Datenskandal Nutzer wollen Facebook verlassen – doch Alternativen gibt es kaum

Unter dem Hashtag #deleteFacebook machen Nutzer ihrem Ärger über den Datenskandal Luft. Doch Ausweichalternativen gibt es kaum. Ein Überblick.

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Facebook-Datenskandal: Wohin Facebook-Nutzer ausweichen könnten Quelle: dpa

Der Datenskandal um Facebook um die Weitergabe von Daten an die Datenanlyse-Firma Cambridge Analytica geht weiter. Zuletzt entschuldigte sich der CEO des sozialen Netzwerks, Mark Zuckerberg, öffentlich bei seinen Nutzern: „Es ist unsere Verantwortung, eure Daten zu schützen“, schrieb er an die Facebook-Gemeinschaft. „Und wenn wir dazu nicht in der Lage sind, dann haben wir es nicht verdient, euch zu dienen.“

Das sehen die Nutzer ähnlich und machen unter dem Hashtag #deleteFacebook ihrem Ärger Luft. Zwar dürfte nur ein kleiner Anteil der über 2,1 Milliarden Nutzer das Netzwerk tatsächlich verlassen.

Dennoch diskutieren die Empörten im Netz die Alternativen zu Zuckerbergs Firma. So versprechen sozialen Netzwerke wie Vero, Raftr und Diaspora einen sorgfältigeren Umgang mit den Nutzerdaten. Doch welche Optionen haben Nutzer, wenn sie Facebook den Rücken kehren wollen? Und: Ist es überhaupt sinnvoll, Facebook zu verlassen?

Zunächst einmal: Wer seinen Facebook-Account löschen möchte, kann nicht damit rechnen, dass mit der Löschung seine Daten tatsächlich restlos verschwinden. „Nach den uns vorliegenden Informationen ist die Löschung eines Facebook-Accounts tatsächlich nicht so einfach“, sagt Daniel Strunk, Sprecher des Datenschutzbeauftragten Nordrhein-Westfalens.

So räume Facebook selbst ein, dass es bis zu 90 Tage dauern kann, bis tatsächlich alle Daten gelöscht werden. „Allerdings bleiben aber auch danach zum Beispiel Chatnachrichten erhalten“, so Strunk.

Allerdings können Nutzer auch die unverzügliche Löschung der Daten im Sinne von Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung verlangen. „Das ist etwa dann der Fall, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind“, so Strunk.

Wenn das eigene Profil erstmal gelöscht ist, stellt sich die Frage nach weiteren Optionen. Inzwischen gibt es im Netz einige Plattformen, die sich als eine Alternative zu Facebook anpreisen. Doch Vorsicht: Auch hier lauern Datenfallen: „Grundsätzlich liegt die Annahme nahe, dass bei kostenlosen oder werbefreien Angeboten die Userinnen und User mit ihren eigenen Daten bezahlen“, erklärt Strunk.

1) Vero
Ganz vorne mit dabei bei den Facebook-Boykott-Anhängern ist Vero. Der Name bedeutet „Wahrheit“ und genau so vermarktet sich die App: als eine Plattform, die die Interessen ihrer Nutzer in den Vordergrund stellt. Dazu gehört auch, dass es – anders als bei Facebook – keine Werbung bei Vero geben soll und somit auch keinen Handel mit Nutzerdaten, um Werbekunden Gelder zu entlocken – theoretisch. Wie sich die Plattform finanziert, ist unterdessen noch nicht ganz klar.

Im Moment sieht es so aus, als würde die erste Million registrierter Nutzer einen kostenlosen Zugang zu Vero bekommen. Wer sich danach registrieren lässt, muss wohl eine Gebühr bezahlen. Im Moment würde noch ausgehandelt, wie hoch die Gebühren werden, heißt es auf der Vero-Seite. Nutzer sollen demnächst über die Gebühren Informiert werden. Im Moment hat die App etwa drei Millionen Nutzer.

Ansonsten erinnert die App an eine Kreuzung von Facebook und Instagram. Man kann Fotos, Videos, Musik und Buchempfehlungen mit anderen Nutzern teilen. Daneben können Nutzer ihre Kontakte in Gruppen aus Bekannten, Freunden und engen Freunden teilen und bei jedem Beitrag bestimmen, welche der Gruppen den jeweiligen Inhalt sehen soll.

Deutsche Datenschützer scheinen die Vero-Versprechen nicht ganz ernst zu nehmen. Auf dem Jugendportal des Datenschutzbeauftragten des Bundes, youngdata.de, wird explizit vor der App gewarnt. Als Minuspunkte nennen die Datenschützer, dass man bei der Registrierung seine Telefonnummer angeben muss und dass nicht ganz klar sei, wie die Daten gespeichert würden.

Auch halte es sich das Unternehmen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, Daten an Dritte weiterzugeben und Daten wie zum Beispiel Cookies auch für Werbezwecke auszuwerten. Fazit: Eine sichere Facebook-Alternative sieht wohl anders aus.

2) nebenan.de
Eine weitere Alternative zu Facebook: Netzwerke, die auf die lokalen Bande der Nutzer setzen. Das mitunter bekannteste Lokalnetzwerk in Deutschland ist nebenan.de. Rund 800.000 Nutzer hat die Plattform mittlerweile. Anders als bei Facebook sollen hier Nutzer unmittelbar mit jenen Leuten kommunizieren, die in ihrer Nachbarschaft wohnen. Sie können Güter miteinander tauschen, Gruppen beitreten und Veranstaltungen erstellen.

Doch auch hier werden die Daten der Nutzer verwertet – wenn auch intern, wie das Portal betont. „Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen dürfen wir für Zwecke der Werbung, zur Marktforschung und zur Verbesserung unserer Dienste Nutzungsprofile unter einem Pseudonym auswerten, jedoch nur soweit du nicht von deinem gesetzlichen Recht Gebrauch gemacht hast, dieser Nutzung zu widersprechen“, heißt es in der Datenschutzerklärung des Portals.

Auch benutzt die Webseite so genannte Facebook-Pixel. Diese werden dafür verwendet, um eine Verbindung zwischen dem Browser des nebenan-Nutzers und Facebook-Servern herzustellen. Facebook wiederum sendet nebenan.de „statistische und anonyme Daten“ über die Nutzung der Seite zu. Das geschieht, um die Werbeanzeigen, die nebenan.de auf Facebook schaltet, zu optimieren. So werden anonym Informationen an Facebook gesendet, ob sich der Nutzer nach dem Klicken auf die Facebook-Anzeige bei nebenan.de registriert hat.

„Hier ist eher der Datenschutz von Facebook zu rügen, denn FB liefert durch den Pixel an uns Informationen darüber, was für Personen welches Alters mit welchem Interesse auf unsere Werbeanzeigen bei FB geklickt haben“, kommentiert Mitbegründerin des Portals Ina Brunk. Bei nebenan.de würden nach dem Login bei der Plattform keine Nutzerdaten mit Facebook geteilt, so Brunk: „Wir laden aus Datenschutzgründen keine Nutzerlisten auf Facebook, um damit weitere Zielgruppen aufzubauen“.

3) Raftr
Raftr ist – ähnlich wie Vero – ein ziemlich junges soziales Netzwerk. Erst im Januar vergangenen Jahres ging es an den Start. Die Idee: Nutzer sollen kleinen Gemeinschaften („Rafts“), die sie selbst erschaffen, folgen und das, was in ihrem Leben passiert, mit diesen Gemeinschaften teilen.

Im Moment wird die App vor allem unter US-College-Studenten genutzt. Allerdings dürfte auch dieser kleine Kreis für die Nutzung der App mit seinen Daten bezahlen. Zwar sichern die Raftr-Betreiber in ihrer Datenschutz-Erklärung zu, personalisierte Nutzerdaten grundsätzlich nicht an Dritte weiterzugeben.

Zugleich räumen sie allerdings die Möglichkeit ein, Daten anonymisiert weitergeben zu können.

4) Diaspora
Mehr Hoffnung bietet dagegen Diaspora. Das soziale Netzwerk wurde 2010 von New Yorker Studenten gegründet und hat eine Besonderheit, die auch Kryptowährungen haben: Es ist dezentral. Die einzelnen Nutzer werden mittels eines Peer-to-Peer-Netzwerks verbunden; ihre Daten werden immer auf dem eigenen Rechner gespeichert. Somit können die Nutzer hier – anders als bei Facebook – ihre Datenweitergabe selbst steuern. Diaspora hat keinen Zugriff auf die Daten.

Das Problem mit Diaspora beschreibt ein Nutzer: „Hier ist absolut niemand“, schreibt der Blogger unter dem Pseudonym „Phyks“ in einem Eintrag mit dem Titel „Warum ich mich bei Diaspora abmelde“. Wer Diaspora nutze, müsse damit leben, Facebook für die Mehrheit seiner Freunde zu nutzen und Diaspora für die technisch versierten. Auch sei die Bedienung schwierig und verleite nicht unbedingt dazu, Inhalte zu teilen.

Fazit: Auch wenn die Empörung momentan groß ist, gibt es bis jetzt keine Alternative im Netz, die es Nutzern erlaubt miteinander zu kommunizieren, ohne größere Verletzungen der Selbstbestimmung über ihre Daten zu riskieren.

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