
Jeff Bezos' Wachstumsdrang kennt keine Grenzen. Mit seiner "Feuerwalze Amazon" brennt der Unternehmer eine Schneise durch den stationären und den Onlinehandel. Beiläufig und lang unterschätzt ist er mit seinem Konzern aber auch längst zur festen Größe im Geschäft mit der Datenwolke geworden: Die Amazon Web Services (AWS) gehören zu den größten Cloud-Diensten im Netz. Mehr und mehr Daten wandern auf die zentralen Rechenfarmen und Web-Speicher des US-Unternehmens. Hunderttausende Nutzer legen mittlerweile Daten auf Amazon-Servern ab - bewusst und unbewusst.
Netflix-Videos laufen genauso darüber wie Musik von Spotify. Zu seinen Kunden zählt Amazon den Medienkonzern Time Inc, die Reisewebsite Expedia und den Ölkonzern Shell. Selbst Speicherplatz-Anbieter Dropbox, einer der Dienste, über den Privatleute am ehesten mit der Cloud in Kontakt kommen, nutzt die Rechenzentren von Amazon.





Was AWS für Amazon bedeutet
Die Bedeutung des Cloud-Geschäfts ist eine tragende Säule des Online-Riesen. Bevor Amazon im April dieses Jahres erstmals Zahlen zu seinem Cloud-Geschäft veröffentlichte, hatten manche Anteilseigner und Analysten gehofft, AWS sei ein Verlustgeschäft. Bloß ein teures Nebenprojekt, das Jeff Bezos als Spielwiese braucht. Dann wäre das Kerngeschäft Onlinehandel stärker gewesen als die Konzernzahlen vermuten lassen.
Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Während Amazon insgesamt im ersten Quartal einen Verlust von 57 Millionen Dollar machte, brachte AWS Geld ein. Das operative Ergebnis lag bei 265 Millionen Dollar, die Umsatzrendite bei 17 Prozent. Allein im vergangenen Jahr wuchsen die Amazon Web Services um 51 Prozent.
Was Jeff Bezos mit AWS vor hat
"Die Amazon Webservices sind ein fünf-Milliarden-Dollar-Geschäft, das schnell wächst", jubelte Jeff Bezos. Froh, nach diversen Rückschlägen mal wieder eine Positiv-Meldung zu haben und schob den entscheidenden Satz hinterher: "Tatsächlich beschleunigt sich das Wachstum sogar."
Die AWS sind eine Gewinn- und Umsatzmaschine, die Amazon gerade erst richtig hocherfährt. "Amazon hat es wie kein anderer geschafft, den Cloud-Computing-Markt zu verstehen", sagt René Büst, Cloud-Experte des IT-Analystenhaus Crisp Research. "Das Unternehmen ist sehr früh eingestiegen und hat mit Geschick große Marktanteile erobert."
Vor- und Nachteile des Cloud Computing
Wenn ein Unternehmen seine Kundendatenbank nicht im eigenen Rechenzentrum pflegt, sondern einen Online-Dienst wie Salesforce.com nutzt, spart es sich Investitionen in die Infrastruktur. Die Abrechnung erfolgt außerdem zumeist gestaffelt, zum Beispiel nach Nutzerzahl oder Speicherverbrauch. Geschäftskunden erhoffen sich dadurch deutliche Kosteneinsparungen.
Wer Speicherplatz im Netz mietet, kann flexibel auf die Nachfrage reagieren und den Bedarf unkompliziert und schnell erhöhen oder versenken. Wenn beispielsweise ein Startup rasant wächst, fährt es einfach die Kapazitäten hoch. Somit fallen auch niedrige Fixkosten an.
Die Installation auf den eigenen Rechnern entfällt. Damit lässt sich ein neues System äußerst schnell einführen. Auch die Updates bereiten keine Probleme mehr, somit sinkt der Administrationsaufwand. Allerdings lassen sich die Cloud-Dienste in der Regel auch nicht so individuell konfigurieren.
Zur Nutzung der Cloud-Dienste benötigen Mitarbeiter lediglich einen Internetanschluss – unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und dem Gerät, das sie nutzen.
Die Daten-Dienstleister werben damit, dass sie sich intensiver mit der IT-Sicherheit beschäftigen als einzelne Nutzer oder Unternehmen. Allerdings sind die Rechenzentren der Cloud-Anbieter aufgrund der großen Datenmenge auch ein attraktives Ziel für Angriffe von Hackern. Zudem ist von außen schwer nachzuvollziehen, ob der Anbieter die Daten ausreichend vor den eigenen Mitarbeitern schützt. Die Auslagerung bedeutet somit einen Kontrollverlust.
Viele Unternehmen sind von ihrem Dienstleister abhängig, weil sie nicht ohne weiteres zu einem anderen Anbieter wechseln können. Das liegt etwa daran, dass sie ihre Systeme aufwendig an die Schnittstellen anpassen müssen. Auch Nutzer haben oft Schwierigkeit, wenn sie mit ihren Daten den Anbieter wechseln wollen. Eine weitere Frage: Was ist, wenn der Betreiber eines Dienstes pleite geht? Erst wenn es Standards gibt, die den Wechsel von einem zum anderen Dienstleister ermöglichen, sinkt die Abhängigkeit.
Wo die Amazon-Cloud wachsen soll
Für den Aufstieg zur Cloud-Größe brauchte der einstige Buchhändler keine zehn Jahre. 2006 entstanden die AWS als ein reines Nebenprojekt des E-Commerce. Um seine eigene Plattform stärken und fehlerfrei betreiben zu können, setzte der Onlinehändler seine eigenen Server auf. Er baute die Kapazitäten aus, um digitale Produkte wie Bücher, Musik und Filme auf eigenen Rechnerfarmen zu speichern.
Heute betreibt Amazon Rechenzentren in elf Regionen auf allen Kontinenten und stellt seine Kapazitäten jedem zur Verfügung, der bereit ist, dafür zu zahlen. Laut dem Marktforscher Synergy Research ist AWS mit einem Anteil von 28 Prozent am Geschäft mit der Cloud-Infrastruktur größer als die nachfolgenden vier Tech-Riesen Microsoft, IBM, Google und Salesforce zusammen.