Auf Goldsuche – Teil 6 Republikaner für Clinton

Unsere Redakteurin lebt für zwei Monate in der Bay Area. Sechster Teil ihrer Kolumne: Wie Künstliche Intelligenz gegen Hass helfen soll und was US-Wahlkämpfer Tim Kaine im Silicon Valley gemacht hat.

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Der demokratische Politiker kandidiert als Vizepräsident – und darf im Silicon Valley auf die Unterstützung namhafter Republikaner hoffen. Quelle: AP

San Francisco In der vergangenen Woche war Hillary Clintons Running Mate und Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten Tim Kaine in der Bay Area auf Goldsuche – oder eher: auf Geldsuche für die Kampagne der Demokraten. Er besuchte mehrere Fundraising-Veranstaltungen. Kalifornien ist traditionell ein „blauer Staat“, also ein Staat, in dem die Wähler mehrheitlich für Demokraten stimmen.

Auftritte von Wahlkämpfern sind hier also nicht so spannend wie in Swing States wie Florida oder Colorado, wo die Wähler noch unentschlossen sind. Dennoch war der Besuch von Tim Kaine interessant. Denn die Gastgeberinnen eines Fundraising-Essens in Atherton im Silicon Valley waren Wagniskapitalgeberin Jillian Mason und HP-Chefin Meg Whitman – beide eigentlich glühende Anhängerinnen der Republikaner.

Doch bereits im Sommer hatte Whitman gesagt, dass sie den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nicht unterstützen könne. In einem Interview mit der „New York Times“ hatte sie ihn als „unehrlichen Demagogen“ bezeichnet und davor gewarnt, dass er das Land auf einen „gefährlichen Weg“ bringen könnte.

Ihre Einschätzung kommt nicht von ungefähr, Trump ist bekannt für seine polarisierenden Statements, er bezeichnete etwa US-Präsident Barack Obama als „Gründer“ der Terrororganisation IS und rief indirekt zu Gewalt gegen seine Rivalin Clinton auf.

Sein Sohn Donald Trump Junior postete in der vergangenen Woche auf Twitter ein Foto mit einer Schüssel Skittles (in den USA beliebte, bunte, kleine Kaubonbons). Der Text dazu: „Wenn ich eine Schüssel mit Skittles hätte und ich dir sagen würde, dass nur drei von ihnen dich töten würden. Würdest du eine Handvoll nehmen? Das ist unser Problem mit den syrischen Flüchtlingen.“ Politiker, Sportler, Menschenrechtsaktivisten und viele andere empörten sich daraufhin in den sozialen Netzwerken.


„Skittles sind Süßigkeiten. Flüchtlinge sind Menschen“

Eine Sprecherin von Skittles-Produzent Wrigley reagierte Medien gegenüber mit dem folgenden Statement: „Skittles sind Süßigkeiten. Flüchtlinge sind Menschen. Wir denken nicht, dass das eine angemessene Analogie ist.“ Daraufhin beschimpften einige Facebook-Nutzer auf der Skittle-Seite das Unternehmen und unterstützten die politische Aussage von Trumps Sohn. Andere wetterten wiederum gegen die Trump-Fans. In Zeiten der sozialen Medien ist es immer schwieriger geworden für Unternehmen, aber auch Nachrichtenseiten, die Kommentarbereiche ihrer Facebook-Profile oder Webseiten frei von Hasskommentaren und Schimpftiraden zu halten.

Der Silicon-Valley-Riese Facebook hat sich in den vergangenen Wochen bei dem Versuch, Hass- und Hetzkommentare zu entfernen, bereits grobe Fehltritte geleistet. Viele Zeitungen haben eigene Stellen geschaffen, die sich nur um das Löschen von aufhetzenden oder beleidigenden Kommentaren kümmern. In der Start-up-Welt versuchen Unternehmen daraus ein Geschäft zu machen.

So traf ich jüngst auf einer Tech-Messe in San Francisco Ciler Ay Tek, Co-Gründerin des türkischen Start-ups Smart Moderation. Das Unternehmen verspricht mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Facebook- und Instagram-Seiten, aber auch die Kommentar-Bereiche von Nachrichtenportalen hass- und spam-frei zu halten.

Der Algorithmus ist darauf angelegt, zu lernen, was der Betreiber der Seite nicht sehen will – das kann von immer wieder kehrender Werbung bis zu menschenverachtenden Kommentaren gehen. Wenn der Computer einen entsprechenden Eintrag erkennt, löscht er ihn innerhalb von Minuten. Spannend wird da sein, wo er am Ende die moralischen Grenzen zieht.

Zum Schluss eine kleine Anekdote, die viel über Medienkonsum in den USA aussagt, insbesondere in der technikaffinen Bay Area rund um San Francisco. Bei einem Besuch beim Frisör unterhalte ich mich mit einer Mitarbeiterin über das amerikanische Fernsehen. Sie sagt, dass sie kein Fernsehen mehr schaut, sondern nur noch Video-on-Demand im Internet. So weit, so normal – auch in Deutschland tun das viele, gerade jüngere Leute.

Wir unterhalten uns über alte Folgen der US-Serie „Friends“ und dass die Darsteller damals noch keine Smartphones und kein Internet hatten. Wir lachen. Daraufhin sagt sie, weiter schmunzelnd. „Ja, und die haben noch Zeitung gelesen.“ 2012 gab es noch 1427 Zeitungen in den USA, 2014 nur noch 1331.

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