Co-Chefin Jennifer Morgan geht Schleudersitz SAP

SAP-Co-Chefin Jennifer Morgan wird bereits zum 30. April das Unternehmen verlassen. Ihr Co-CEO Christian Klein wird den Konzern alleine weiterführen. Quelle: REUTERS

Gerade mal ein halbes Jahr hat sich Jennifer Morgan als Co-Chefin an der Spitze SAPs gehalten. Der Softwarekonzern verabschiedet sich damit sehr schnell wieder vom Führungsduo-Modell und büßt an Glaubwürdigkeit ein.

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Es war nur ein kurzes Gastspiel an der Spitze. So plötzlich ihr Aufstieg, so überraschend ihr Abgang: Jennifer Morgan hat sich gerade mal ein paar Monate als Co-CEO von SAP gehalten. Am 30. April endet ihr erst Mitte Oktober begonnenes Engagement.

Die ehemalige Unternehmensberaterin war 2004 zu SAP gestoßen, hatte dort schnell Karriere gemacht und im vergangenen Jahr dann Geschichte geschrieben: Die 48-jährige Amerikanerin war die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns und gleichzeitig die erste weibliche Vorstandschefin des Softwareunternehmens. Ihr bisheriger Sparringspartner Christian Klein, noch nicht mal 40 Jahre alt, führt nun den einzigen verbliebenen Konzern mit deutschem Hauptsitz unter den 50 wertvollsten Unternehmen der Welt.

Damit kehrt SAP wieder zum „Modell eines alleinigen Vorstandssprechers“ zurück, wie der Konzern am späten Montagabend bekanntgab. Denn in den gegenwärtigen Zeiten brauche man eine „sehr klare Führungsstruktur“. Im Klartext: In der Führungsspitze hat es schon nach wenigen Monaten gekracht. Einen Machtkampf kann und will sich das Unternehmen derzeit nicht leisten.

Am Dienstagmorgen hat der Konzern seine Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Wie erwartet hinterlässt die Coronakrise bereits tiefe Spuren in der Bilanz der Walldorfer, weil Kunden Aufträge im Lizenzgeschäft zurückgestellt haben. So brach der Umsatz mit Softwarelizenzen zwischen Januar und März 2020 um satte 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. SAP hatte bereits Anfang April bei der Vorlage der vorläufigen Zahlen seine Umsatzprognose fürs Jahr gesenkt: Fürs Gesamtjahr geht das Unternehmen nun von maximal 28,5 Milliarden Euro Umsatz aus statt zuvor 29,7 Milliarden Euro. Die Prognose fürs Betriebsergebnis wurde um 600 Millionen Euro auf maximal 8,7 Milliarden Euro gesenkt.

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Allerdings ruhen die Hoffnungen der Analysten darauf, dass SAP sein Cloud-Geschäft nun wegen der Krise noch schneller ausbauen kann, weil auch Nachzügler wegen Corona nun die Notwendigkeit sehen, ihre Infrastruktur zu modernisieren. Zumindest in den ersten drei Monaten dieses Jahres ging die Hoffnung auf: So konnte SAP seine Clouderlöse gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent auf zwei Milliarden Euro steigern; der gesamte Cloud Backlog – also die zu einem gegebenen Zeitpunkt vertraglich zugesicherten Clouderlöse für die kommenden zwölf Monate – stiegen um 25 Prozent auf knapp 6,7 Milliarden Euro.

Die guten Zahlen können jedoch nur schwer von Morgans Abgang ablenken. Schließlich ist es die zweite Umstrukturierung auf der Führungsetage innerhalb eines halben Jahres. Schon im Oktober hatte SAP die Öffentlichkeit verblüfft, als der langjährige Vorstandschef Bill McDermott nach zehn Jahren an der Spitze plötzlich zurücktrat und von Aufsichtsratschef und SAP-Urgestein Hasso Plattner mit warmen Worten verabschiedet wurde. McDermott und Plattner, so hieß es, hätten den „Generationswechsel“ schon im Herbst 2018 geplant und mit „verjüngtem Führungsteam die Weichen für die Zukunft gestellt.“ Es lag wohl auch daran, wie es von SAP-Kennern hieß, dass McDermott und Plattner einander müde geworden waren. Und McDermott die politischen Flügelkämpfe innerhalb der von ihm selbst aufgebauten Organisation selbst leid war.

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Eigentlich sollte er dem neuen Führungsduo noch bis Ende 2019 beim Übergang „beratend zur Seite stehen“. Stattdessen wechselte er nur ein paar Wochen später zum Silicon Valley Cloud-Unternehmenssoftwareanbieter ServiceNow, um seinen zum Sportartikelkonzern Nike wechselnden Vorgänger John Donahoe zu beerben. ServiceNow gilt als neue Software-Rakete des Silicon Valley, das in Stratosphären wie Salesforce vordringen kann. Vor allem ist es ein Unternehmen, das sich im Gegensatz zum Tanker SAP noch formen lässt.

Schon mit McDermotts raschem Wechsel zu einem Konkurrenten hatte SAP an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Nun ist diese nochmals erschüttert worden. Denn die Berufung einer Frau an die Spitze eines der einflussreichsten Softwarekonzerne der Welt galt als Statement. Und Morgans Nationalität als Garant, um die seit Jahren gepflegte Rivalität zwischen deutschem und amerikanischem Management zu befrieden.

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