Cloud Computing Wie IT-Anbieter bei den Cloud-Umsätzen tricksen

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Angeblich Wachstum - ohne konkrete Zahlen

Im Vergleich zu IBM gibt sich HPE in Sachen Cloud noch zugeknöpfter, monieren die Gartner-Analysten in ihrem Report: „Zwar verweist HPE in vielen Referenzen auf die Bedeutung der Cloud als Schlüsselbestandteil ihrer Strategie und als Wachstumsmotor vieler Geschäftsfelder“, schreiben Smith und Anderson. „Dennoch berichtet HPE keinen Cloud-Umsatz, wiewohl das Unternehmen häufig seine Wachstumsraten in Cloud-bezogenen Geschäftsfeldern zitiert.“ Auf Anfrage der WirtschaftsWoche erklärt HPE lediglich: „Unsere Rechnungslegung umfasst die globalen Umsatzzahlen unserer Geschäftsbereiche. Darin enthalten, aber nicht als solche ausgewiesen sind Cloud-Umsätze.“

Auch das weltgrößte Softwarehaus Microsoft hat sich unter dem seit 2014 amtierenden Konzernchef Satya Nadella dem Umbau in Richtung Cloud verschrieben. Wichtigster Bestandteil des Cloud-Angebots ist das Büropaket Office 365: Dieses besteht aber, wie die Gartner-Analysten zu bedenken geben, sowohl aus „echten Cloud-Umsätzen“ wie auch aus Subskriptionserlösen zur Nutzung von Office auf dem iPad und anderen Geräten wie etwa Windows-PCs – diese hätten „wenig bis gar keine Cloud-Nutzung“.

Laut Finanzbericht zum ersten Quartal des Geschäftsjahres 2016 erwartet Microsoft, aufs Jahr gerechnet, einen Cloud-Umsatz in Höhe von 8,2 Milliarden Dollar (die sogenannte „annualized run rate“). Weitere Details bricht Microsoft nicht herunter. „Die Commercial-Cloud-Umsätze sind in unserem Reporting für die vergangenen drei Jahre explizit aufgeführt“, so Microsoft auf Anfrage – diese umfassten neben Office 365 auch Azure, eine Mietplattform für Rechnerkapazität, sowie die Cloud-Version der Unternehmenssoftware Dynamics Online.

Auch andere Marktbeobachter sehen hier ein Problem: „Die Frage ist, wie viel von den verkauften Cloud-Volumina in der Praxis tatsächlich konsumiert werden“, sagt Avispador-Analyst Oppermann. Hinter vorgehaltener Hand schätzen Kenner der Szene, dass teils nur 20 bis 30 Prozent überhaupt genutzt werden.

Diese Rate kann Oppermann nicht bestätigen, verweist aber auf ein Risiko für Anbieter wie Microsoft: „Es ist riskant, via Cloud Produkte zu verkaufen, die nicht genutzt werden.“ Zwar gibt es dieses Phänomen in der IT-Industrie schon immer: So nennen Experten ungenutzte Software kurzerhand Shelfware – also Programme, die gewissermaßen im Regal („Shelf“) liegen.

Im Geschäftsmodell des Cloud Computings ist dies aber nicht nachhaltig: „Wenn ein Kunde eine Cloud-Lösung nicht nutzt, kann er die schnell wieder kündigen“, sagt Oppermann. „Denn weil Software nicht mehr aufwendig installiert werden muss, ist die Hemmschwelle für einen Wechsel niedriger – und Alternativen sind nur wenige Klicks entfernt.“

Amazon treibt die Konkurrenz vor sich her

Bei aller Kritik finden die Gartner-Analysten in ihrem Report auch lobende Worte – für die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS): „Fast 100 Prozent von AWS sind echte Cloud-Umsätze“, schreiben Smith und Anderson. Kein Wunder: Amazon hat erst im vergangenen April damit begonnen, die AWS-Umsätze offiziell auszuweisen; aktuell liegt der hochgerechnete Jahresumsatz bei satten 7,5 Milliarden Dollar. Avispador-Chef Oppermann: „Dies hat den Druck auf die anderen IT-Anbieter erhöht, ebenfalls große Zahlen zu veröffentlichen – und ihre Cloud-Umsätze zu frisieren.“

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