Die Macher hinter Rocket Internet Das Samwer-Imperium ist nur eine riskante Wette

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Leben im Schmutz

Noch 27 Minuten bis zum Abflug. Oliver Samwer, verstrubbeltes Haar, hellblaues Hemd, drahtige Figur, zeichnet auf dem Kunstlederbezug der Rückbank im Taxi mit dem Zeigefinger die Unternehmensstruktur von Rocket Internet.

Als „McKinsey auf Steroiden“ soll er Rocket Internet einmal bezeichnet haben. Rund 330 Mitarbeiter arbeiten in der Schaltzentrale des Firmenbeschleunigers in der Berliner Johannisstraße. Die meisten von ihnen sind jünger als Lady Gaga, das Durchschnittsalter liegt bei unter 28 Jahren. Der 42-jährige Oliver Samwer gilt als oberster Einpeitscher der Truppe. Arbeitstage von 18 Stunden sind für ihn Routine. Als seinen Lieblingsfilm nannte er im „Stern“ einst das Heldenepos „Gladiator“, bei dem abgeschlagene Köpfe durch die Landschaft kegeln und Blut literweise strömt. Auch das Schottenlichtspiel „Braveheart“ gehört zu seinem cineastischen Kanon. Prädikat: Besonders lehrreich. „Schaut euch den Film ruhig an“, riet Oliver Samwer einst Studenten bei einem Vortrag. „Braveheart sah so aus, wie er lebte: im Schmutz.“ Soll wohl heißen: Auf prunkvolle Büros und ähnliches Konzernchichi sollten digitale Leistungsträger im Dienst von Dirty Olli nicht bauen.

Stattdessen gibt’s markige Ansagen vom Chef. Legendär ist etwa seine Motivationsmail an Führungskräfte betreff „When is it time for blitzkrieg“. Darin forderte er von Mitarbeitern Strategiepläne, „die mit eurem Blut unterschrieben“ sind, und gab Parolen aus wie: „Ich werde sterben, um zu gewinnen.“ Später entschuldigte er sich für die Entgleisung. Es sei nur fair, nicht jedes Wort einer nächtlichen E-Mail auf die Goldwaage zu legen.

Auch nonverbal sind die Raketen-Brüder für robuste Auftritte bekannt. Im Umgang mit Geschäftspartnern wie Wettbewerbern verortet ein früherer Rocket-Internet-Manager die Samwers und ihre Statthalter an der „Grenze des Zumutbaren“.

Zitate über Oliver Samwer

Harsche Vorwürfe gab es etwa bei Wimdu. Über die Online-Übernachtungsbörse, eine Kopie des amerikanischen Marktführers Airbnb, können private Anbieter Wohnungen an Reisende vermieten. Doch bei der Gründung von Wimdu fehlte es der Plattform an Unterkünften. Bei der Akquise von Vermietern sollen die Wimdu-Kräfte deshalb im Revier von Wettbewerbern wie Airbnb gewildert haben. Per E-Mail informierte Airbnb seine Geschäftspartner über die „Attacken der Klone“, die sogar vorgegaukelt hätten, im Auftrag von Airbnb zu arbeiten, in Wahrheit aber nur Vermieter abwerben wollten. Wimdu ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

Bei Auslandseinsätzen der Samwers geht es nicht minder stürmisch zur Sache. Wenn sich die deutschen Expeditionskorps auf den Weg machen, um ein Geschäftsmodell in die Welt zu tragen, nutzen die Rocket-Internet-Kräfte Touristen-Visa. Der Antrag für ein reguläres Geschäftsvisum dauert ihnen zu lange. Irgendwann, erzählt Oliver Samwer gern, seien in einem Auslandsbüro mal ein paar Beamte zum Kontrollbesuch aufgeschlagen. An dem Tag hätten die Rocket-Touris dann halt von zu Hause aus gearbeitet. „Man muss einfach super pragmatisch sein“, so Samwer.

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