Was Höttges’ Führungsstil ausmacht, lässt sich vor allem bei der Zusammensetzung des Vorstandsteams ablesen: Bis auf den Wechsel im Personalressort arbeitet Höttges noch mit der gleichen Mannschaft zusammen wie sein Vorgänger Obermann. Selbst der neue Personalchef Christian Illek gehörte vor seinem Intermezzo als Deutschlandchef von Microsoft, zum engsten Vertrautenkreis von Höttges, als der noch Deutschlandchef der Telekom war. „Wir sind auf dem Weg zu einem ganz normalen Unternehmen“, sagt ein Manager aus der zweiten Führungsebene, der schon viele Höhen und Tiefen bei der Telekom erlebt hat. Und meint das wohlwollend. In der von Höttges verordneten Ruhe an der Personalfront lässt sich offenbar besser arbeiten.
Positiver Nebeneffekt dieser neuen Kontinuität: Die Telekom kommt nun ohne Datenskandale, Führungskrisen, Strategiewechsel und Gewinnwarnungen aus. Dazu gehört auch, dass Höttges eine Stellschraube aus der Zeit seines Vorgängers Obermann neu justiert hat: Er hat sich von der Idee verabschiedet, den Telekom-Mitarbeitern einen Pioniergeist einzuhauchen wie bei den Webriesen im kalifornischen Silicon Valley.
So innovativ ist die ehemalige Bundesbehörde nun mal nicht, hat Höttges erkannt: „Das gehört nicht zur DNA der Deutschen Telekom.“ Stattdessen arbeitet die Telekom jetzt stärker mit den „besten Technologieanbietern“ der Welt zusammen, um mit ihnen gemeinsam Lösungen, Produkte und Plattformen zu kreiern. Mehrere Dutzend Partnerschaften gibt es bereits – darunter etwa mit den Netzwerkausrüstern Cisco und Huawei und dem Streamingdienst Spotify. Bis 2018 soll daraus ein Riesenzoo mit über 500 verschiedenen Technologie- und Branchenpartnern entstehen. So, das hofft Höttges, bleiben die Bonner auf Augenhöhe mit den großen der Techwelt.
Mit freundlicher Unterstützung der Politik
Zur Wahrheit aber gehört auch: Neben Entschlusskraft und Glück profitiert Höttges von der politischen Großwetterlage, die eng mit dem Spannungsverhältnis aus Frosch- und Vogelperspektive zusammenhängt. Ohne Wohlwollen der Politik wäre das Comeback des Staatskonzerns kaum denkbar.
Lange Zeit, vor allem um die Jahrtausendwende, gab es zwischen allen Parteien im Bundestag einen Konsens: Möglichst intensiver Wettbewerb sei der beste Motor für Wachstum in der Telekombranche. Das war die Zeit, als in Deutschland Wettbewerber wie Arcor, später Vodafone, oder 1&1 für die Telekom entstanden und für deutsche Telefon- und Internetkunden die Preise sanken. Inzwischen schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung. Auch wenn die Bundesregierung das nicht offiziell zugibt: Weit oben auf der digitalen Agenda steht, aus der Telekom einen starken nationalen Champion zu machen.
Die Internet-Anschlüsse der deutschen Haushalte
...besitzen einen Internet-Anschluss von 50 Megabit pro Sekunde und mehr.
Stand: Sommer 2014; Quelle: TÜV Rheinland
...besitzen einen Internet-Anschluss von 30 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 16 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 6 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 2 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 1 Megabit pro Sekunde und mehr.
Das Ziel von Höttges ist praktischerweise also identisch mit dem Ziel der Bundesregierung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) kämpfen seit den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Agenten Edward Snowden für eine stärkere „digitale Souveränität“ Deutschlands und wollen die Abhängigkeit von den Datenkraken in den USA schrittweise reduzieren. Die neben SAP letzte Digitalbastion in Deutschland, die Telekom, darf deshalb nicht in ausländische Hände fallen. Im Gegenteil: Sie muss wertvoller werden, damit sie bei einer möglichen Übernahmewelle nicht von amerikanischen Telekomgiganten wie AT&T oder América Móvil geschluckt wird.
Das Zehn-Punkte-Programm der Telekom zur Cyber-Sicherheit
Die Erkenntnisse, die Edward Snowden zur Verfügung gestellt hat, müssen vollständig offengelegt und zugänglich gemacht werden. Nur so können mögliche Schwachstellen im Netz identifiziert und unverzüglich geschlossen werden.
Innerhalb der EU sollten die Mitgliedsländer auf gegenseitiges Ausspionieren des Telekommunikations- und Internetverkehrs verzichten. Auch mit den USA sollte weiterhin ein Abkommen über einen Spionage-Verzicht angestrebt werden.
Sicherheitsbehörden sollten transparent machen, welche Informationen sie über Telekommunikations- und Internetnutzer abfragen. Dazu gehören Anzahl und Art der erfolgten Anfragen und Auskünfte sowie der überwachten Anschlüsse.
Unternehmen müssen Transparenz über Sicherheitsstandards und erfolgte Angriffe schaffen. Nur durch gegenseitige Ergänzung wird ein möglichst umfassender Schutz vor Cyberangriffen erreicht. Die Telekom hat ihre technischen Sicherheitsstandards unter www.telekom.com/sicherheit veröffentlicht und macht Cyberangriffe unter www.sicherheitstacho.eu transparent.
Forschung und Bildung zu Cybersicherheitsthemen müssen verstärkt werden. Die Telekom richtet einen Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit an der Hochschule für Telekommunikation in Leipzig ein. Mit der Plattform Teachtoday.de stellt die Telekom zudem Unterrichtsmaterialien für Schulen zum Themenkomplex Sicherheit und Datenschutz bereit.
Analytik und Forensik zur Netzsicherheit müssen verstärkt werden. Dafür sollten die Cyber Emergency Response Teams (CERT) in den Unternehmen ausgebaut und enger verzahnt werden. Neben der Verstärkung ihres Teams fördert die Telekom die Ausbildung von Spezialisten: Gemeinsam mit der IHK Köln wurde 2014 ein neues Qualifikationsprogramm „Cyber Security Professional“ geschaffen. Die Telekom wird in den nächsten Jahren mehrere hundert Mitarbeiter zu IT-Sicherheitsexperten weiterqualifizieren.
Perspektivisch sollten die Inhalte auf dem Übertragungsweg Ende zu Ende verschlüsselt werden. Hier sind Hersteller, Netzbetreiber und Diensteanbieter gleichermaßen gefordert, einfache Lösungen für Kunden zu entwickeln. Die Telekom setzt sich bei den Standardisierungsgremien für einheitliche Verschlüsselungstechniken ein.
Netzbetreiber dürfen sich nicht von einzelnen Herstellern kritischer Infrastrukturkomponenten abhängig machen. Die Telekom führt für diese Elemente eine so genannte georedundante Dual-Vendor-Strategie ein. Bei kritischen Komponenten setzt die Telekom Produkte von mindestens zwei Herstellern aus unterschiedlichen geographischen Regionen ein.
Hersteller von Hard- und Software müssen genauso wie Netz- und Diensteanbieter bekannte Schwachstellen unverzüglich beseitigen. Die Telekom wird ihre Zulieferer dazu verpflichten. Bei besonders kritischen Komponenten sollte die Sicherheit der Produkte durch eine unabhängige Prüfstelle nachgewiesen werden. Das IT-Sicherheitsgesetz sowie die entsprechende Richtlinie der EU sollten das aufgreifen.
Daten dürfen beim Transport durch das Internet keine Umwege durch andere Rechtsräume nehmen. Im Telekom-Netz ist das Internet der kurzen Wege bereits realisiert. Diesen Ansatz will die Telekom mit einer Selbstverpflichtung aller Internetprovider weiter vorantreiben. Damit würde ein unberechtigter Zugriff auf die in Europa transportierten Daten von außerhalb deutlich erschwert.
Frühere Bundesregierungen beherzigten die Leitidee des ehemaligen Bundespostministers Christian Schwarz-Schilling: „Ein Elefant muss gepiekst werden, damit er sich bewegt.“ Die große Koalition orientiert sich an einer anderen Maxime: „Elefanten brauchen eine Schutzzone, damit sie nicht aussterben.“