IT-Fachkräfte fehlen deutschen Unternehmen seit Jahren – doch so groß wie die Lücke aktuell ist, war sie noch nie. Sie suchen branchenweit aktuell 137.000 IT-Spezialisten. Selbst vor der Pandemie war die Zahl der offenen Jobs kleiner (124.000 unbesetzte Stellen). Das teilte der Branchenverband Bitkom am Mittwoch in seiner jährlichen Arbeitsmarkt-Studie mit. Nur 8 Prozent der befragten 854 Unternehmen geben demnach an, dass das Angebot an IT-Fachkräften ausreiche. Im Schnitt suchen Unternehmen sieben Monate nach einer IT-Fachkraft, 19 Prozent sogar zehn bis zwölf Monate.
Die Situation könnte durch einen weiteren Punkt verschärft werden: Im zweiten Jahr in Folge ist das Interesse an einem Informatikstudium in Deutschland gesunken. 2021 haben 6000 Personen weniger als im Jahr 2019 ein solches Studium begonnen. Dazu kommt, dass weniger als die Hälfte der Studierenden ein Informatikstudium abschließen.
Um Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, setzen Unternehmen zunehmend auf Headhunting (22 Prozent) und sogenanntes Active Sourcing (21 Prozent) – Personaler sprechen dabei Personen in sozialen Netzwerken direkt an.
IT-Spezialisten aus Russland und Belarus
Unternehmen sind zunehmend offen für IT-Experten aus dem Ausland. Gut ein Drittel würde offene Positionen mit Fachkräften aus Russland oder Belarus besetzen – vorausgesetzt, sie haben zuvor eine behördliche Sicherheitsprüfung durchlaufen. 16 Prozent der befragten Unternehmen äußerte hingegen Sicherheitsbedenken, ähnlich viele halten den administrativen Aufwand für zu groß. Laut Bitkom könnte eine große Lücke mit IT-Spezialisten aus diesen beiden Ländern besetzt werden, genauer gesagt 59.000 Stellen. Hingegen sollte es Berg zufolge nicht das Ziel sein, ukrainische IT-Experten abzuwerben. Das würde das Land sonst schwächen, was nicht gewollt werden könne.
Bitkom-Präsident Achim Berg sagte weiter, Deutschland sollte sicherheitsüberprüfte IT-Experten aus Russland und Belarus holen und „hier wirtschaftlich und gesellschaftlich dauerhaft integrieren“. Grundsätzlich sollte die Zuwanderung von Expertinnen und Experten weiter erleichtert werden. Dafür sollten Prozesse digitaler, schneller und unbürokratischer abgewickelt werden. Auch sei der fortdauernde Nachweis von Deutschkenntnissen bei der Einreise überflüssig für IT-Fachkräfte, kritisierte Berg.
Auch die Arbeitsgesetze sind den Unternehmen laut Befragung ein Dorn im Auge. So sagen 82 Prozent, wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeiten würden ihnen helfen. Weitere Maßnahmen seien eine „steuerlich attraktivere Beteiligung“ am finanziellen Erfolg der Unternehmen und bessere rechtliche Rahmenbedingungen für Remote Work aus dem Ausland.
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