Was macht ein Bundesligatrainer in der Halbzeitpause? Er spricht die Schwächen offen an, gibt dem Team den letzten Motivationskick und stellt bei Bedarf die Mannschaft auf der einen oder anderen Position um.
Timotheus Höttges scheint zur Halbzeit seiner ersten, auf fünf Jahre angelegten Amtszeit als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom genau das zu tun: Am 30. Juni, exakt an diesem Tag endet seine erste Halbzeit an der Telekom-Spitze, will Höttges den Konzernvorstand im großen Stil umbauen und um einen zusätzlichen Posten erweitern. Das erfuhr die WirtschaftsWoche aus Unternehmenskreisen.
Der Aufsichtsrat soll sich an diesem Tag intensiv mit der neuen Vorstandsstruktur beschäftigen und ein zusätzliches Ressort Technik, Informationstechnik (IT) und Innovation beschließen. Die Zahl der Vorstandsmitglieder wird Höttges von sieben auf acht erhöhen, andere Ressorts müssen Aufgaben abgeben.
Das Zehn-Punkte-Programm der Telekom zur Cyber-Sicherheit
Die Erkenntnisse, die Edward Snowden zur Verfügung gestellt hat, müssen vollständig offengelegt und zugänglich gemacht werden. Nur so können mögliche Schwachstellen im Netz identifiziert und unverzüglich geschlossen werden.
Innerhalb der EU sollten die Mitgliedsländer auf gegenseitiges Ausspionieren des Telekommunikations- und Internetverkehrs verzichten. Auch mit den USA sollte weiterhin ein Abkommen über einen Spionage-Verzicht angestrebt werden.
Sicherheitsbehörden sollten transparent machen, welche Informationen sie über Telekommunikations- und Internetnutzer abfragen. Dazu gehören Anzahl und Art der erfolgten Anfragen und Auskünfte sowie der überwachten Anschlüsse.
Unternehmen müssen Transparenz über Sicherheitsstandards und erfolgte Angriffe schaffen. Nur durch gegenseitige Ergänzung wird ein möglichst umfassender Schutz vor Cyberangriffen erreicht. Die Telekom hat ihre technischen Sicherheitsstandards unter www.telekom.com/sicherheit veröffentlicht und macht Cyberangriffe unter www.sicherheitstacho.eu transparent.
Forschung und Bildung zu Cybersicherheitsthemen müssen verstärkt werden. Die Telekom richtet einen Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit an der Hochschule für Telekommunikation in Leipzig ein. Mit der Plattform Teachtoday.de stellt die Telekom zudem Unterrichtsmaterialien für Schulen zum Themenkomplex Sicherheit und Datenschutz bereit.
Analytik und Forensik zur Netzsicherheit müssen verstärkt werden. Dafür sollten die Cyber Emergency Response Teams (CERT) in den Unternehmen ausgebaut und enger verzahnt werden. Neben der Verstärkung ihres Teams fördert die Telekom die Ausbildung von Spezialisten: Gemeinsam mit der IHK Köln wurde 2014 ein neues Qualifikationsprogramm „Cyber Security Professional“ geschaffen. Die Telekom wird in den nächsten Jahren mehrere hundert Mitarbeiter zu IT-Sicherheitsexperten weiterqualifizieren.
Perspektivisch sollten die Inhalte auf dem Übertragungsweg Ende zu Ende verschlüsselt werden. Hier sind Hersteller, Netzbetreiber und Diensteanbieter gleichermaßen gefordert, einfache Lösungen für Kunden zu entwickeln. Die Telekom setzt sich bei den Standardisierungsgremien für einheitliche Verschlüsselungstechniken ein.
Netzbetreiber dürfen sich nicht von einzelnen Herstellern kritischer Infrastrukturkomponenten abhängig machen. Die Telekom führt für diese Elemente eine so genannte georedundante Dual-Vendor-Strategie ein. Bei kritischen Komponenten setzt die Telekom Produkte von mindestens zwei Herstellern aus unterschiedlichen geographischen Regionen ein.
Hersteller von Hard- und Software müssen genauso wie Netz- und Diensteanbieter bekannte Schwachstellen unverzüglich beseitigen. Die Telekom wird ihre Zulieferer dazu verpflichten. Bei besonders kritischen Komponenten sollte die Sicherheit der Produkte durch eine unabhängige Prüfstelle nachgewiesen werden. Das IT-Sicherheitsgesetz sowie die entsprechende Richtlinie der EU sollten das aufgreifen.
Daten dürfen beim Transport durch das Internet keine Umwege durch andere Rechtsräume nehmen. Im Telekom-Netz ist das Internet der kurzen Wege bereits realisiert. Diesen Ansatz will die Telekom mit einer Selbstverpflichtung aller Internetprovider weiter vorantreiben. Damit würde ein unberechtigter Zugriff auf die in Europa transportierten Daten von außerhalb deutlich erschwert.
Die Telekom wollte die Pläne nicht kommentieren.
Doch intern steht die Gewinnerin von Höttges’ Halbzeitrochade bereits fest: Die bisherige Europachefin Claudia Nemat soll nach Informationen der WirtschaftsWoche den neuen Posten übernehmen – und rückt damit zur neuen Nummer zwei in der Konzernhierarchie auf.
Die 47-jährige Physikerin übernimmt eine Herkulesaufgabe, die für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Telekom entscheidend ist: Sie soll den nächsten großen Schritt beim Modernisieren der Netze und IT-Systeme machen und die beiden bisher getrennt operierenden Bereiche zusammenlegen.
Nemat wird zur Königin der Netze und IT-Systeme
Höttges will die gesamte Produktion, dazu zählen Netze, IT und Innovationen, in der Hand eines Vorstands bündeln und auf einen Schlag die internen Reibungsflächen auflösen, die bisher den Start neuer Produkte verzögerten. Neue Geschäftsfelder wie das autonome Fahren können nur funktionieren, wenn Mobilfunk, Festnetz und IT-Systeme perfekt aufeinander abgestimmt sind, heißt es aus Telekom-Kreisen. Dafür soll Nemat die Grundlagen schaffen.
Damit sie zur Königin der Netze und IT-Systeme aufsteigen kann, müssen die beiden Vorstände Niek Jan van Damme und Reinhard Clemens einen Teil ihrer Macht abgeben.
Van Damme bleibt offenbar Deutschlandchef, verliert aber den Bereich Innovationen an Nemat. Der Vertrag von T-Systems-Chef Clemens, der 2017 ausläuft, wird wahrscheinlich um weitere fünf Jahre verlängert. Clemens soll sich künftig aber ausschließlich um die Unternehmenskunden kümmern und nicht mehr um die IT.
Die Bereiche IT und Innovationen mit zusammen mehr als 10.000 Mitarbeitern bekommen dann Nemat als neue Chefin. Eine Managerin, die ihre Ideen meist freundlich lächelnd vorträgt, aber knallhart umzusetzen weiß.
Nemat kam 2011 von der Unternehmensberatung McKinsey zur Telekom und gilt als „hervorragende Projektmanagerin“. Bisher war sie in Personalunion für die europäischen Auslandstöchter und die Technik verantwortlich und entwarf den Masterplan für die europaweite Einführung internetbasierter Übertragungstechniken (IP) im Festnetz. Bis 2018 will die Telekom alle Analog- und ISDN-Anschlüsse abstellen und auf die viel kostengünstigere IP-Technik umstellen. Das Projekt läuft zwar nicht ganz ohne Pannen, aber Experten hatten weit mehr Netzausfälle bei den Kunden befürchtet.
Völlig offen ist bislang, wer Nemats Job als Europavorstand übernimmt. Möglich ist aber, dass sie nicht länger die einzige Frau im Telekom-Vorstand bleibt. Bis 2020 soll eine zweite Frau in den Vorstand einziehen, hatte der Aufsichtsrat schon 2015 beschlossen. Die Suche habe bereits begonnen, heißt es aus dem Kontrollgremium.