CES 2016 Las Vegas Wenn der Schnuller mit dem Auto spricht

Von Drohnen bis Baby-Tech: Die Digitalisierung der Welt macht vor nichts Halt. Ab Mittwoch werden in Las Vegas die wichtigsten Technologie-Trends für 2016 gezeigt. Und vielleicht auch ein neuer VW-Campingbus.

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„Baby-Tech“, also technische Spielereien, die sich speziell an den Nachwuchs richten, sind 2016 Trend. Quelle: dpa

Las Vegas Virtuelle Realität, Drohnen, Roboter, Smart Cars, Cloud, 4K und Künstliche Intelligenz sind Schlagwörter des Technologiejahres 2016. Technologien, die vor zwei Jahren noch in den frühen Kinderschuhen steckten, sind auf dem Weg in den Massenmarkt. Die Schlagzahl, mit der die digitale Industrie die Transformation der Welt vorantreibt, ist atemberaubend.

Als der Autor vor 15 Jahren auf seine erste CES in Las Vegas ging, waren Panasonic, Sony, Samsung, Philips oder Sharp die Namen, an denen man nicht vorbeikam in der „Unterhaltungselektronik“. Gigantische Fernseher waren die Sensation. Microsoft-Guru Bill Gates hielt traditionell die Eröffnungsrede, zeigte die Spielekonsole „Xbox“ und Seiko brachte eine „Super Wristwatch“, die als Handy nutzbar war und SMS versenden konnte.

Zeitsprung 2016: Microsoft hat seinen riesigen Messestand längst eingemottet. Sony und Panasonic sind nur noch auf Bewährung da, Samsung sucht seinen Weg in die Cloud, um relevant zu bleiben in einer Welt, die neue Akzente gesetzt hat. Philips erfindet sich als vernetzter Gesundheitsmanager neu.

„Software frisst die Welt“ schrieb Netscape-Mitgründer und Investor Marc Andreessen 2011 in einem Essay. Heute ist klar, dass seine Prognose mit gnadenloser Präzision eingetroffen ist. Software, zusammen mit mobilem Internet und der allgegenwärtigen Cloud, der Internetwolke, die unbegrenzte Computerleistung und Datenanalyse in Sekundenbruchteilen ermöglicht, bringt heute alten Hunden neue Tricks bei. Junge Unternehmen, die aus dem Nichts auftauchen, setzen oft genug diese Trends. Hier die wichtigsten für 2016:

Drohnen. Rund 45.000 Drohnen wurden im Dezember in der ersten Woche auf der neuen Webseite der Luftaufsichtsbehörde FAA angemeldet. Alleine 400.000 unbemannte Flugobjekte haben unter amerikanischen Christbäumen gelegen, schätzt der Branchenverband CTA. Dabei geht es erst los: 2016 wird das Jahr der Drohnen. 27 Aussteller werden ab Mittwoch auf der CES in einem eigenen Bereich „unmanned systems“ ihre surrenden Fluggeräte präsentieren. Der US-Umsatz lag 2015 mit 105 Millionen Dollar um 52 Prozent über Vorjahr.

Mit der neuen Registrierungspflicht herrscht mehr Rechtssicherheit, und der Verkauf wird zunehmen, schätzen Marktbeobachter. Drohnen des Start-ups „Airdog“ werden ihren Besitzern in der Luft wie ein Hündchen folgen, während die mit dem Mountainbike durch die Berge hetzen oder durch die Brandung surfen.

„GoPro“, börsennotierter Spezialist für Action-Kameras, arbeitet daneben an einer eigenen Drohnen-Plattform für seine Kameras und 360-Grad-Videos für virtuelle Realitäten. Weite Verbreitung werden Drohnen in der Landwirtschaft und der Logistik-Branche finden. Sie werden mit Kameraaugen Container aufspüren oder Felder und Herden überwachen.

Virtuelle Realität. Palmer Luckey hat wenig Respekt vor dem großen Herausforderer: Rift, seine Brille für virtuelle Realität, ließ er per Twitter wissen, sei eher wie „feiner Wein“. Googles Pappbrille „Cardboard“, so der Gründer von Oculus, sei verglichen damit eher wie „Brackwasser“. Solche Sprüche kann er sich leisten. Oculus gehört zum Facebook-Imperium von Mark Zuckerberg und die hoch computerisierte „Rift“ soll bald für mehrere hundert US-Dollar auf den Markt kommen, während Googles Pappvariante nur ein paar Dollar kostet und ein Smartphone als Bildschirm benötigt.

2016 wird nicht nur die „Rift“ auf den Markt kommen. Zusammen mit Samsung hat Oculus die „Gear VR“, direkter Gegner zu Googles „Cardboard“, für 99 Euro eingeführt. Sie versetzt den Betrachter mittels eines eingeschobenen Samsung-Smartphones in eine virtuelle Welt. Sony steht ebenso in den Startlöchern wie HTC und Valve. Dieses Jahr wird sich zeigen müssen, ob aus dem Hype von 2015 ein Geschäft werden kann, die Marktforscher von Juniper sprechen von einer „Wasserscheide“.

Neben der Videospieleindustrie erhofft sich die Filmindustrie neue Märkte und preiswerte Kameras ermöglichen 360-Grad-Filme, die auf Web-Plattformen wie Youtube gezeigt werden können. Mit 46 hat sich die Zahl der Aussteller für virtuelle und „augmented“ Realität auf der CES mehr als verdoppelt. „Augmented“ Realität ist die Mischung von „echter“ visueller Realität mit digitalen Inhalten. Wichtigste Spieler hier sind Microsoft mit Hololens und Sony mit „SmartEyeglass“ für den Industrieeinsatz, seit Googles „Glass“-Brille gescheitert ist.


4K-Fernseher, Wirless Charing, Smart Autos und Roboter

4K-Fernseher. Riesige 65-Zoll Diagonale und ein Preis, der vergangenes Jahr noch undenkbar war: Gerade mal 1600 Dollar wollte die US-Handelskette Best Buy dieses Weihnachten für einen 4K-Flachfernseher von Samsung mit einer horizontalen Auflösung von 2160 Pixeln haben – doppelt so viel wie „Full-HD“. 3-D-Fernseher waren der Trend um die Jahrtausendwende – und ein Riesenflopp.

Es gab kaum Inhalte und niemand wollte die klobigen 3-D-Brillen tragen. 4K wird anders: Die Inhalte kommen bereits über Web-Plattformen wie Youtube und über Streaming-Portale wie Netflix oder Amazon Prime. Top-Smartphones nehmen schon einfache 4K-Videos auf. Auch Hollywood hat angekündigt, zumindest seine Top-Filme in 4K zur Verfügung zu stellen. Noch dieses Jahr wird ein Standard für die Ausstrahlung von 4K-TV erwartet. Der bringt Sicherheit für Gerätehersteller und TV-Produzenten.

Wireless Charging. Smartphones werden zum Mittelpunkt des Lebens. Ob man das mag oder nicht, ist eine andere Sache. Doch das digitale Leben kann ganz schön öde sein, wenn der Akku leer ist. Drahtloses Aufladen wird 2016 allgegenwärtig werden. Das fängt bei Ladestationen von „Tango“ im Tisch des Lieblingscafés an. Die liefern schon Saft, wenn Geräte nur in ihrer Nähe liegen.

Und weiter geht es bis zur Stromernte aus der Luft: „WattUp“ von Energous verspricht abgestrahlte Energie aus einem Router im Zimmer aus der Luft zu „saugen“ und über einen Chip in den Akku zu transportieren. Dann wird der „Lebensnerv“ automatisch in der Tasche geladen, sobald man seine Lieblingskneipe oder das Büro betritt. Ein vergleichbares System namens „Cota“ stellt dieses Jahr Ossia in Zusammenarbeit mit dem japanischen Mobilfunk-Giganten KDDI vor.

Smart Autos. VW-Markenchef Herbert Diess wird keine leichte Aufgabe haben. Am Vorabend der Messe spricht er über die Zukunft der vernetzten Autowelt und zeigt ein neues „Konzeptcar“. Gerüchten zufolge wird es der VW-Campingbus der Zukunft sein, sozusagen der elektrische Westfalia-Camper in der Cloud.

2016 wird das Jahr, in dem sich die großen Allianzen zwischen Auto- und Technologieunternehmen bilden – und die CES in Las Vegas ist der Hochzeitsmarkt. Denn das smarte Auto ist viel mehr als nur Selbststeuerung. Es geht um Motoreffizienz, Auto-zu-Auto- und Auto-zu-Infrastruktur-Kommunikation, Fahrer-Assistenz oder vorausschauende Wartung. Laut der Start-up-Datenbank „CBInsights“ aus New York war 2015 das Rekordjahr für Risikokapital in „Smart Cars“ mit geschätzten 457 Millionen US-Dollar in 39 Unternehmen.

Auf der CES werden viele von ihnen ihre Lösungen zeigen wie preisgünstige Nachrüstsätze für HUD-Displays, mit denen Informationen wie Geschwindigkeit, Richtungswechsel oder freie Parkplätze im nächsten Parkhaus auf der Frontscheibe angezeigt werden. Mit fast 19.000 Quadratmetern ist die „Smart-Car“-Ausstellungsfläche so groß wie nie zuvor.

Roboter. Noch 2015 praktisch nur als Gag auf der einen oder anderen „Keynotes“ vertreten, nehmen Roboter 2016 mit 27 Ausstellern alleine im „Robotic Marketplace“ einen signifikanten Platz auf der Ausstellungsfläche ein. Sie sind die größten Gewinner der künstlichen Intelligenz aus der Cloud. Waren sie früher freundlich dreinschauende Blechknechte mit einem stark begrenzten Funktionsumfang, lernen sie heute automatisch und bieten Entscheidungshilfen an.

Zusammen mit persönlichen Assistenten wie „Siri“, „Cortana“ oder „Google Now“ entwickeln sie sich zu Lebensbegleitern. Der Staubsauger-Roboter überwacht das Haus und erinnert an die Konzerttickets. Der sympathische „Pepper“ der japanischen Softbank mit seinen großen Kulleraugen liest menschliche Emotionen und reagiert darauf. Intel wird „Jimmy“ zeigen, ein kleiner Robo-Kumpel aus dem 3-D-Drucker.


Baby- und Beauty-Tech

Baby-Tech, Beauty-Tech. Und weil selbst die „Digital Natives“ irgendwann einmal von ihrem Smartphone aufblicken und dann vielleicht sogar mal Kinder bekommen könnten, kümmert sich auch die CES 2016 um den Nachwuchs. „Baby Tech“ und „Beauty Tech“ sind die jüngsten Neuzugänge der Show. Sie wenden sich an junge Eltern und Frauen, die mit Selfie-Kamera statt Schminkspiegel aufgewachsen sind. Vom smarten Schnuller über den selbst-adjustierenden Autositz fürs Baby bis hin zur digital überwachten und einstellbaren Babyschaukel gibt es alles, was ein Digital-Baby glücklich und sicher machen soll.

„Magische Spiegel“ mit virtueller oder „augmented reality“ helfen bei der Auswahl der Abendgarderobe. Sensoren analysieren Haut und Haar und empfehlen die richtigen Behandlungen und Mittelchen.

Warum nicht: Sowohl die Märkte für Baby-Artikel als auch die für Kosmetik und Wellness sind Multi-Milliarden-Dollar schwer. Und wie Marc Andreessen schon sagte: „Software frisst die Welt“.

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