Berliner Vorzeige-Start-up Soundcloud fällt aus allen Wolken

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Die App entwickelt sich nur langsam

In dieser Zeit entwickelte sich die App viel langsamer weiter als etwa Spotify, die mit ihren „Discover Weekly“ und anderen individualisierten Playlist-Formaten die Streaming-Branche prägen. Selbst eingefleischte Soundcloud-Fans räumen ein, dass ihre Plattform umständlicher und unübersichtlicher ist als die der Konkurrenz. Der Bezahldienst startete schließlich im Oktober 2016 – und wurde dann als schlecht designte Spotify-Kopie verlacht. Viele Nutzer scheint „Soundcloud Go“ bis heute nicht zu haben, Zahlen hat Soundcloud jedenfalls noch keine veröffentlicht.

Auch Investor Petersen zieht das Vorgehen teilweise in Zweifel: „Mit dem genialen Angebot – 100 Millionen Tracks, die niemand sonst bietet – hätte man vielleicht gar nicht den ganzen Katalog der Labels gebraucht, um zu konkurrieren.“ Ein unvollständiges Produkt schneller auf den Markt bringen, wäre ein Option gewesen. Die Vision, dass jeder gute Musiker auch ohne Vertrag mit einem Major Label auf Soundcloud sein Publikum finden würde, scheint jetzt ganz weit weg. Entwickler, die die Vorschlagsalgorithmen immer weiter verbessern, werden einen Krisenladen wie Soundcloud eher meiden. „Ihr hättet die Musikindustrie bei den Eiern packen können“, sagt Moderator Mike Butcher in dem Interview zu Ljung. Es kam genau andersherum.

Dass sich Ljung künftig mehr auf die Community und weniger auf Soundcloud Go konzentrieren will, spricht nicht für eine überlegene Strategie – immerhin hat er vorher die Firma jahrelang darauf fokussiert, während Spotify sein Produkt weiter verfeinerte und steinreiche Konzerne wie Apple, Google und Amazon in den Markt eintraten.

Trotzdem dürfte die Konzentration auf seine Künstlerklientel Soundclouds einzige Chance sein, etwa indem es einen Crowdfundingdienst für Künstler, vergleichbar mit dem erfolgreichen Patreon, in seine Plattform integriert. So könnte es neue Umsätze erschließen, die besser zu seiner Plattform passen.

Um so lange durchzuhalten, braucht Soundcloud aber viel Geld. Das versucht Ljung gerade einzuwerben, wie er auf dem Tech Open Air zugab. In den vergangenen Monaten gingen immer wieder Gerüchte um, ein Konkurrent könnte Soundcloud kaufen. Spotify, so hört man aus Unternehmenskreisen, winkte zum Preis von einer Milliarde Dollar ab. Spätere Angebote sollen sogar deutlich unterhalb der 700 Millionen Dollar gelegen haben, die Soundcloud bei seiner letzten Finanzierungsrunde im Juni 2016 noch wert war.

Ljung und Wahlforss bleiben nun wenige Monate, um Soundclouds Dasein als unabhängige Firma zu retten. Sonst droht ein Notverkauf. Petersen nennt die Kostenkürzungen einen „Befreiungsschlag.“ Die Soundcloud-Gründer hätten die Kosten gesenkt, „um im nächsten halben Jahr oder Jahr profitabel zu werden. Dann können sie unabhängig bleiben oder sind in einer besseren Position, um mit einem anderen zusammenzugehen.“

Das Problem: Die Konkurrenz kann warten, Soundcloud nicht. Das sieht auch Petersen. „Jetzt lassen Spotify und Universal Soundcloud bluten. Jeder weiß, was das für ein phänomenales Asset ist, aber sie wollen nicht den Preis dafür bezahlen.“

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