Deutsche Telekom Spielen für die Demenzforschung

Die Deutsche Telekom hat mit der Alzheimer Research Organisation ein Spiel herausgebracht. Indem die Navigation von Demenzkranken und Gesunden verglichen wird, soll die Forschung gegen das Vergessen vorangebracht werden.

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Das Spiel für Tablet und Smartphone hat die Deutsche Telekom initiiert und mit weiteren Partnern entwickelt. Quelle: PR

Frankfurt Wer seinem Spieltrieb am Smartphone freien Lauf lassen und gleichzeitig einen gesellschaftlichen Beitrag leisten möchte, kann künftig als Pionier für die Demenzforschung im Spiel „Sea Hero Quest“ auf Entdeckungsreise gehen. Das Spiel für Tablet und Smartphone hat die Deutsche Telekom initiiert und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern entwickelt. Ziel ist, die Grundlagenforschung für die Volkskrankheit voranzubringen. Mit dabei sind die gemeinnützige Organisation Alzheimer’s Research, das University College London, die Universität von East Anglia sowie der Spieleentwickler Glitchers.

Demenz gilt als eine der größten medizinischen Herausforderungen. Daten der Globalen Alzheimer Vereinigung zufolge gibt es aktuell weltweit rund 50 Millionen Erkrankte. Im Jahr 2050 sollen es etwa 135 Millionen Menschen sein, drei Millionen davon in Deutschland. Demenz schränkt das Erinnerungsvermögen ein und führt häufig dazu, dass Betroffene die räumliche Orientierung verlieren. Alzheimer ist die häufigste Form der Demenzerkrankung.

Ein zentrales Problem der Demenzforschung ist, dass es zwar viele Daten – zum Beispiel über das Orientierungsvermögen – von Kranken gibt, aber kaum Vergleichsdaten von Gesunden. „Bisher gibt es nur wenige kontrollierte Laborexperimente, die Daten von Gesunden liefern“, sagt Stephan Brandt, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie, an der Charité Berlin. Die größte Studie dieser Art hatte 600 Beteiligte.

Das Spiel „Sea Hero Quest“ könnte daher in völlig neue Größenordnungen vorstoßen. Denn in jeder Spielsekunde werden anonyme Daten über das Navigationsverhalten und die räumliche Orientierung der Spieler gesammelt. So würden 100.000 Spieler in zwei Minuten Spielzeit Daten generieren, die sonst über 50 Jahre herkömmlicher Forschung auf diesem Gebiet beansprucht hätten. Das haben die Verantwortlichen des Projekts errechnet. „Mit dem Spiel können etwa Erkenntnisse gewonnen werden, welches Navigationsverhalten in welcher Altersgruppe normal ist“, sagt Medizinprofessor Brandt. Diese Erkenntnisse sollen dann später in die Diagnostik von Demenzerkrankungen einfließen.

Das Spiel ist kostenlos und kann in den App-Stores heruntergeladen werden. Die Daten werden gemäß deutschem Bundesdatenschutzgesetz in einem Rechenzentrum der T-Systems in Deutschland gespeichert. Der Spieler kann der Erhebung der Daten jederzeit durch Deaktivieren der Einverständniserklärung widersprechen.

„Sea Hero Quest zeigt beispielhaft, welche Möglichkeiten die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit sich bringt“, sagt Axel Wehmeier, Geschäftsführer von Telekom Healthcare Solutions. „Datenanalysen bringen neue Therapien und eine bessere Versorgung des Patienten. Trotzdem bereitet der Analyse-Gedanke vielen noch Unbehagen. Daher muss die Gesundheitsbranche digitale Verantwortung für die Patienten übernehmen, ihre Sorgen ernst nehmen, die Chancen der Digitalisierung dafür aber nicht verschenken.“

Die Deutsche Telekom will mit der Initiative „Game for Good“ nicht nur einen Beitrag für das Allgemeinwohl liefern. Das Projekt ist zugleich ein guter Ansatz, um zu zeigen, wie man für die Wissenschaft schneller und umfassender als je zuvor Daten sammeln kann. Denn die Gesundheitsbranche ist für die Deutsche Telekom ein wichtiger Zukunftsmarkt.


Auch Microsoft und Novartis forschen in diesem Bereich

Das gilt auch für den Technologie-Konzern Microsoft. Der hat seine 2010 lanciertes Spielesteuerung Kinect weiterentwickelt, um für den Pharmakonzern Novartis die Bewegungsveränderungen von Patienten mit Multipler Sklerose zu erkennen. So sollen unter anderem Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Medikamenten gezogen werden. Kinect ermöglicht es, Videospiele durch Bewegungen mit dem eigenen Körper zu steuern, statt mit einem Gamecontroller.

Ursprünglich kam Kinect als Steuerung für die Microsoft-Konsole XBox 360 auf den Markt. Für Novartis wurde die Software dahingehend weiterentwickelt, um die für Multiple Sklerose typischen Veränderungen im Bewegungsmuster zu erkennen. Das ist bei der Nervenerkrankung schwierig, da ihr Verlauf sehr unterschiedlich sein kann. In manchen Fällen schreitet die Krankheit schnell voran und führt zum Tod, bei anderen verläuft sie über Jahre und Jahrzehnte linear oder in Schüben.

Schon seit fünf Jahren forschen Microsoft und Novartis an dem Projekt, mit dem sie im Februar dieses Jahres zum Start des Praxistests an die Öffentlichkeit gingen. Perspektivisch wollen Novartis und Microsoft mit den Daten aus ihrem Projekt die klinische Forschung für Medikamente gegen Multiple Sklerose beschleunigen. Auch bei der Parkinson-Krankheit könnte eine solche Technik neue Erkenntnisse bringen.

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