber sollte einen Pauschalwert festlegen, der jedem Nutzer, dessen Daten durch das Verschulden eines Unternehmens verloren gegangen sind, zusteht. Im Falle von Ashley Madison, denen 33 Millionen Datensätze gestohlen worden sind, würde das zu einem gigantischen finanziellen Schaden für das Unternehmen führen – selbst wenn nur 100 Dollar pro Datensatz anfielen.

Das finanzielle Risiko könnte zu einem Umdenken innerhalb der Branche führen. „Aktuell stoßen IT-Sicherheitsdienstleister in den Management-Etagen zu oft auf taube Ohren, weil Sicherheitslücken für die Unternehmen nur selten finanzielle Konsequenzen haben“, sagt Köpsell. Durch die Pauschale hätten die Firmen von sich aus ein Interesse daran, stetig in den Datenschutz zu investieren.

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