China-Experte Weidenfeld „Immer mehr Anzeichen, dass Huawei ernstes Risiko darstellt“

China-Experte Jan Weidenfeld empfiehlt der Bundesregierung, dem Beispiel anderer Länder zu folgen: Der Einsatz von Kernkomponenten des Huawei-Konzerns beim Bau der 5G-Mobilfunknetze sollte verboten werden.

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Für die Bundesregierung ist das Thema so heikel, dass die Gespräche zwischen den verantwortlichen Ministerien und Sicherheitsbehörden in einem abhörsicheren Raum stattfinden. Kein Detail der Diskussion soll an die Öffentlichkeit dringen. Zum ersten Mal beschäftigt sich Deutschland offiziell mit den Sicherheitsrisiken, die von den Technologien des chinesischen Netzausrüsters Huawei beim Bau der neuen, superschnellen 5G-Mobilfunknetze ausgehen.

Im Mittelpunkt steht die Frage, mit welchen Vorkehrungen das Problem gelöst werden könnte. Das erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer auf Nachfrage der WirtschaftsWoche, als er am vergangenen Montag seinen Antrittsbesuch beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn machte. „Das hier eine Aufgabenstellung besteht, kann ich nicht bestreiten“, sagte der Innenminister. Da gäbe es Fragen zu klären. Mehr wollte der ehemalige CSU-Vorsitzende nicht sagen.

Die WirtschaftsWoche fragte den ausgewiesenen China-Kenner Jan Weidenfeld, Leiter der Stabsstelle Europaangelegenheiten und Geschäftsentwicklung beim Mercator Institute for China Studies in Berlin, wie er die Bedrohung durch Huawei einschätzt und welche Lösungsvorschläge er für die Bundesregierung hat.

Jan Weidenfeld ist Leiter der Stabsstelle Europaangelegenheiten und Geschäftsentwicklung beim Mercator Institute for China Studies in Berlin. Quelle: Presse

Herr Weidenfeld, die Bundesregierung beschäftigt sich erstmals mit den Sicherheitsrisiken, die vom chinesischen Technologielieferanten Huawei ausgehen. Welche Regelungen sollte die Bundesregierung treffen, damit Huawei nicht zu einer Bedrohung für kritische Infrastrukturen wie die superschnellen 5G-Mobilfunknetze wird?
Die Bundesregierung sollte auf jeden Fall verhindern, dass Huawei kritische Elemente der zukünftigen 5G-Mobilfunkinfrastrukturen ausbaut. Es gibt besonders sensible Kernkomponenten, und die müssen massiv vor Zugriffen aus China geschützt werden. In der Peripherie der 5G-Infrastrukturen werden Mobilfunkbetreiber eine ganze Reihe von Technologien verbauen, bei denen keine größeren Sicherheitsrisiken bestehen und deshalb meiner Meinung nach eine Beteiligung von Huawei nicht so problematisch ist. Wir sollten beim Aufbau der 5G-Netze also zumindest über eine differenzierte Sicherheitsarchitektur nachdenken. In den USA versteht niemand, dass Huawei in Deutschland bisher uneingeschränkten Zugang zu kritischen Infrastrukturen bekommt.

Die USA haben ein Embargo gegen Huawei und ZTE verhängt. Andere Länder gehen nicht ganz so kompromisslos vor. Ein kompletter Marktausschluss wäre Ihrer Meinung nach nicht erforderlich?
Wir sollten auf jeden Fall allergrößte Vorsicht walten lassen bei einer so sensiblen und zukunftsträchtigen Infrastruktur wie den 5G-Mobilfunknetzen. Im Moment verdichten sich die Anzeichen und Verdachtsmomente, dass Huawei ein ernstes Risiko darstellt. Das chinesische Recht fordert von Unternehmen wie Huawei, dass sie Datenströme gegenüber der chinesischen Regierung offenlegen – und zwar auch aus Netzen, die sie außerhalb von China aufbauen. Insofern würde ich bis auf weiteres gar keine kritischen Aufträge mehr an Huawei vergeben. Das hätte aber große ökonomische Konsequenzen. Denn Huawei ist in der Regel deutlich günstiger als etwa die europäischen Konkurrenten Ericsson und Nokia. Die Kunden aller Mobilfunkbetreiber, die auf Huawei und ZTE verzichten, müssten vermutlich deutliche Preissteigerungen bei ihren Mobilfunkverträgen in Kauf nehmen.

Warum kocht die Diskussion gerade jetzt hoch – kurz vor dem Bau der ersten 5G-Mobilfunknetze?
Über den 5G-Mobilfunk werden unheimlich viele sensible Daten fließen. Ein Kernaspekt wird etwa das Internet der Dinge sein, das sich in Zukunft stark auf 5G stützen wird. Dort werden noch mehr Daten aus allen Bereichen des privaten Alltags gesammelt. Was essen Sie gerne? Wann gehen Sie schlafen? Wann betreten Sie Ihre Wohnung und wann verlassen Sie sie wieder? Hinzu kommen die Daten aus Unternehmen, wenn Industriebetriebe die 5G-Netze für die Digitalisierung ihrer Fabriken einsetzen. Damit entsteht ein ganz neues Einfallstor für Wirtschaftsspionage. Wenn diese Daten über Netze transportiert werden, bei denen nicht klar ist, ob nicht auch die Kommunistische Partei Chinas darauf Zugriff bekommt, dann müssen auch wir in Deutschland ganz genau hinschauen, ob wir dieses Risiko eingehen wollen.

Sie reden vor allem über Datenabflüsse und Spionage. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass China mit Hilfe von Huawei auch Sabotage betreiben kann und – etwa bei Ausbruch eines Cyberkrieges – die von ihnen gebauten Netze einfach abschalten?
Das Sabotage-Risiko besteht definitiv. Ich halte es aber nicht für sehr wahrscheinlich, dass China solch einen Befehl gibt. Die größere Bedrohung ist, dass sensible Daten abfließen. China ist wichtiger Wirtschaftspartner, aber sicher kein befreundeter Staat. Deshalb sollten wir unsere kritischen Infrastrukturen vor China besser schützen als in der Vergangenheit. Viele Länder haben ja schon beschlossen, chinesischen Lieferanten aus der 5G-Infrastruktur zu verbannen. Darunter sind ja auch europäische Länder wie Großbritannien. British Telecom hat sich klammheimlich schon vor zehn Jahren bewusst dazu entschieden, Huawei nicht bei Kernkomponenten ihrer Netzinfrastruktur einzusetzen.

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