Böhmermann-Gedicht Auch ZDF-Verantwortliche kassieren Anzeigen

Die Staatsanwaltschaft in Mainz muss nach mehreren Anzeigen prüfen, ob die Attacke des Satirikers auf Erdogan das Strafrecht verletzt. Ein Strafverlangen aus der Türkei gibt es dazu bisher nicht.

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Sein Gedicht kündigte Böhmermann als „Schmähkritik“ an. Quelle: dpa

Mainz/Berlin Im Fall des umstrittenen Schmähgedichts von Jan Böhmermann prüft die Mainzer Staatsanwaltschaft nun auch gegen das ZDF gerichtete Anzeigen. Ein Strafverlangen der Türkei oder ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdogan liege jedoch nicht vor, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Donnerstag in Mainz mit. Allerdings teilte die türkische Botschaft in Berlin auf Anfrage mit, dass sie „diese Angelegenheit mit größter Aufmerksamkeit und mit all ihren Aspekten“ verfolge.

Die zuerst bei der Behörde eingetroffenen Anzeigen von Privatpersonen hatten sich den Angaben zufolge gegen Böhmermann selbst gerichtet. Um welche Verantwortliche des Senders es sich handelte, sagte die Staatsanwaltschaft nicht. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten.

Das Strafgesetzbuch bestimmt im Paragrafen 104a, dass dieser Straftatbestand nur verfolgt wird, wenn unter anderem „ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt“. Beides liege nicht vor, antwortete Oberstaatsanwältin Keller - „schon im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe (Eingang der ersten Strafanzeige Freitag 1.4.2016 nach Dienstschluss)“.

In dem Fall geht es um ein mit „Schmähkritik“ überschriebenes Gedicht, das Böhmermann in der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgelesen hatte und das in seiner Begrifflichkeit zum Teil deutlich unter der Gürtellinie liegt. Dabei hatte der Satiriker darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei.

Die Sendung mit dem Gedicht lief am vergangenen Donnerstag auf ZDFneo. Das ZDF hatte den Beitrag in der Wiederholung in der Nacht zum Samstag sowie Online gestrichen. Zur Beweissicherung hat die Staatsanwaltschaft einen Mitschnitt der Sendung angefordert.

Am Mittwochabend legte das Satiremagazin „extra 3“ nach. Moderator Christian Ehring präsentierte Erdogans persönlichen Berater, genannt „Erkan Alles“, der dem Präsidenten in jeder Lebenslage hilft. Außerdem prangte ein Bildnis Erdogans vom Moderationstisch, der von den Satiremachern zum „Mitarbeiter des Monats gekürt“ worden war. „extra 3“ hatte bereits Mitte März einen Satirebeitrag über den türkischen Präsidenten gezeigt, der Erdogans Unwillen hervorrief.

An diesem Donnerstag steht eine neue Ausgabe von Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ (22.30 Uhr, ab etwa 20.15 Uhr in der Mediathek) an - zu Gast ist ARD-Talkerin Anne Will.

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