Über Werbe-Links auf Partnerseiten lockt der Internet-Versandriese Amazon potenzielle Käufer zu seinen Produkten – für problematische Inhalte auf diesen Seiten muss er trotzdem nicht geradestehen. Für eine Haftung lägen hier nicht die Voraussetzungen vor, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Geklagt hatte ein Matratzenhersteller, dessen Matratze in einem fragwürdigen Ranking mit Links zu Amazon auftauchte. Dafür verantwortlich machen könnte er aber nur den Seiten-Betreiber.
Das Partnerprogramm von Amazon gibt es in Deutschland schon rund 20 Jahre. Angemeldete Teilnehmer können auf ihrer Internetseite Links zu Produkten im Amazon-Angebot setzen. Kommt darüber ein Kauf zustande, bekommen sie eine Provision. Je nach Produktkategorie und monatlichem Umsatz können das bis zu zwölf Prozent sein. Die Links, die zum Beispiel mit „Bei Amazon kaufen“ beschriftet sind, werden Affiliate-Links genannt. „Affiliate“ ist Englisch und heißt Partner.
Das klagende Unternehmen bett1.de stört sich daran, dass sich solche Links auch in gefälschten Testberichten und unseriösen Produkttipps finden. Man könne nicht die Umsätze mitnehmen und sich nicht darum scheren, ob der Kunde über betrügerische Seiten komme, hatte Firmengründer Adam Szpyt nach der Verhandlung im November gesagt.
Laut Gesetz haftet ein Unternehmen für unlautere geschäftliche Handlungen, wenn sie „von einem Mitarbeiter oder Beauftragten“ begangen werden. Das werde sehr weit verstanden, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch bei der Urteilsverkündung. Auch eine Konstellation, in der ein Selbstständiger für das Unternehmen tätig sei, könne darunterfallen. Hier fehlten aber die Voraussetzungen.
Dafür müsste Amazon nämlich seinen Geschäftsbetrieb erweitert haben – so die juristische Formulierung. Das ist laut BGH hier nicht der Fall. Das fragliche Internetangebot, eine Seite rund um die Themen Schlaf und Matratzen, sei vom „Affiliate“ nach eigenem Ermessen gestaltet worden. Die Links zu Amazon seien Teil dieses Produkts und würden nur gesetzt, um darüber Einnahmen aus Provisionen zu generieren. „Er macht sozusagen sein eigenes Ding“, sagte Koch.
Warum in der Tech-Branche Zehntausende Jobs wegfallen
Die Corona-Pandemie mit geschlossenen Geschäften brachte dem Online-Händler einen enormen Geschäftsschub. Entsprechend brauchte er mehr Leute. Die Beschäftigtenzahl in Voll- und Teilzeit verdoppelte sich von 800.000 Ende 2019 auf mehr als 1,6 Millionen Ende 2021. Inzwischen bestellen die Menschen wieder weniger, auch weil das Geld in Zeiten hoher Preise nicht mehr so locker sitzt. Schon vergangenes Jahr fielen Stellen weg, im Januar kündigte Amazon nun den Abbau von 18.000 Jobs an. Stark betroffen davon sind Büro-Arbeitsplätze.
Auch der Google-Mutterkonzern verdient sein Geld fast nur mit Online-Werbung und bekommt die Abkühlung im digitalen Werbemarkt zu spüren. Und auch Alphabet baute in der Pandemie die Belegschaft aus: Von rund 119.000 Mitarbeitern Ende 2019 auf fast 187.000 im September 2022. Zugleich hat Alphabet ebenfalls hohe Ausgaben: Die Gewinne von Google finanzieren Zukunftsprojekte wie Robotaxis der Firma Waymo oder Lieferdrohnen mit, die Milliarden verschlingen. Die Kürzungen trafen auch solche Bereiche.
In der Pandemie griffen viele kleine Unternehmen zu Werbung bei Facebook, um ihr Geschäft anzukurbeln. Meta verdiente gut und stellte auch kräftig ein. Ende 2019 hatte der Konzern 45.000 Mitarbeiter, drei Jahre später waren es mehr als 87.000. Dann kam im November der Abbau von 11.000 Jobs. Meta spürt die Zurückhaltung von Werbekunden, die stärker auf ihr Geld achten. Auch ist die App Tiktok ein starker Rivale im Kampf um Werbe-Dollar - und Apples Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre auf dem iPhone machten Anzeigen bei Facebook weniger effizient. Zugleich steckt Gründer Mark Zuckerberg viele Milliarden in die Entwicklung virtueller „Metaverse“-Welten.
Der Windows-Riese richtete sich in den vergangenen Jahren stark auf das Cloud-Geschäft mit Online-Diensten aus dem Netz – genau richtig für das vernetzte Arbeiten in der Corona-Pandemie. Auch bei Microsoft wuchsen die Mitarbeiter-Zahlen durch Zukäufe schnell: Zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres Mitte 2022 hatte der Konzern rund 221.000 Beschäftigte nach 144.000 drei Jahre zuvor. Zuletzt bekam Microsoft Gegenwind in einem Traditions-Segment: Der Einbruch der PC-Verkäufe in einem gesättigten Markt ließ das Windows-Geschäft um 39 Prozent schrumpfen. Microsoft streicht 10.000 Jobs, will aber in Zukunftsbereichen mehr Leute einstellen.
Der drastische Aderlass beim Kurznachrichtendienst ist dabei ein Sonderfall. Tech-Milliardär Elon Musk behauptete als neuer Besitzer, dass Twitter zu viele Beschäftigte habe – und ließ kurzerhand die Hälfte der rund 7000 Mitarbeiter feuern. Unter Druck gingen auch weitere, so dass inzwischen laut Medienberichten nur noch etwa 1300 Beschäftigte übrig sein sollen. Musk muss Geld sparen: Er bürdete Twitter Milliardenschulden für die Übernahme auf, die nun bedient werden müssen – und die Werbeeinnahmen sollen wegen der Zurückhaltung von Anzeigenkunden um 40 Prozent eingebrochen sein.
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Richter sehen Amazon nicht in der Pflicht
Amazon habe auch gar keine Einflussmöglichkeiten. Und die obersten Zivilrichterinnen und -richter sehen Amazon auch nicht in der Pflicht, sich einen durchsetzbaren Einfluss zu sichern.
Tatsächlich schreiben die Teilnahmebedingungen den Partnern nicht vor, Links zu Amazon zu setzen. Sie dürfen parallel an anderen Partnerprogrammen teilnehmen und verlinkte Produkte auch negativ besprechen. Falsche oder irreführende Angaben über Produkte und Dienstleistungen sind aber untersagt. Bei Rechtsverletzungen behält sich Amazon das Recht vor, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen – bis zum Ausschluss vom Programm. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen hat man sich in dem BGH-Fall an diese Maßgabe gehalten und ist gegen den Seiten-Betreiber aktiv geworden.
Eine Amazon-Sprecher erklärte auf Anfrage: „Wir begrüßen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die damit vorhergehende Urteile zu unseren Gunsten bestätigt. Teilnehmer am Amazon-Partnerprogramm sind für den Inhalt ihrer Website selbst verantwortlich, einschließlich der Einhaltung geltender Gesetze.“
Genau das hatte bett1.de kritisiert. Szpyts Anwältin aus den Vorinstanzen, Jeannette Viniol, hatte im November gesagt, viele Testseiten gebe es nur, weil sich mit den Links Geld verdienen lasse. Und Amazon lasse seinen Partnern die längstmögliche Leine.
Mit dem höchstrichterlichen Urteil aus Karlsruhe bleibt es dabei, dass Betroffene nur gegen den Seiten-Betreiber vorgehen können. Das ist laut Szpyt aber so gut wie unmöglich – bei den „Fake-Testseiten“ werde dann einfach alle paar Tage im Impressum die Adresse geändert. Mal sitze der Betreiber in den USA, dann auf Rügen, dann in Singapur. „Wir kämpfen gegen Geister.“
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