Breitbandausbau Bitte schnell zurück zum Wettbewerb

Beim Tauziehen um die Vectoring-Pläne der Telekom stellt die Bundesnetzagentur die Weichen in die falsche Richtung. Es zeichnet sich eine technische Lösung ab, die einen Rückfall in alte Monopolstrukturen vermeidet. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Netzwerkkabel an einem Router Quelle: dpa

Mal ganz ehrlich. Warum fliegen in der Telekom-Branche seit knapp einem Jahr die Fetzen, sobald das Stichwort „Vectoring“ fällt? Wer durchschaut eigentlich noch all die Pro- und Contra-Argumente, mit denen die Lobbyisten der Telekom und der Konkurrenten derzeit in der Politik auf Stimmenfang gehen? 

Die Politiker haben jedenfalls noch ein Wochenende Zeit, sich durch all die Stellungsnahmen und Positionspapiere zu wühlen, die sich inzwischen auf ihren Schreibtischen türmen. Denn der Tag der Entscheidung naht.

Am kommenden Montag treffen sich 32 Vertreter von Bundestag und Bundesrat im Beirat der Bundesnetzagentur. Hinter den Kulissen zeichnet sich bereits ab: Präsident Jochen Homann und der Beschlusskammer-Vorsitzende Ernst-Ferdinand Wilmsmann werden sich auf die Seite der Deutschen Telekom schlagen – und würden dafür gern den Segen des Beirats bekommen. Den meisten Beirats-Mitgliedern ist dabei klar, dass ihre Entscheidung den Wettbewerb auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt an einer wichtigen Stelle aushebelt.

Der Ausbau von schnellen und leistungsfähigen Internetanschlüssen hat derzeit eine so „herausragende Bedeutung“, wie der Beirat in früheren Stellungnahmen betonte, dass dafür eine Einschränkung des Infrastrukturwettbewerbs in Kauf genommen wird.

Zeitweise sah es aus, als gäbe es einen ordnungspolitischen Zielkonflikt: Ein schnellerer Breitbandausbau schien unvereinbar mit dem Wunsch nach einem möglichst intensiven Infrastrukturwettbewerb.

Wir erinnern uns: Die Deutsche Telekom entfachte den Streit mit den Konkurrenten, als sie eine Änderung des bewährten Regulierungsregimes beantragte. Aus Sicht der Telekom ist das mehr als verständlich. Denn der technische Fortschritt erlaubt eine früher nicht für möglich gehaltene und vergleichsweise kostengünstige Beschleunigung der alten Kupferkabel im flächendeckend verfügbaren Telefonnetz auf 100, 200 und demnächst vielleicht noch mehr Megabit pro Sekunde. Jetzt soll auch noch eine Versorgungslücke rund um die Hauptverteiler geschlossen werden.

Die Internet-Anschlüsse der deutschen Haushalte

Nur: Den neuen Turbo, von Experten VDSL-Vectoring getauft, funktioniert leider nur mit einer substanziellen Einschränkung. Lediglich ein Anbieter darf den VDSL-Vectoring-Turbo einbauen. Ein zweiter oder dritter Anbieter würde die Datenübertragung empfindlich stören. Das war der Stand vor einem Jahr, als die Telekom ihre Pläne vorstellte und ihren Antrag einreichte.

Neue Lösung

Inzwischen  hat sich aber die hochinnovative Internet-Welt weitergedreht. Die großen Netzausrüster tüfteln verstärkt an wettbewerbsfreundlicheren Turbo-Techniken für die alten Kupferkabel. Die Techniklieferanten der Breitbandanbieter – allen voran Netzausrüster wie die von Nokia übernommene Alcatel-Lucent und der chinesische Emporkömmling Huawei – dringen dabei in Dimensionen vor, die vor kurzem noch undenkbar erschienen.

Einer dieser Fortschritte: Vor zwei Monaten standardisierte die Internationale Fernmeldeunion (ITU)  einen VDSL-Turbo mit dem Namen „Annex Q“, den zwei Netzbetreiber einsetzen könnten ohne sich gegenseitig zu stören. Die Entwicklung dieses neuen Produkts ist längst noch nicht abgeschlossen. Aber sie zeigt: Die Netzausrüster quetschen nicht nur mehr Bandbreite aus den Kupferkabeln heraus. Sie suchen auch nach Lösungen, die einen Rückfall in alte Monopolzeiten verhindern. Es ist damit nur noch eine Frage der Zeit, bis sie marktreif sind.

Der Zielkonflikt, den noch ein paar Monaten gab, könnte sich also schon bald in Luft auflösen. Vorausschauende Politiker sollten die Bundesnetzagentur in die Pflicht nehmen, dass sie möglichst schnell wieder ihre eigentliche Aufgabe wahrnimmt – nämlich die Förderung des Wettbewerbs.  Sobald die neuen Turbo-Lösungen marktreif sind, sollten die Konkurrenten sie auch einsetzen dürfen. So explizit steht das bisher nicht in den vorgelegten Entscheidungsentwürfen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%