Digital-Gipfel der Bundesregierung Warum die Digitalwirtschaft ein neues Wettbewerbsrecht braucht

Die Mitglieder der G-Mafia (Google, Microsoft, Amazon, Facebook, Intel und Apple) haben mit ihren Daten eine neue Marktmacht erlangt. Quelle: REUTERS

Technikkonzerne wie Google und Facebook haben mit Daten eine neue Art von Marktmacht erlangt. Regierungen suchen nach Lösungen, den Wettbewerb zu erhalten oder wieder herzustellen. Aber wann hemmt Regulierung Innovation?

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Philip Marsden stellt sich US-amerikanische Technikunternehmen als riesige Babys vor. Sie wollten nicht wirklich böse sein, davon gehe er aus – aber sie wüssten nicht, was sie tun. Sie wollten Aufmerksamkeit und krabbelten schnell im Zimmer herum – dabei machten sie dann eben auch mal etwas kaputt. Er liebe Babys, sagt Marsden: „Aber man kann sie nicht selbst entscheiden lassen, wann sie gebadet werden wollen.“

Soll heißen: Die Rahmenbedingungen setzen immer noch wir. Marsden, Kartellrechtsexperte und Komitee-Mitglied der britischen Zentralbank, ist zu Gast bei einer Datenkonferenz in Berlin. Die Konrad-Adenauer-Stiftung will herausfinden, ob Europa einen Ansatz beim Thema Daten hat, der einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und China darstellt.

Marsden hat an einem Bericht mitgearbeitet, der ein neues Digitalkartellrecht für Großbritannien vorschlägt. Die US-Technikkonzerne fasst er gern unter dem Namen G-Mafia zusammen – für Google, Microsoft, Amazon, Facebook, Intel und Apple. Was sie Marsdens Meinung nach vereint: Sie bieten Dienste an, zu denen Menschen nur die Alternative haben, sie überhaupt nicht zu nutzen, „aber das wäre vollkommen irrational“, sagt er. Auf Konkurrenten ausweichen könne man dagegen nicht – denn es gibt schlicht keine.

In vielen Ländern denken Politiker derzeit darüber nach, wie sie der Marktmacht einzelner großer Digitalkonzerne begegnen können, auch Uber und Booking gehören dazu. Es geht um Märkte wie die Internetsuche, soziale Medien, Onlinehandel, und damit verbunden digitale Werbung, auf denen einige dominante Anbieter immer mehr Macht vereinen. Der Grund dafür sind Skaleneffekte, die Unternehmen verfügen über so viele Daten sowie inzwischen die entsprechende Infrastruktur, dass sie in einem ganzen Netzwerk von Angeboten Vorteile entwickeln können. Beispielsweise zeigt Google Suchenden auch gleich selbst Hotelangebote oder Produktpreise an.

Die Frage ist, ob es deshalb eine andere Form der Regulierung als in der bisherigen Wirtschaftswelt braucht. In den USA hat die Senatorin Elizabeth Warren, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden will, angekündigt, als Präsidentin würde sie Amazon, Facebook und Google entflechten, indem die Konzerne einige Zukäufe wieder verkaufen müssten – Whole Foods (Amazon), Instagram (Facebook) und Waze (Google) zum Beispiel.

Auch die EU-Kommission will etwas gegen die Dominanz der Unternehmen tun, genaue Pläne wird allerdings die erst zu wählende neue Binnenkommissarin noch ausarbeiten müssen. Man suche laufend nach Verbesserungen im Rahmen der geltenden Regelungen, sagt Marieke Scholz, Stellvertreterin der Kartellrechtseinheit der EU-Kommission, in Berlin. Bislang strafte die Kommission eher als dass sie regulierte – Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verhängte mehr als einmal Milliardenstrafen gegen Google.

In Großbritannien hat die Expertengruppe um Philip Marsden ihrer Regierung bereits empfohlen, das zu ändern: Statt auf Missbrauch zu reagieren, solle man Voraussetzungen schaffen, die einen solchen verhindern. Dabei helfen soll eine neue Einheit für Digitalmärkte, möglicherweise als neue unabhängige Behörde. Es gehe nicht um weitere, riesige Bürokratie, verspricht Marsden. „Aber wir müssen die wichtigsten Aspekte definieren, die wir toxisch finden.“

In Deutschland wiederum hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gerade eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgelegt. Demnach soll das Bundeskartellamt eine sogenannte marktübergreifende Stellung eines Unternehmens feststellen können, der sich am Zugang des Konzerns zu wettbewerbsrelevanten Daten bemisst. Die Behörde könnte dem Unternehmen dann verbieten, diese Daten auch für ein anderes Geschäftsmodell so zu nutzen, dass Konkurrenten vom Markt ausgeschlossen werden oder ihnen der Eintritt erschwert wird.

Beim Umgang mit personenbezogenen Daten sollen Menschen außerdem künftig die Möglichkeit bekommen, auf ihre eigenen Daten zugreifen zu können und diese auch mitzunehmen, falls sie eine Plattform verlassen und ihr Profil auf die eines anderen, möglicherweise neuen Anbieters, verlegen wollen.

„Wir müssen das deutsche Wettbewerbsrecht auffrischen“, sagt der Leiter des Referats für wettbewerbspolitische Grundsatzfragen der Digitalisierung im Wirtschaftsministerium, Thorsten Käseberg, auf der Tagung der Adenauer-Stiftung. Wenn beispielsweise zwei Unternehmen zusammenarbeiteten und Daten vernetzter Maschinen verwendeten, ein Unternehmen aber vom anderen abhängig sei, müsse es auch „Zugang zu bestimmten Daten erhalten“ können.

In Europa werde es aber wahrscheinlich nicht dazu kommen, Technikunternehmen zu zerschlagen, glaubt Käseberg. Man wolle Regulierung ja auch nicht so entwerfen, dass sie Innovation hemme, ergänzt Philip Marsden. Aber massive Strafen anzudrohen, das müsse möglich sein: „Und da spreche ich nicht von zehn Prozent des Umsatzes. Bei Verstößen finde ich das wirklich lächerlich niedrig.“

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