Ist es gefährlich, wenn mächtige Firmen traditionelle Staatsaufgaben übernehmen und sich etwa in der öffentlichen Daseinsvorsorge engagieren?
Man muss das im Auge behalten, weil Unternehmen den Staat nicht ablösen sollten. Aber es spricht nichts dagegen, wenn sie ihn bei manchen Aufgaben unterstützen. Natürlich nur, wenn die Staaten weiter Einfluss darauf haben, was passiert. Es kann nicht sein, dass ein paar mächtige Konzernführer entscheiden, wie die Welt aussehen soll. Das wäre wirklich gefährlich.
Nicht nur Privatpersonen, auch Politiker machen sich Sorgen, dass sich die Googles, Amazons und Facebooks wegen ihrer Marktmacht immer weniger kontrollieren lassen.
Das sind börsennotierte Unternehmen, die werden natürlich kontrolliert und reguliert. Sie machen nicht einfach, was sie wollen. Die kennen ihre Rahmenbedingungen und wissen, dass man ihre Macht beschneiden kann.
Trotzdem ist in Europa die Skepsis gegenüber Google gerade beim Thema Datenschutz groß.
Die hat auch ihre Berechtigung. Allerdings hat die Diskussion dazu geführt, dass man bei Google den Umgang mit Nutzerdaten überdenkt. Der Konzern hat einen neuen Datenschutzchef eingestellt, einen Österreicher. Das zeigt, dass man auf die europäischen Bedenken durchaus reagiert.
Was hat Sie an Larry Page, mit dem Sie viele Interviews geführt haben, am meisten überrascht?
Er ist das komplette Gegenteil dessen, was wir uns unter einem Konzernführer vorstellen. Die sind meist extrovertiert, sehr laut. Page hingegen ist schüchtern, meidet die Öffentlichkeit, spricht leise.
Google-Imperium: Das ist die Alphabet-Holding
Das Dach der einzelnen Google-Einheiten bildet in Zukunft die neue Holding Alphabet. Die Unternehmensspitze besteht aus Larry Page (CEO), Sergey Brin (Präsident, Eric Schmidt (Chairman) und Ruth Porat (CFO).
Unter dem angestammten Namen des Konzerns sind die Internet-Suchmaschine, das Werbe-Geschäft sowie YouTube und Android gebündelt. Google ist damit eine Tochterfirma von Alphabet. Noch immer ist Google aber der wichtigste und wirtschaftlich stärkste Bereich.
In Googles Innovationslabor werden unter anderem selbstfahrende Autos, Drohnen und Ballons zur Internet-Versorgung entlegener Gebiete aus der Luft entwickelt.
Das Automatisierungsunternehmen Nest baut vernetzte Thermostaten, die über Apps gesteuert werden können. Auch Rauchmelder sind im Programm. Google kaufte das Unternehmen Anfang 2014 für mehr als drei Milliarden Dollar.
Die Gesundheitsfirma Calico - kurz für California Life Company - soll vor allem das Altern erforschen - um es eventuell bremsen zu können. Das Unternehmen wurde 2013 von Google gegründet.
In den USA bietet der Konzern unter diesem Namen in mehreren Städten ultra-schnelle Internet-Zugänge über Glasfaser-Anschlüsse an.
Der Spezialist Sidewalk ist auf die Infrastruktur moderner Städte fokussierte. Es geht unter anderem darum, den Verkehr effizienter zu machen, Energieverbrauch und Lebenshaltungskosten zu senken oder die Stadtverwaltung zu verbessern.
Über Google Ventures investiert der Konzern in Start-ups, unter anderem den umstrittenen Fahrdienst-Vermittler Uber.
Wie passt das mit seinen extremen Ambitionen zusammen?
Das ist tatsächlich bei Page nur schwer zu begreifen. Sergey Brin ist ein ganz anderer Typ. Er ist extrovertierter, ausgeflippter, der fährt mit Rollerblades über den Google-Campus. Er ist der Daniel Düsentrieb des Unternehmens, hat tausend Ideen. Page ist daher auch mehr mit der Führung betraut, Brin mit Erfindungen. Beide aber bauen mit unglaublicher Energie und Aufwand ein Unternehmen, das schneller, effizienter und erfindungsreicher als alle anderen sein soll. Sie fragen sich, wie sie die Hierarchien so flach halten können, dass sie sofort von null auf tausend hochschalten können. Der Leistungsdruck ist hoch, gleichzeitig ist die Atmosphäre sehr gut, weil die Mitarbeiter zufrieden sind. Es hilft natürlich, in Kalifornien unter Palmen zu arbeiten.
Google in Zahlen
Der Umsatz des Internet-Giganten lag im vierten Quartal 2014 bei 18,1 Milliarden Dollar. Den größten Teil seiner Umsätze (12,4 Milliarden Dollar) erzielte Google dabei auf den eigenen Seiten, den Rest (3,7 Milliarden Dollar) auf den Webseiten von Geschäftspartnern.
Wenn es um das Geldverdienen geht, ist Google quasi ein „One-Trick Pony“, also ein Zirkuspferd, das nur einen einzigen Trick beherrscht, nämlich Werbung. Von den 18,1 Milliarden Dollar Umsatz im vierten Quartal 2014 entfielen gut 16,1 Milliarden auf Online-Werbung.
In der Google-Bilanz wird neben Online-Werbung nur noch ein Umsatz-Segment mit dem Namen „Other“ (Anderes) aufgelistet. Hinter diesen Umsätzen von knapp zwei Milliarden Dollar, die Google nicht weiter aufschlüsselt, stehen nach Experten-Einschätzung vor allem die Gebühren aus dem Play Store, die der Internet-Riese von den Entwicklern von Android-Apps und Unterhaltungsanbietern verlangt.
Google Suche, G-Mail, Google Maps, der Online-Speicher Google Drive, das Smartphone-Betriebssystem Android mit dem App-Store Google Play: Die Liste der Google-Dienste wird von Jahr zu Jahr länger. In seinen geheimen Labs arbeitet der Konzern außerdem bereits an weiteren Produkten wie einem selbstfahrenden Auto oder Heißluft-Ballons, über die auch entlegene Gegenden mit Internet-Zugängen versorgt werden sollen.
Die digitalen Propheten aus dem Silicon Valley sind auch deshalb so mächtig, weil sie Information für die Nutzer erfolgreich kuratieren und personalisieren. Das erleichtert zwar das Leben. Es führt möglicherweise auch dazu, dass wir uns in einer für uns konstruierten Realität, einer auf unsere Interessen und Bedürfnisse abgestimmten Filterblase, bewegen.
Die Technologien verändern sich so schnell, dass wir kaum einen Überblick haben, was in den nächsten zwei Jahren passieren wird. In fünf bis zehn Jahren kann fast alles passieren, ausschließen würde ich für die Zukunft überhaupt nichts mehr.
Menschen, die sich nur noch in der eigenen Kaste bewegen. Das erinnert an Aldous Huxleys Dystopie "Schöne neue Welt". Macht Sie das beklommen?
Eigentlich bin ich eher optimistisch. Ich glaube, dass wir tatsächlich die Chance haben, das Leben vieler Menschen zu verbessern und zwar viel schneller, als in den vergangenen 20 Jahren. Der Bauer in Indien kann heute mit der digitalen Wettervorhersage oder mit Erntetipps auf dem Smartphone seinen Acker besser bewirtschaften als vorher. Außerdem hat der technologische Fortschritt in den vergangenen 200 Jahren, die industrielle Revolution, dazu geführt, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen mehr verbessert als verschlechtert haben. Das wird auch mit der Digitalisierung so sein. Wir sind zudem ja nicht völlig machtlos. Die Politik bestimmt, in welchen gesetzlichen Rahmen sich neue Technologien wie selbstfahrende Autos entfalten. Die lässt man ja nicht einfach ohne Regeln auf die Straße.
Mag sein. Dennoch gibt es die Sorge, dass uns Algorithmen das Denken abnehmen. Dass sie sogar vorgeben, was und wie wir denken sollen.
Nicht nur das Denken - Maschinen werden Menschen komplett ersetzen, gerade in der Arbeitswelt. Dass Algorithmen zu mächtig werden, halte ich für einen wirklich gefährlichen Nebeneffekt der Digitalisierung.