Boom der Gaming-Branche „Amazon, Google oder Facebook wollen jetzt mitmischen“

Der Markt für Computerspiele boomt – in Corona-Zeiten mehr denn je. „Videospiele haben inzwischen große Bedeutung für unterschiedlichste Wirtschaftszweige“, sagt Felix Falk. Quelle: Florian Olivio/Unsplash

Milliardendeals wie zwischen Microsoft und Activision zeigen: In der Gaming-Industrie ist vieles in Bewegung. Das gilt auch hierzulande – obwohl Deutschland da reichlich spät dran ist, weiß Branchenvertreter Felix Falk.

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Fast 70 Milliarden US-Dollar ist Microsoft der Computerspielehersteller Activision Blizzard wert, der hinter Online-Rollenspielen wie „World of Warcraft“, Ego-Shootern wie „Call of Duty“ und Gelegenheitsspielen wie „Candy Crush“ steckt. Gut eine Milliarde US-Dollar zahlt ein durch den saudischen Staatsfonds finanzierter Konzern für das Kölner Unternehmen ESL, das kompetitive Gaming-Events veranstaltet. Milliardendeals wie diese stehen sinnbildlich für einen Boom, dessen Höhepunkt noch lange nicht erreicht sein dürfte: Weltweit wuchs der Umsatz im Games-Bereich 2020 auf fast 150 Milliarden US-Dollar an, das Marktpotenzial schätzen Experten bis 2025 noch mehr als ein Viertel größer ein. Und nicht nur Microsoft – auch andere Tech-Riesen kaufen längst kräftig in der Branche zu. „Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook wollen jetzt mitmischen“, sagt Felix Falk.

Sorgen vor einer Monopolbildung hat der Geschäftsführer des Verbands der deutschen Gaming-Branche dennoch nicht. Auch der Mittelstand wachse beständig weiter, sagt er. Die Aufbruchstimmung in der Branche sei hierzulande gerade groß. Zwar hätten andere Länder die wirtschaftlichen Potenziale von Videospielen schon deutlich früher erkannt als Deutschland. Dennoch: „Wir können und wollen als Games-Standort in den kommenden Jahren in die weltweite Spitzengruppe aufstoßen“, gibt er sich zuversichtlich.

WirtschaftsWoche: Herr Falk, Microsoft will den Videospielkonzern Activision Blizzard für knapp 70 Milliarden Dollar aufkaufen. Es wäre der größte Deal in der Geschichte der Games-Industrie. Was bedeutet das für Ihre Branche?
Felix Falk: Der Deal ist beachtenswert, hat mich aber auch nicht groß überrascht. Ähnliches – wenn auch nicht in dieser Größenordnung – haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren auch schon an anderer Stelle erlebt. Videospiele sind oft Frontrunner und haben längst eine große Bedeutung für unterschiedlichste Wirtschaftszweige und Technologien. Dementsprechend wird auch stark investiert.

Woran liegt es, dass inzwischen auch immer mehr ganz große Player in Ihrer Branche mitmischen wollen?
Die Umsätze mit Videospielen sind in den vergangenen Jahren extrem gewachsen – jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Computerspiele sind in der Pandemiezeit noch mal sichtbarer geworden, ihr wirtschaftliches Potenzial noch mal deutlicher. Hinzu kommt, dass Spieleentwickler in Innovationsbereichen tätig sind, die für die großen Tech-Konzerne immer wichtiger werden – auch fernab von Videospielen. Es geht da nicht nur um klassische 3D-Visualisierung oder Augmented Reality, sondern auch um spannende Zukunftsfelder wie das ‚Metaverse‘. Wer da als Facebook oder Microsoft vorn dabei sein will, braucht Ressourcen und Kompetenzen, die sich oft nur durch große Zukäufe erreichen lassen.

Gleichzeitig bringt diese Entwicklung auch neuen Wind in eine Debatte, die mit Blick auf die Tech-Riesen schon länger läuft: die Sorge vor einer Monopolbildung im Tech-Bereich. Haben Sie die nicht auch mit Blick auf die Gaming-Branche?
Nein, nicht wirklich. Zwar sind die großen Tech-Firmen immer stärker auch im Games-Bereich aktiv. Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook, die im Videospielbereich weniger aktiv waren, wollen jetzt mitmischen und kaufen dafür ordentlich zu. Aber zum einen gibt es weiterhin einen gesunden Wettbewerb zwischen den großen Games-Unternehmen und zum anderen wächst auch der Mittelstand in unserer Branche beständig weiter. Das sehen wir gerade in Deutschland, wo eine regelrechte Gründungswelle durchs Land geht und eine ganze Reihe neuer Studios für Videospielentwicklung entsteht. Die Aufbruchstimmung im Gaming-Bereich ist hierzulande gerade groß.

Felix Falk ist seit 2018 Geschäftsführer des Verbands der deutschen Gaming-Branche, „Game“. Quelle: Dirk Mathesius

Die deutsche Gaming-Branche wächst derzeit kräftig, wie Sie schon sagen. Zwischen 2019 und 2020 stieg der Umsatz um 32 Prozent. Dass Deutschland im Games-Bereich frühzeitig vorn dabei war, lässt sich aber nicht gerade behaupten, oder?
Ganz und gar nicht. Deutschland war wirklich für viele Jahre abgeschlagen. Andere Länder haben schon deutlich früher die kulturellen, wirtschaftlichen und technologischen Potenziale von Videospielen erkannt – in Nordamerika oder Asien, aber auch in Europa. Hierzulande war das politische, mediale und gesellschaftliche Klima für unsere Branche lange schwierig. Erst in den vergangenen Jahren haben wir das endlich abgestreift.

Was genau hat sich in den letzten Jahren geändert?
Viel zu lange ging es in der öffentlichen Diskussion vor allem um die Probleme, die vermeintlich mit Computerspielen verbunden sind. Es war viel Populismus im Spiel. Spätestens 2017 war das mit der Eröffnung der Videospielmesse Gamescom durch die Kanzlerin vorbei. Die letzte Bundesregierung hat entschieden, den Bereich Games in Deutschland aktiv zu fördern und die Rahmenbedingungen so anzupassen, dass wir endlich mit anderen Ländern konkurrieren können – etwa mit Frankreich oder England, wo es diese Voraussetzungen schon viel früher gab. Und wir sind optimistisch, dass die neue Regierung genau da jetzt anknüpft. Viele in unserer Branche sind euphorisch und merken: Da passiert jetzt richtig was. Darum können und wollen wir als Games-Standort in den kommenden Jahren in die weltweite Spitzengruppe aufstoßen.

Ist der Vorsprung anderer Länder denn wirklich noch aufzuholen? Immerhin haben diese das Potenzial der Gaming-Branche teilweise schon in den Nullerjahren erkannt – und auch dort wird weitergearbeitet werden.
Leicht wird es nicht, das stimmt. Die anderen Standorte warten schließlich nicht geduldig, bis wir sie eingeholt haben. Kanada zum Beispiel hat Computerspiele schon vor über zehn Jahren als Zukunftsbranche für sich entdeckt – und wird daran weiter festhalten. Aber: Wo in anderen Ländern das Wachstum bei den Gründungen schon schwächelt, da können wir in den nächsten Jahren aus voller Kraft wachsen. Mit Blick auf die Umsätze sind wir als Absatzmarkt schon auf Platz eins in Europa. Und wir haben hierzulande bereits Vorbilder wie die ESL in Köln, die weltweit zu den führenden Marken im Bereich E-Sports zählt, die Gamescom oder international erfolgreiche Games-Anbieter wie Innogames, Wooga oder Crytek.

Noch sind die deutschen Spieleentwickler allerdings eher in der Nische zu Hause. Die ganz großen Blockbuster-Produktionen fehlen hierzulande.
Die weltweiten Spieleblockbuster, über die alle reden, kommen aus anderen Ländern, das stimmt. Es fehlen dazu in Deutschland auch einfach noch die ganz großen Unternehmen. Im Moment sind wir noch eher klein- bis mittelständisch geprägt. Oft werden deutsche Games-Unternehmen von größeren Konzernen im Ausland aufgekauft. In Zukunft läuft das hoffentlich aber auch einmal andersherum. Bis es so weit ist, wird es aber noch dauern.

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Das Schlagwort schlechthin in der Tech-Branche lautet seit Monaten ‚Metaverse‘. Facebook hat sich sogar in Meta umbenannt, um zu zeigen, wie wichtig dieses Zukunftsfeld für sein Geschäft werden soll. Wird auch die deutsche Gaming-Branche künftig verstärkt Anwendungen für diese virtuelle Welt entwickeln?
Die Zeit zur Mediennutzung ist eine begrenzte Ressource. Die Frage für die Zukunft ist: In welchem Umfeld lasse ich mich unterhalten und trete in Kontakt mit meinen Freunden? Klar ist: Spieleentwickler verstehen es, virtuelle Welten zu erschaffen, in denen es Spaß macht, sich aufzuhalten. In diesem Zusammenhang ist das ‚Metaversum‘ ein spannendes Konzept, das aber noch lange nicht ausbuchstabiert ist. Wer ganze Generationen mit seinen Figuren, Geschichten und Spielen fesseln kann, hat jedenfalls beste Grundvoraussetzungen, um Nutzerinnen und Nutzer auch auf ganz neuen Plattformen zu halten – auch in einem möglichen ‚Metaverse‘.

Mehr zum Thema: Die Milliarden-Übernahme von Spieleentwickler Activison Blizzard durch Microsoft zeigt: Im Videospielmarkt ist viel los. Die Branche ist auch für Anleger interessant. Wir stellen die sechs wichtigsten Aktien vor.

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