




Auf dem ersten Blick läuft die Hauptversammlung der Deutschen Telekom wie im vergangenen Jahr. Knapp 2000 Aktionäre sind die Kölner LanxessArena gekommen, um mit Telekom-Chef Tim Höttges das Erreichen der wichtigsten Geschäftsziele zu feiern. Bei allen wichtigen Kennziffern - Börsenwert, Umsatz und operativem Gewinn - weist die Telekom ein dickes Plus aus. Und deshalb halten sich auch die großen Aktionärsvereinigungen mit Kritik zurück. Alles super, könnte man meinen. Doch ganz so toll ist es dann doch nicht.
Ein Redner schließt sich diesen Lobeshymnen nicht an. Der Mann heißt Thomas Lohninger, ist Netzaktivist in Wien und einer der Kämpfer für digitale Rechte in Europa. Zum ersten Mal ist der Executive Director der Nicht-Regierungsorganisation epicenter.works zur Hauptversammlung der Telekom gekommen. Und das hat einen einfachen Grund: Lohninger will ein Plädoyer für die Netzneutralität im mobilen Internet abgeben. Denn die ist seiner Meinung nach akut gefährdet.
Anfang des Monats hat die Telekom einen neuen Mobilfunktarif mit dem Namen StreamOn eingeführt. Der Vorteil: Wer diesen Tarif wählt, kann unbegrenzt Musik hören und Videos schauen, verspricht die Telekom. Der Nachteil: Der Hör- und Videogenuss ohne Limit gilt nur für speziell ausgewählte Partner wie Apple Music, Amazon Music, ARD, ZDF oder Netflix. Denn nur bei diesen privilegierten Apps wird der Datenverbrauch nicht auf das gekaufte Datenvolumen angerechnet. "Die Kunden lieben das", ruft Höttges den Aktionären zu. "In nur drei Wochen haben sich 150.000 Kunden den Tarif besorgt." Der Tarif könnte also dafür sorgen, dass die Telekom in diesem Jahr Umsätze und Marktanteile in Deutschland dazu gewinnt.
Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt
Im vergangenen Jahr wurden rund 1,5 Milliarden Smartphones verkauft. Das war ein Wachstum von zwei bis fünf Prozent im Vergleich zu 2015 - die Berechnungen einzelner IT-Marktforscher weichen etwas voneinander ab.
Noch im Jahr davor war der Absatz um mehr als zehn Prozent gewachsen. Als zentrale Auslöser für die Abkühlung gelten die wirtschaftlichen Turbulenzen im größten Smartphone-Markt China sowie anderen Ländern wie Russland.
Samsung blieb auf das gesamte Jahr gerechnet der größte Smartphone-Anbieter mit einem Marktanteil von gut 20 Prozent, Apple ist die Nummer zwei mit knapp 15 Prozent.
Im Weihnachtsgeschäft wurden die Apple-Verkäufe aber vom iPhone 7 beflügelt und bei Samsung schlug das Batterie-Debakel beim Galaxy Note 7 auf den Absatz. Im Ergebnis schob sich Apple in dem Quartal mit 78,3 Millionen verkauften iPhones knapp an Samsung vorbei.
Anbieter aus China haben sich - vor allem dank der Größe des heimischen Marktes - weltweit in die Spitzengruppe vor. Die drei Hersteller Huawei, Oppo und BBK schließen nach Samsung und Apple die globale Top 5 ab und kamen zusammen auf gut 20 Prozent Marktanteil.
Bei den Smartphone-Betriebssystemen dominiert Googles Android-Software mit einem Marktanteil über 80 Prozent. Den Rest füllt weitgehend das iOS von Apples iPhones aus. Andere Betriebssysteme wie Windows Phone oder Blackberry OS sind inzwischen praktisch bei Null angekommen. Dabei wurde mit ihnen einst die Hoffnungen verbunden, dass sie zur starken Nummer drei im Markt werden könnten.
Im vergangenen Jahr gab es nach Berechnungen von Experten weltweit rund 7,4 Milliarden Mobilfunk-Anschlüsse. Zum Jahr 2020 dürfte ihre Zahl auf knapp 8,4 Milliarden ansteigen, prognostiziert der IT-Marktforscher Gartner.
Wie ein einsamer Rufer in der Wüste steht Lohninger nun vor den T-Aktionären und versucht in zehn Minuten zu erklären, warum dieser Wachstumsplan für die Telekom nicht aufgehen wird. Denn was sich auf dem ersten Blick so lukrativ anhört, ist seiner Ansicht nach nur der nächste Versuch, die Errungenschaften des offenen Internets durch einen Telekom-eigenen Hoheitsbereich mit einem sauber eingezäunten Garten einzuschränken. "StreamOn schränkt die Wahlfreiheit der Kunden und den freien Wettbewerb zwischen den Inhalteanbietern ein", kritisiert Lohninger. Denn das bei der Premiere des neuen Tarifmodells abgegebene Versprechen, dass alle Musik- und Videoanbieter diskriminierungsfrei mitmachen dürfen, lasse sich schon jetzt nicht mehr einhalten.
Lohninger hat sich die Geschäftsbedingungen genauer angeschaut: Schon bei der Anmeldung zu StreamOn verpflichtet sich ein Inhalteanbieter, mit der Telekom dauerhaft zusammenzuarbeiten, um den eigenen Dienst im Netz der Deutschen Telekom identifizierbar zu machen. Jede Änderung am eigenen Produkt muss er der Deutschen Telekom vier Wochen im Vorhinein bekannt gegeben werden. "Vier Wochen sind eine lange Zeit gemessen an den Innovationszyklen des Internets", sagt Lohninger. Sollte ein Streaming-Anbieter diese Bedingungen nicht einhalten, riskiert er entweder von SteamOn ausgeschlossen zu werden oder andererseits eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verankerte Vertragsstrafe.
"Wie viele Anbieter sind bereit dieses Risiko einzugehen?" Fragt Lohninger. Für kleine und mittelständische Unternehmer aus Deutschland könnte das Risiko zu hoch sein. Lohninger berichtet von dem Unternehmer Timo Hetzel, der seit vielen Jahren den erfolgreichen Podcast „Bits und So“ betreibt und sich entschieden hat, nicht bei StreamOn mitzumachen. Er will das unternehmerische Risiko einer Teilnahme an StreamOn nicht auf sich nehmen. Selbst größere Anbieter winken ab. Vimeo, der erfolgreichste Video-Streaming Anbieter in Deutschland nach YouTube, hat entschieden, nicht Teil von StreamOn zu sein. In einem offenen Brief an die Bundesnetzagentur erklärt das Unternehmen, dass sogar Vimeo mit seine 200 Mitarbeitern technisch und administrativ nicht in der Lage sind. den Teilnahmebedingungen von StreamOn zuzustimmen.
Lohninger befürchtet: "StreamOn verstößt gleich auf mehreren Ebenen gegen geltendes EU Recht." Die Deutsche Telekom habe in einen Dienst investiert, dessen rechtliche Zulässigkeit stark zu bezweifeln ist. Die Bundesnetzagentur hat die Ermittlungen aufgenommen und schaut sich den umstrittenen Tarif bereits an. "Anstatt Firmen in Verträge mit StreamOn zu zwingen, sollte die Telekom die Datenvolumen für StreamOn für alle Dienste zur Verfügung stellen."