Chinas Techriese Weltweites Misstrauen setzt Huawei unter Druck

Huawei: Weltweites Misstrauen setzt Konzern unter Druck Quelle: REUTERS

Angesichts der Verwundbarkeit von Datennetzen wächst die Skepsis gegenüber dem Huawei-Konzern. Manche Experten vermuten, die Angst vor Spionage sei nur vorgeschoben, um Chinas Siegeszug in der Branche zu stoppen.

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Einige Regierungen schlossen Huawei bereits von Regierungsaufträgen aus, dann wurde eine Top-Managerin des chinesischen Konzerns festgenommen: Auf dem Weg an die Weltspitze der Telekommunikationstechnologie kämpft Huawei mit der Angst westlicher Regierungen vor chinesischer Spionage. Manche Analysten vermuten hinter dem Misstrauen jedoch rein wirtschaftliche Motive.

Australien und Neuseeland haben Huawei Technologies Ltd. vom Netzausbau für den schnellen 5G-Standard ausgeschlossen. Damit schlossen sie sich den Vereinigten Staaten und Taiwan an, die den Einsatz von Komponenten des weltweit größten Netzausrüsters ebenfalls einschränken. Und in der vergangenen Woche gab auch Japans Behörde für Cybersicherheit bekannt, Huawei und andere als riskant eingestufte Anbieter seien für Regierungsaufträge tabu.

Beweise für die Vorwürfe, die Huawei bestreitet, wurden bisher nicht veröffentlicht. Die Anschuldigungen bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns in einem sensiblen Bereich, in dem Betreiber weltweit Milliardeninvestitionen planen.

„Dies macht Huawei definitiv Sorgen in dieser Phase, weil es einen politischen und einen wirtschaftlichen Aspekt gibt“, sagt Nikhil Bhatra vom US-Marktforschungsunternehmen IDC. Huawei ist nicht irgendein Elektronikkonzern: Das 1987 von einem ehemaligen Militäringenieur gegründete Unternehmen ist Chinas erste globale Technologie-Marke und besonders geförderter Branchenprimus. 2017 hatte das Vorzeigeunternehmen mit 13 Milliarden Dollar (11,5 Milliarden Euro) das größte Forschungs- und Entwicklungsbudget Chinas – zehn Prozent mehr als Apple Inc.

Damit steht Huawei im Mittelpunkt der Spannungen zwischen den High-Tech-Ambitionen der regierenden KP, des Wettbewerbs mit westlichen Volkswirtschaften und Verflechtungen zwischen Unternehmen und Staat. EU-Digitalkommissar Andrus Ansip äußerte sich besorgt über mögliche „obligatorische Hintertüren“ in Computer- oder Telekommunikationssystemen von Huawei, da chinesische Telekommunikationsausrüster zur Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten verpflichtet seien. „Müssen wir uns Sorgen machen wegen Huawei und anderen chinesischen Unternehmen?“, fragte Ansip. „Ich denke ja, das müssen wir.“

Chinas Außenamtssprecher Lu Kang teilte mit, China habe „keine solchen Gesetze“, die Hintertüren erlaubten. Das Unternehmen betont, es arbeite unabhängig vom Staat. Den Einbau von Spionagetechnologie oder die Kontrolle durch die KP bestreitet es - was Kritiker wie US-Senatoren bezweifeln angesichts des staatlich gelenkten chinesischen Systems.

„Es wurde noch nie ein einziger Beweis gegen die Firma erbracht“, teilte der Konzern mit. Das Unternehmen sei der „am meisten überprüfte Anbieter von Telekommunikationsausrüstung“. Ausländische Vertreter statteten regelmäßig Besuche ab, um „die Integrität unserer Technologie“ zu prüfen.

Hauptsitz des Konzerns ist Shenzhen nahe Hongkong. Huawei arbeitet seit 2009 am Mobilfunk-Standard 5G, zusammen mit dem schwedischen Konzern LM Ericsson und der finnischen Nokia Corp. ist es einer der führenden Anbieter.

Wer die Ausschreibungen für die schnellen Netze gewinnt, kann Milliarden Dollar aus Verkäufen und Lizenzgebühren erwirtschaften. Neben schnellerem Mobilfunk soll 5G auch internetgestützte Autos und medizinische Ausrüstung sowie Atomkraftwerke steuern. IHS Markit prophezeit in der Netzausrüstung jährliche Umsätze von elf Milliarden Dollar bis 2022.

Ein „offener Technologie-Krieg“ in Arbeit

Damit ist das Geschäft politisch hochsensibel. Die Einsatzmöglichkeiten erhöhen die potenziellen Kosten von Sicherheitslücken und erfordern Vertrauen in die Anbieter. Selbst ein „wirklich winziges“ Risiko könne einen Anbieter ausschließen, sagt Andrew Kitson, Forschungsleiter Technologiebranche bei Fitch Solutions.

Hinter den Vorwürfen gegen Huawei vermutet er wirtschaftliche Motive: Viele kämen von europäischen und US-Anbietern, die zurzeit Marktanteile an chinesische Wettbewerber verlieren. „Es gab nie wirklich Beweise“, sagt Kitson. „Sie müssen nur ein paar Andeutungen machen, damit andere Regierungen denken, es sei ein zu großes Risiko.“

Die Festnahme von Finanzchefin Meng Wanzhou am 1. Dezember im kanadischen Vancouver war ein neuer Schlag für Huawei - die USA werfen ihr Verstöße gegen das Handelsembargo gegen den Iran vor. Huawei ist politisch bedeutsamer als sein chinesischer Konkurrent ZTE Corp., der fast aus dem Markt gedrängt wurde, nachdem Washington ihm wegen Exporten in den Iran und nach Nordkorea US-Technologie verweigert hatte. US-Präsident Donald Trump hob das Verbot auf, nachdem ZTE eine Geldstrafe von einer Milliarde Dollar bezahlt hatte, seine führenden Manager ausgewechselt und von den USA ausgewählte Compliance-Beauftragte eingestellt hatte.

Nach einem Bericht der politischen Risikoberatung Eurasia Group würde ein solches Vorgehen bei Huawei nicht funktionieren, der Konzern stehe „im Mittelpunkt der Ambitionen Pekings“, beim 5G-Netzausbau Weltmarktführer zu werden. Chinas Führung würde daher den Versuch, bei Huawei Kontrollen wie bei ZTE durchzusetzen, als „offenen Technologie-Krieg“ betrachten.

Huawei beliefert Telefongesellschaften in Asien, Afrika und Europa. Nach eigenen Angaben beliefert der Konzern 45 der 50 größten globalen Telekommunikationsanbieter. Sein weltweiter Umsatz stieg 2017 um 16 Prozent auf 92,5 Milliarden Dollar, während die Gewinne um 28 Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar zulegten.

Das chinesische Außenministerium klagt, Kritiker würden „so genannte Bedrohungen hypen“, um Huaweis Geschäft zu behindern, ohne dass Beweise vorlägen. Auf die Frage nach den Auswirkungen der Spionagevorwürfe im 5G-Geschäft teilte Huawei mit, sein Jahresumsatz - der auch die drittgrößte Smartphone-Marke weltweit und eine Unternehmenssparte umfasst – sollte in diesem Jahr 100 Milliarden Dollar überschreiten. Das wäre eine Zunahme von acht Prozent im Vergleich zu 2017.

Washington dringt bei Verbündeten auf einen Bann von Huawei als Handelspartner, doch Deutschland, Frankreich und Irland erklärten, sie hätten nicht vor, Netzausrüster auszuschließen. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte am 7. Dezember nach Medienberichten, Huawei habe „einen wichtigen Platz in Frankreich“ und seine Investitionen seien willkommen.

Ein Ausschluss von Huawei, so warnte Bhatra vom Marktforschungsunternehmen IDC, beschränke den Wettbewerb auf die zwei großen 5G-Ausrüster Ericsson und Nokia, was die Preise hochtreibe und möglicherweise das Innovationstempo verlangsame. Nach Einschätzung von Branchenanalysten sind die Kosten für Telekommunikationsausrüstung ohne günstigere chinesische Konkurrenz höher. Bhatra warnt: „Es gibt ziemlich weitreichende Auswirkungen.“

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