Die Erfolgsgeschichte von Drillisch Vom Discounter zum T-Mobile-Herausforderer

Totgesagte leben länger: Der Discount-Anbieter Drillisch steigt zum vierten Mobilfunkbetreiber in Deutschland auf. Das Unternehmen soll Preissteigerungen verhindern. Wie haben die beiden Gründer das geschafft?

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Unterschätzte Brüder: Die Drillisch-Vorstände Paschalis und Vlasios Choulidis (links) sollen Preissteigerungen im Mobilfunk verhindern. Quelle: Angelika Zinzow für WirtschaftsWoche

Die Brüder Paschalis und Vlasios Choulidis schauen manchmal etwas neidisch auf die glanzvollen Karrieren einiger Weggefährten. Vor mehr als 20 Jahren, in der Gründerphase des Mobilfunks, gehörten auch Kai-Uwe Ricke und René Obermann dem Club der Chefs kleiner Telefonfirmen an, die ihr erstes Geld mit dem Verkauf von Handys und Mobilfunkverträgen verdienten.

Für Ricke und Obermann war das aber nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach ganz oben. Die beiden wechselten zur Telekom, machten gemeinsam Riesensprünge auf der Karriereleiter und schafften nacheinander innerhalb weniger Jahre den Sprung an die Spitze des Magenta-Riesen.

Die Choulidis-Brüder, wie sie in der Branche gerne genannt werden, blieben dagegen, was sie immer waren: Vorstände und Gesellschafter des wenig bekannten Mobilfunkhändlers Drillisch – einem winzigen Discounter, dem nie der große Durchbruch gelang. Im Haifischbecken der Mobilfunker ist Drillisch nur ein kleiner Fisch: Mit 356 Mitarbeitern und rund 290 Millionen Euro Umsatz kommt das Unternehmen lediglich auf einen Marktanteil von 1,2 Prozent.

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Ehemalige Weggefährten senkten deshalb bis vor Kurzem etwas hochnäsig den Daumen. Das Unternehmen sei „viel zu klein und unbedeutend“, setze auf das „falsche Geschäftsmodell“, besitze „nicht den Hauch einer Überlebenschance“ und werde deshalb „ganz schnell wieder vom Markt verschwinden“.

Sticheleien der Konkurrenz

An diese Sticheleien hatten sich Vorstandssprecher Paschalis und sein für Marketing und Vertrieb verantwortlicher Bruder Vlasios Choulidis fast schon gewöhnt: „Wir sind die ewig Totgesagten“, frotzeln sie heute und fügen hinzu: „Und die leben bekanntlich länger.“

Noch vor wenigen Monaten hätte sich keiner der beiden getraut, mit solch kecken Sprüchen die Konkurrenz zu provozieren. Bei der Suche nach den besten Einkaufskonditionen waren die Choulidis-Brüder auch vom Wohlwollen der Netzbetreiber abhängig. Da hält man sich lieber zurück.

Preise drücken

Jetzt aber sitzt das Brüderpaar in der Drillisch-Zentrale im hessischen Maintal und strotzt nur so vor Selbstvertrauen. Sie haben jetzt den Durchbruch erkämpft: „Wir sind der vierte Mobilfunkbetreiber in Deutschland“, sagt Paschalis Choulidis und strahlt. „Wir erhalten alle Freiheiten und können unsere Produkte und Tarife künftig so gestalten, wie wir wollen.“

Marktanteile der Mobilfunkanbieter in Deutschland. (Zum Vergrößern klicken Sie bitte das Bild an.)

Fast aussichtslos gingen die im politischen Lobbying relativ unerfahrenen Brüder ins Rennen, als Telefónica (Marke: O2) vor gut einem Jahr ein Übernahmeangebot in Höhe von 8,7 Milliarden Euro für den Konkurrenten E-Plus vorlegte. Die beiden wussten nur, dass sich eine einmalige Chance auftut: Der neue Mobilfunkriese mit insgesamt 45 Millionen Kunden bekommt den Segen der Brüsseler Wettbewerbshüter nur unter harten Auflagen. Drei etwa gleich starke Telekomkonzerne – Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica/E-Plus – hätten sonst ihre Marktmacht ausgespielt und ihre Preiskämpfe eingestellt.

Ausgerechnet dem kleinsten Mobilfunker vertraut Brüssel jetzt die große Aufgabe an, den Wettbewerb auf dem deutschen Markt zu beleben. Nach langen Verhandlungen, so heißt es, habe Drillisch die verbindlicheren Zusagen gemacht. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia setzte am 29. August seine Unterschrift unter einen Vertrag, mit dem Drillisch Zugriff auf ein Viertel der Netzkapazitäten der fusionierten Telefónica-/E-Plus-Gruppe bekommt und sich aus einem Korb von 600 O2-/E-Plus-Shops die besten aussuchen darf. Das alles gibt es zu „hervorragenden Einkaufskonditionen“, damit Drillisch die Rolle des Preisbrechers übernehmen kann.

Ein Vorstoß in neue Dimensionen

Die gleiche Statur, die gleichen Gesichtszüge, die gleiche Frisur, das gleiche Lachen – die Choulidis-Brüder könnten Zwillinge sein. Bei genauerem Hinsehen fallen die kleinen Unterschiede auf. Paschalis, Jahrgang 1963, ist fünf Jahre jünger als Vlasios, ein paar Zentimeter größer und bringt ein paar Kilo mehr auf die Waage.

Die Finanzmärkte trauen den beiden offenbar zu, in der Top-Liga der Mobilfunker zu bestehen: Die Drillisch-Aktie notiert bei 29 Euro, 37 Prozent höher als zu Jahresbeginn. „Wir sehen gute Chancen, dass Drillisch in eine neue Dimension vorstößt“, lobt Wolfgang Specht, Analyst beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf.

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Gratis-Apps Kostenlose Spiele gibt’s nur scheinbar gratis, tatsächlich finanzieren sich viele über eingeblendete Werbung. Die Bilder, Banner oder Videos werden parallel zu anderen Daten empfangen und fressen nicht nur Bandbreite sondern auch Batteriepower. Quelle: dpa
Allzu mobil Wer mit Auto oder Zug unterwegs ist, hat oft schlechteren Empfang, weil das Metall des Wagens die Signale abschirmt. Und je schneller es voran geht, desto schwerer wird es für’s Handy, die Verbindung beim Funkzellen-Wechsel intakt und schnell zu halten. Quelle: dpa/dpaweb
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Gleiche Telefone sind nicht gleich Hersteller beziehen die Bauteile Ihrer Handys von unterschiedlichen Quellen, und nicht alle sind – trotz identischen Aussehens – gleich gut bei Leistung oder Stromverbrauch. Allein vom Galaxy S3 gibt es mindestens zehn Varianten. Quelle: REUTERS
Zu viele Apps Haufenweise Apps auf dem Smartphone fressen nicht nur den Speicher auf, sondern können auch die Netzverbindung beeinträchtigen, weil ihr Betrieb im Telefon unerwünschte magnetische Störungen auslösen kann. Quelle: dpa

Für die Choulidis-Brüder ist das wie ein verspäteter Ritterschlag. Klein hatten sie in Deutschland angefangen. Die Eltern waren aus Griechenland ausgewandert: „Am 15. August 1970 kamen wir mit dem Zug im Münchner Hauptbahnhof an.“

Heiße Verhandlungen

Sie ließen sich in Hanau nieder, weil dort bereits ein Teil der Familie lebte. „In der Schule fühlten wir uns in den naturwissenschaftlichen Fächern besonders wohl“, erinnern sie sich. An dieser Vorliebe hat sich bis heute nichts geändert. „Die blättern Bilanzen im Schnelltempo durch und finden auf Anhieb die Schwachpunkte“, berichtet ein Manager, der lange an der Seite der Choulidis-Brüder gearbeitet hat.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich Drillisch gegenüber den viel größeren Konkurrenten United Internet und Freenet durchsetzen konnte. Die EU-Kommission hatte Telefónica den Auftrag erteilt, einen geeigneten Abnehmer für die Netzkapazitäten und die Shops zu finden.

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Ende Juni, in den dramatischen Stunden vor der Vertragsunterzeichnung mit Telefónica, deutete vieles darauf hin, das einer der Großen den Zuschlag bekommt. Doch die Brüder, die persönlich die Verhandlungen führten, machten das Rennen. Details aus der heißen Endphase wollen sie nicht verraten, nur so viel lassen sie durchblicken: „Wir haben die Chance schnell erkannt und wurden uns schnell einig“, sagen die beiden und lächeln spitzbübisch.

Insider bestätigen das: „Wenn es darauf ankommt, laufen die beiden zur Hochform auf.“ Geschäftspläne kalkulieren und komplexe Verträge hart aushandeln, darin seien sie „wahre Meister“.

Wie in jeder Familie lodert auch mal Streit zwischen den Brüdern auf. Aber endlose Auseinandersetzungen, die das Unternehmen lähmen, gibt es bei Drillisch nicht. „Die beiden sind einfach gut“, sagt Horst Lennertz, langjähriger Technik-Chef bei E-Plus und Aufsichtsrat bei Drillisch. „Ich kenne kaum jemanden, der die verschiedenen Geschäftsmodelle im Mobilfunk so verinnerlicht hat.“

Den Kundenbestand verfünffachen

Im Verhandlungsmarathon mit Telefónica gaben die Choulidis-Brüder offenbar die besseren Abnahmegarantien ab. Auch United Internet und Freenet hätten gern ein Viertel der Netzkapazitäten der O2-/E-Plus-Gruppe abgenommen. Sie wollten aber auch Klauseln im Vertrag aufnehmen, die einen Teil der damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken abfedern.

Denn wie bei jedem Prozentwert hängt die tatsächliche Höhe der von O2/E-Plus abzugebenden Übertragungskapazitäten von den künftigen Netzausbauplänen ab. „Wenn Telefónica stärker investiert und die Netzkapazitäten erweitert, müsste der neue Partner auch mehr abnehmen“, berichtet ein Teilnehmer aus den Verhandlungen. Und da habe Drillisch offenbar die verbindlicheren Zusagen gemacht.

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Ausgerechnet Drillisch. Seit Jahren verlassen sich die Choulidis-Brüder allein darauf, dass preisbewusste Kunden im Internet den günstigsten Flatrate-Tarif finden und dann zu ihnen wechseln. Zwölf der rund 50 in Deutschland aktiven Discount-Marken haben die beiden aufgelegt. Die meisten tragen skurril anmutende Namen wie Maxxim, Discotel, hellomobil, McSim, Phonex oder DeutschlandSIM.

„Wichtig ist“, erzählen sie freimütig, „die Präsenz unserer Marken im Internet und dass wir in den Ranglisten der Vergleichsportale die Top-Positionen mit unseren Marken besetzen.“ Da die Konkurrenz oft nur mit einem Produkt auf den hinteren Plätzen vertreten ist, stehen die Drillisch-Marken als günstigste Anbieter da: „Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Interessenten ein Produkt von uns kaufen.“

Mit dieser Masche gewinnt Drillisch rund 50.000 Neukunden pro Quartal. Die derzeit erfolgreichsten Discounter Alditalk, blau.de und Congstar glänzen allerdings mit weit höheren Zuwachsraten. Die Folge: Selbst gemeinsam kommen alle zwölf Drillisch-Marken nur auf 1,8 Millionen Kunden. Congstar, die Discount-Tochter der Telekom, zählt alleine 3,4 Millionen Nutzer.

Quasi über Nacht müssen die Choulidis-Brüder jetzt beweisen, dass sie schneller Marktanteile gewinnen können. Mit dem Zugriff auf bis zu 30 Prozent der Netzkapazitäten ließen sich gut zehn Millionen Mobilfunkkunden bedienen. Rund acht Millionen Kunden muss Drillisch also in den nächsten Jahren hinzugewinnen.

Denn richtig profitabel ist der Deal mit Telefónica erst, wenn die zur Verfügung gestellten Kapazitäten voll ausgelastet werden. Binnen weniger Jahre den Kundenbestand verfünffachen, das ist in einem mit mehr als 116 Millionen aktiven Mobilgeräten (1,4 pro Einwohner) fast schon gesättigten Markt ein ehrgeiziges Unterfangen.

Strategie auf den Kopf stellen

Möglich ist das nur, wenn die Choulidis-Brüder ihre Strategie auf den Kopf stellen. Bisher verzichten sie auf alles, was Geld kostet. Kein eigenes Netz, keine Shops, keine Werbung – das war die in Stein gemeißelte Firmenphilosophie.

Die gilt jetzt nicht mehr. Die ersten Shops sollen Anfang 2015 öffnen, kündigt Vlasios Choulidis an. Unter welcher Marke sie firmieren, ist noch offen. Auch die Produktpalette wird überarbeitet.

Eine eigene Premiummarke soll künftig auch in den Kampf um die Smartphones und Tablets viel surfender Geschäftskunden eingreifen.

Auch die ganz auf die Choulidis-Brüder ausgerichtete Führungsstruktur von Drillisch steht auf dem Prüfstand. Mit dem Aufstieg in die Beletage des deutschen Mobilfunks finde auch die traute Zweisamkeit im Vorstand, so heißt es aus dem Drillisch-Umfeld, ein baldiges Ende.

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