Bald nur noch Konserve? US-Autorenstreik freut Netflix, Amazon – und Trump

Streaming-Dienste dürften zu den großen Gewinnern gehören, wenn sich die US-Autoren nicht bis Montagnacht mit den Fernsehsendern auf neue Verträge einigen. Und auch US-Präsident Donald Trump bekommt eine Verschnaufpause.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Satiresendungen sind dringend auf aktuelle Witze über politische Ereignisse angewiesen – wie über die ersten 100 Tage der Trump-Regentschaft mit Alec Baldwin. Quelle: dpa

Los Angeles/New York Showdown in Hollywood: Wenn sich die US-Drehbuchautoren bis Montagnacht nicht mit den Fernsehsendern auf neue Verträge einigen, droht ein Streik, der Experten zufolge die gesamte amerikanische TV- und Filmlandlandschaft verändern könnte. Ohne die Arbeit der etwa 9000 Mitglieder der Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) würde den Sendern nach und nach das Material ausgehen. Nutznießer dürften Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon sein, die ihren Nutzern große Online-Bibliotheken bieten können: Statt auf nagelneue Serien könnten sie dort auf Unmengen an Konserven zurückgreifen. Auch Präsident Donald Trump könnte sich freuen: Satire-Sendungen wie „The Late Show” von CBS und „Saturday Night Live” sind zwingend auf aktuelle Witze über politische Ereignisse angewiesen.

Die Motive der Protagonisten im Autorenstreit haben ihre Wurzeln im Umbruch des Fernsehens. Drehbuchautoren werden in den USA nach Folgen bezahlt, von denen es früher in der Regel etwa 22 pro Staffel gab. Inzwischen sind die Staffeln kürzer geworden – so hatte Season 6 von „Game of Thrones” nur zehn Episoden, andere Serien kommen sogar mit acht aus. Für den durchschnittlichen TV-Drehbuchautor sei der Verdienst im Zeitraum von 2015 bis 2016 gegenüber 2013 bis 2014 um fast ein Viertel gesunken, macht die WGA geltend. Es sei unlogisch, dass Autoren beim Fernsehen in einer Zeit der beispiellosen Nachfrage weniger verdienten. Parallel dazu würden immer weniger Kinofilme gedreht: 114 im Jahr 2013 nach 204 sieben Jahre zuvor.

Ein Streik wäre ein Remake, dessen Originalversion nichts Gutes für die traditionellen Sender ahnen lässt. Während eines 100-tägigen Streiks in den Jahren 2007 und 2008 brachen die Zuschauerzahlen der Agentur Nielsen zufolge um 21 Prozent ein, weil sich die Amerikaner Computerspielen und DVDs zuwandten. „Heute ist das Umfeld natürlich ganz anders”, erklärt der Analyst Kannan Venkateshwar von Barclays Capital. Während damals das Streaming-Angebot von Netflix gerade erst angelaufen war, bieten die Online-Videothek und Konkurrenten wie Amazon heute umfangreiche Internet-Archive von Serien und Filmen, die den Ausfall auffangen könnten. Ein längerer Streik könnte daher dieses Mal zu einer „nachhaltigen Veränderungen der Sehgewohnheiten führen”.

Medien-Anwalt Jonathan Handel, Autor eines Buches über den ersten Streik, sieht das genauso. Die Lage sei zusätzlich verschärft, weil bis vor eineinhalb Monaten niemand einen Arbeitskampf erwartet habe. Im Gegensatz zum ersten Streik hätten die Sender daher kaum Drehbücher gebunkert. Eine Arbeitsniederlegung würde unter diesen Umständen die Zuschauer geradezu „ins Digitale treiben”, sagt Handel. „Haben Sie 'Breaking Bad' verpasst?” fragt er rhetorisch. Dann sei vielleicht nun die Zeit gekommen, die Serie für sich zu entdecken. Das Verkaufsargument für die Streaming-Dienste sei unter diesen Umständen so klar und deutlich „wie ein Neonschild”.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%