Verfügen europäische Internetgründer also eigentlich über bessere Bedingungen zum Durchstarten als ihre US-Konkurrenten?
Das könnte man angesichts der genannten Daten durchaus meinen. Doch auf unserer Seite des Atlantiks droht Gründern immer noch das Stigma des Misserfolgs, was manche vielleicht übervorsichtig werden lässt. Kein Wunder, denn meist dauert es mehrere Jahre, bis ein Insolvenzverfahren abschlossen ist. Erst danach bekommen im ersten Anlauf gescheiterte Unternehmer eine zweite Chance. Zudem ist es für Start-ups schwerer als in den USA, Geld für die der Gründungsphase folgenden Wachstumsphase einzuwerben, mit dem sie ihr Geschäft auf eine nennenswerte Größe bringen könnten. Weniger als ein Viertel des in junge europäische Unternehmen investierten Wagniskapitals floss im zweiten Quartal dieses Jahres in solche Wachstumsfinanzierungen. In den USA waren es 70 Prozent. Zudem gab es an den drei Hauptbörsenplätzen London, Frankfurt und Paris in den vergangenen zwölf Monaten nur drei Börsengänge von Internetunternehmen. Dagegen kamen die Amerikaner im selben Zeitraum auf mehr als 30 Tech-IPOs. Darunter war allerdings auch der Börsengang des französischen Unternehmens Criteo, einem Spezialisten für Onlinewerbung. Die hohen Summen, die an den US-Börsen eingesammelt werden können, locken also auch Europäer an.
Profitieren junge Internetunternehmen nicht von der Integration Europas?
Das Problem ist, dass Europa trotz der wirtschaftlichen Integration und des gemeinsamen Binnenmarkts national zersplittert ist. Hier gegründete Firmen haben daher einen deutlich kleineren Heimatmarkt als US-Konkurrenten und können daher nicht so einfach schnell wachsen. Ich will hier aber kein Klagelied darüber anstimmen, dass in den Vereinigten Staaten alles besser wäre. Die zwischenstaatlichen Grenzen in Europa können auch positive Folgen für junge Unternehmen haben. Beispielsweise müssen sie sich schon in einer früheren Phase als ihre amerikanischen Pendants Gedanken über eine Internationalisierung des Geschäfts machen. Sie erwerben dabei vorzeitig Fähigkeiten, die dabei helfen können, später den Weltmarkt zu erobern.
Wann starten die europäischen Digitalfirmen richtig durch?
Gestartet sind sie ja schon längst. Schauen Sie sich zum Beispiel Erfolgsgeschichten wie Skype, Spotify oder Fotolia an. Für den Durchbruch auf breiterer Front muss jedoch die Wachstumsfinanzierung sichergestellt werden, wobei auch Private-Equity-Investoren wie KKR eine wichtige Rolle spielen werden. Europa verfügt als Ideenschmiede neben einigen Nachteilen auch über einen wichtigen Vorteil gegenüber den USA, nämlich einer ausgeprägten Diversität. In den USA gibt es mit dem Silicon Valley aufgrund einer über Jahrzehnte gewachsenen unternehmerischen Infrastruktur ein klar dominierendes Kreativzentrum, das neue Geschäftsmodelle hervorbringt. In Europa dagegen verteilt sich die unternehmerische Aktivität im Digitalbereich auf mehrere Zentren wie London, Berlin, Stockholm, Paris oder Helsinki. All diese „Kreativ-Hubs“ haben ihr eigenes lokales Gewebe, sind aber dennoch eng miteinander verbunden. Tüftler und Unternehmer aus den skandinavischen Ländern etwa haben das Musikportal Spotify hervorgebracht sowie den Internettelefondienst Skype oder den Onlinezahlservice Klarna aufgebaut. Sie haben sich dabei auf Talent und Kapital aus ganz Europa gestützt. Fotolia, die führende europäische Plattform für lizensierte digitale Bilder, in die wir 2012 investiert haben, ist mittlerweile in 23 Ländern aktiv. Alleine im vergangenen Jahr hat das Unternehmen Websites in acht neuen Ländern eröffnet.