
Jährlich greifen die deutschen Zollbehörden Millionen von Produktfälschungen auf. Die aktuelle Statistik zeigt im Jahr 2014 fast 6 Millionen Aufgriffe gefälschter Artikel mit einem geschätzten Gesamtwert von über 137 Millionen Euro. Die von der Europäischen Kommission veröffentlichten Statistiken zeichnen ein ähnliches Bild. In der Europäischen Union wurden im selben Jahr etwa 35 Millionen Artikel mit einem Originalwert von 617 Millionen Euro aufgegriffen. Der tatsächliche wirtschaftliche Schaden dürfte aufgrund der hohen Dunkelziffer noch weit höher sein.
Die Fälschungen stammen überwiegend aus dem asiatischen Raum, mehrheitlich aus China, wobei die Plagiate vorwiegend auf dem Luft- und Seeweg nach Deutschland und in die Europäische Union gelangen. Gefälscht wird alles, sodass kein Industriezweig von Produkt- und Markenpiraterie verschont bleibt. Neben Fälschungen von Kleidung, Handtaschen, Parfums und Uhren bekannter Luxushersteller sowie Tabakwaren kopieren professionelle Fälscherbanden auch Smartphones, Medikamente sowie Fahrzeug- und Flugzeugteile oder Ersatzteile und Komponenten für den Maschinen- und Anlagenbau.
Zur Person
Markus Hecht ist Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Geistiges Eigentum bei Baker & McKenzie, Frankfurt am Main.
Von prominenten Fälschungsfällen hatte die WirtschaftsWoche immer wieder berichtet. So sind etwa jüngst der Automobilhersteller Daimler (WirtschaftsWoche 36/2014), das Pharmaunternehmen Pfizer (WirtschaftsWoche 45/2014) oder der Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren ebm Papst (WirtschaftsWoche 14/2015) Opfer von Fälschungen geworden. Betroffen waren zudem der Möbelkonzern Ikea, die US-Investmentbank Goldman Sachs oder die deutsche Drogeriekette dm (WirtschaftsWoche 38/2015). Ein Irrtum wäre es anzunehmen, dass Plagiate lediglich in dubiosen Internetshops oder auf Hinterhöfen verkauft werden.
Eindrücklich zeigt sich dies etwa daran, dass unlängst in deutschen Apotheken aus Rumänien stammende Fälschungen des teuren Krebsmedikaments Sutent aufgetaucht sind (dazu WirtschaftsWoche 45/2014). Gerade aufwändige Fälschungen lassen sich von einem Laien kaum von der Originalware unterscheiden, bergen aber häufig erhebliche Sicherheitsrisiken.
Forum IT-Sicherheit
Der Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag hat auch dem letzten Vorstand die Augen geöffnet. Kein Unternehmen ist gefeit vor Cyberangriffen. Jede noch so kleine Sicherheitslücke in den IT-Systemen kann zum Einfallstor für Spionage- oder Sabotageattacken werden und Schäden in Millionenhöhe verursachen. Die Verunsicherung in den Unternehmen ist jedenfalls groß. Sind die Sicherheitsvorkehrungen wirklich auf dem allerneusten Stand, um die Kronjuwelen des Unternehmens zu schützen? Kennen die Mitarbeiter alle Indizien, die auf einen Angriff hindeuten? Wie lange brauchen die Alarmsysteme, um einen Angriff zu erkennen? Es gibt viele Fragen, aber nur wenige Experten, die fundierte Antworten liefern können. Zusammen mit Bernd-Oliver Bühler, geschäftsführender Gesellschafter der Janus Consulting und Spezialist für IT-Sicherheit, hat die WirtschaftsWoche die Sicherheitsverantwortlichen in deutschen Unternehmen gebeten, aus ihrer Sicht die größten Probleme und mögliche Lösungen vorzustellen.
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Die unmittelbarste Folge von Produkt- und Markenpiraterie stellen Umsatzeinbrüche beim Originalhersteller dar. Im Falle gefälschter Luxusprodukte wird zudem langfristig die Exklusivität der Marke zerstört. Das teure Originalprodukt verkommt durch zahlreiche am Markt erhältliche Plagiate zu einem omnipräsenten Alltagsgegenstand, wodurch die Marke ihr luxuriöses Image und damit massiv an Wert verliert.
Weit problematischer ist es jedoch, wenn die Plagiate das Leben und die Gesundheit der Verbraucher gefährden, etwa weil gefälschte Medikamente nicht wirken oder unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen, in gefälschten Smartphones verbaute Mobilfunkakkus explodieren oder mangelhafte Fahrzeug- und Flugzeugteile Passagiere in Lebensgefahr bringen. Hieraus können sich nicht nur wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Risiken für die Originalhersteller ergeben. Denn nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz haftet der Hersteller, ersatzweise der Lieferant, wenn durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet bzw. verletzt oder eine Sache beschädigt wird.
Produktpiraterie im Maschinen- und Anlagebau
China: 72 %
Deutschland: 23 %
Türkei: 20 %
Indien: 19 %
Italien: 15 %
Taiwan: 10 %
Quelle: VDMA
2006: 5 Milliarden Euro
2007: 7 Milliarden Euro
2009: 6,4 Milliarden Euro
2011: 7,9 Milliarden Euro
2013: 7,9 Milliarden Euro
Quelle: VDMA
Komponenten: 64 %
Design: 56 %
Komplette Maschinen: 51 %
Ersatzteile: 44 %
Kataloge, Broschüren: 35 %
Bedienungsanleitungen: 16 %
Verpackungen: 12 %
Quelle: VDMA
Zwar ist der Originalhersteller nicht der Hersteller des Plagiats und es ist Aufgabe des Klägers zu beweisen, dass das gerichtlich in Anspruch genommene Unternehmen Hersteller des schadensstiftenden Plagiats ist. Gerade aber bei aufwändigen Fälschungen spricht zunächst einmal der Anscheinsbeweis gegen den Originalhersteller, der ja auf dem Plagiat als Hersteller angegeben ist.
Diesen Anscheinsbeweis zu entkräften kann sich mitunter als sehr schwierig erweisen. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht ausreichend ist in jedem Fall die bloße Behauptung, es könne sich auch um ein Plagiat handeln. Vielmehr muss der Originalhersteller durch entsprechend dokumentierte Identifikationsmerkmale nachweisen, dass es sich bei dem schadhaften Produkt nicht um eines seiner Produkte, sondern um eine Fälschung handelt. Entsprechend ist es unentbehrlich, bereits bei der Produktentwicklung darauf zu achten, fälschungssichere Identifikationsmerkmale in die Produkte einzubauen, um so die Risiken eines möglichen Gerichtsverfahrens zu minimieren. Das Haftungsrisiko trifft im Übrigen nicht nur den Hersteller des Endprodukts, sondern auch dessen Zulieferer, etwa wenn ein Flugzeug aufgrund eines fehlerhaften Bauteils verunglückt.