Datenskandal Facebook kappt Verbindungen mit externen Apps

FAcebook App Quelle: dpa

Das Datingportal Tinder leidet darunter, dass Facebook seine Verbindungen mit externen Apps kappt. Die Maßnahme bereitet vielen Anbietern Probleme.

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Für viele Entwickler ist die Funktion genauso komfortabel wie für die Nutzer: Ein Login bei Facebook – und schon ist man auch mit anderen Apps wie Tinder oder Tripadvisor verbunden.

Die Anbieter ersparen den mehr als zwei Milliarden Facebook-Nutzern eine separate Registrierung. Gleichzeitig erhalten sie Zugriff auf den Datenschatz des weltweit größten sozialen Netzwerks.

Doch damit ist nun erst mal Schluss. Facebook hat den Zugang für externe Anbieter abgeriegelt. „Es ist wie bei einem U-Boot, das Leck geschlagen hat: Die Besatzung macht alle Schotten dicht und schaut nach und nach, welche Luken sie wieder öffnet“, sagt Thomas Hutter, Inhaber eines Beratungsunternehmens, das auf Facebook-Marketing spezialisiert ist.

Die Märkte sind angeschlagen. Mochte man bis zum Durchbrechen der 200-Tages-Linie an der Wall Street am letzten Montag noch von einer Korrektur sprechen, so dürfte nun klar sein, dass uns Schlimmeres bevorsteht.
von Daniel Stelter

Doch auch Hutter muss zunächst passen bei der Frage, welche Apps so alles von den neuen Facebook-Vorgaben betroffen sind. Dann schiebt er nach: „Grundsätzlich wird jede App, die einen Login via Facebook anbietet und entsprechende Daten nutzt, nun beschränkt.“

Damit ist klar: Probleme, wie sie zunächst von Tinder bekannt geworden sind, dürften Zigtausende weitere Anbieter betreffen. Tinder-Nutzer berichteten am Donnerstag, dass sie nicht mehr auf die Datingplattform zugreifen können.

Es ist das Ergebnis einer radikalen Maßnahme: Facebook hat Apps viele Zugriffsrechte einfach von jetzt auf gleich entzogen – und damit nicht nur den Datenstrom zu Tinder gekappt.

„Das ist eins zu eins den Lehren aus der Affäre um Cambridge Analytica geschuldet“, sagt Hutter. Facebook musste einräumen, dass die britische Analysefirma Daten von rund 87 Millionen Nutzern zu Wahlkampfzwecken missbrauchte. Ein App-Entwickler hatte Cambridge Analytica geholfen, an die Daten zu kommen. Dies gelang mithilfe eines Persönlichkeitstests. Die dazugehörige Umfrage machte zwar nur ein Bruchteil der betroffenen Nutzer mit. Doch die App konnte auch auf die Freundeslisten jedes Teilnehmers zugreifen, weil Facebook die entsprechenden Rechte einräumte.

Erstmals ist bei Facebook die Rede von konkreten Zahlen, wie viele Nutzer Opfer des Datenskandals um Cambridge Analytica wurden. Es könnten bis zu 87 Millionen sein.

So ist zu erklären, dass in Deutschland nach Facebook-Angaben bis zu 310.000 Nutzer Opfer des Datenklaus geworden sein könnten, obwohl nur 65 Nutzer an der Umfrage teilgenommen haben sollen. Hutter: „Grundsätzlich hatte bislang jede App das Potenzial, sich Freundeslisten oder andere Daten, die Facebook über Schnittstellen freigegeben hat, zu greifen.“

Schnittstellen sind Teil des Geschäftsmodells

Solche Schnittstellen gibt es für verschiedenste Funktionen bei Facebook. Für viele Anbieter sind sie ein wesentlicher Teil oder sogar Grundlage des Geschäftsmodells. Anbieter von Spielen wie Candy Crush Saga setzen darauf, dass Nutzer andere Freunde einladen, die bislang nicht gespielt haben. „Das ist in der aktuellen Stop-Phase nicht mehr möglich“, sagt Hutter.

Unternehmen und Organisationen lassen ihre Facebook-Seiten nicht selten von Dienstleistern verwalten. Eine ganze Branche hat sich darauf spezialisiert. „Viele haben eigene Social-Media-Tools entwickelt, um über die Seiten ihrer Kunden Beiträge zu veröffentlichen, Diskussionen zu moderieren, Statistiken zu erheben.“ Facebook berichtet von Änderungen auch an diesen Schnittstellen.

Ein Problem für viele Dienstleister. Hutter nennt Facelift als Beispiel. Die Hamburger Firma wirbt mit einer „Software-Lösung mit allen Komponenten für professionelles Social Media Marketing“ um Kunden. 1200 habe sie bereits im Portfolio. Auf Anfrage bestätigt Facelift, dass Facebook den Datenaustausch mit Gruppen vorerst deaktiviert habe, „die wir aber mit unserer Software nicht nutzen“. Für andere Funktionen wie die Verwaltung von Seiten habe Facebook „bereits seit langem Freigabe-Prozesse etabliert“. Mit denen sei man „bestens vertraut“. In der Hamburger Firmenzentrale stört man sich vielmehr an der „Verwirrung, die gerade herrscht“.

Facebooks Prüfungen dürften Wochen dauern

Man werde, so hat Facebook es am Mittwoch jedenfalls angekündigt, nun jede Zugriffsberechtigung einzeln prüfen. „Das wird Wochen dauern“, sagt Hutter – und dürfte vor allem für viele kleine Anbieter, die nicht in so engem Kontakt mit Facebook stehen wie Facelift, Probleme mit sich bringen. In dringlichen Fällen könnten Unternehmen mithilfe eines Formulars einen Eilantrag stellen, sagt Hutter. „Dann könnte der Zugriff in einigen Tagen wieder freigeschaltet sein.“

Das gigantische Leck, das die Cambridge-Analytica-Affäre ermöglichte, ist vorerst gestopft, doch mit weitreichenden Folgen für viele redliche Internet-Unternehmer. Hutter mag indes nicht glauben, dass es das einzige Leck ist. „Wer bei der riesigen Anzahl an Apps meint, das sei ein Einzelfall gewesen, ist blauäugig.“

Der Schweizer Marketing-Experte sieht im aktuellen Vorgehen einen Wendepunkt. „Facebook wird zukünftig viel genauer prüfen, ob eine App diese oder jene Rechte wirklich benötigt“, sagt Hutter. „Das Aussieben der schwarzen Schafe hat gerade begonnen.“

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