Diskussion um Corona-App Smarte Bekämpfung der Pandemie ist erlaubt

Kann eine Smartphone-App dabei helfen, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern? Quelle: dpa

Der Schutz von Leben scheitert nicht am Datenschutz. Der Einsatz von Tracking-Apps, die Standorte von Corona-Infizierten zeigen, ist in Deutschland sogar ohne Gesetzesnovelle möglich, argumentiert der Anwalt Peter Schmitz in seinem Gastbeitrag.

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Peter Schmitz ist ein auf Telekommunikation und Datenschutz spezialisierter Anwalt in der Düsseldorfer Kanzlei Juconomy und Co-Herausgeber des Kommentars zum Telemediengesetz bei C.H.Beck.

Und das ist gut so: Zur Gefahrenabwehr und Seucheneindämmung ist der Staat verpflichtet, soweit wie möglich die Infektionsketten zu unterbrechen. Aus diesen Grund sind aktuell auch die tief in die Freiheitsrechte der Menschen und die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifenden Kontaktsperren gerechtfertigt.

Vorherrschende Meinung in Deutschland scheint aber zu sein, dass die Nutzung personalisierter Bewegungsdaten aus dem Mobilfunk oder einer neuen App zur Seuchenbekämpfung nur auf freiwilliger Basis möglich seien. Eine staatliche Anordnung gefährde und verletze den Rechtsstaat – wegen der „Tiefe der Eingriffe“, warnt zum Beispiel Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, scheint neben dem Nutzen auch die Angemessenheit sowie die rechtlichen Grundlagen zu bezweifeln.

Zugespitzt und rhetorisch gefragt: Dürfen wir Seuchen ausrotten und Leben nur dann retten, wenn alle freiwillig mitmachen? Gebietet es das Grundgesetz, dass jeder die Verwendung seiner Bewegungsdaten verweigern darf, wenn mit diesen Daten möglicherweise das Leben anderer geschützt werden könnte? Ist es wichtiger, die Daten von Menschen zu schützen als das Leben von Menschen?

Ob ein smarter Seuchenschutz die Pandemie mit gewisser Wahrscheinlichkeit wirklich eindämmen kann, müssen Experten beurteilen. Aber wenn sie zu solch einer Einschätzung kommen, dann ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auch auf diesen Extremfall vorbereitet. Die Datenverarbeitung zur Seuchenbekämpfung ist nach Artikel 6 Absatz 1 DSGVO – in diesem speziellen Fall sogar für Telekommunikationsdaten – ausdrücklich erlaubt, wenn das Leben und die lebenswichtigen Interessen Dritter geschützt werden müssen. Nach Erwägungsgrund 46 DSGVO „kann beispielsweise die Verarbeitung für humanitäre Zwecke einschließlich der Überwachung von Epidemien und deren Ausbreitung … erforderlich sein.“

Nach Erwägungsgrund 49 und Art. 95, 96 DSGVO wird auch die Verarbeitung von Telekommunikationsdaten geregelt. Rechtliche Details müssen und können schnell geklärt werden, erste Grundlagen finden sich hierzu unter folgendem Link.

Die DSGVO ist unmittelbar anwendbares Recht. Rechtsstaat und Art. 2, Absatz 1 und Art. 10 Grundgesetz bleiben nach der wahrscheinlichen Faktenlage auch beim smarten Seuchenschutz gewahrt. Der Eingriff ist verhältnismäßig und gesetzlich geregelt. Außerdem ist er bei Gefahr im Verzug auf den vorübergehenden Zweck der Seuchenbekämpfung begrenzt. Das Recht auf Datenschutz besteht von vornherein nicht schrankenlos. Aber der Staat würde seine Fürsorgepflicht verletzen, wenn er nicht alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um die Pandemie einzugrenzen und damit Menschenleben zu retten.

Die Bundesregierung sollte sich beeilen und den smarten Seuchenschutz per Tracking-App unbürokratisch ohne Gesetzesänderung verordnen. Immerhin 50 Prozent der Bevölkerung würden nach aktuellen Umfragen solch eine ungewöhnliche Maßnahme unterstützen.

Die Aussicht, dass nach einer erfolgreichen Einführung die Landesregierungen früher als geplant mehr Bewegungsfreiheiten gewähren könnten, sollte auch die Gegner umstimmen. Denn dann wäre allen geholfen: der Freiheit, der Wirtschaft und damit auch unserer Lebensgrundlage. Sonst können wir später unseren Kindern nicht erklären, warum andere Länder ihre Bürger und ihre Unternehmen besser schützen konnten, obwohl auch wir eigentlich alle technischen und rechtlichen Grundlagen für eine smarte und damit schnellere Seuchenbekämpfung hatten.

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Ulrich Kelber ist Bundesbeauftragter für Datenschutz. Er spricht über den Vorwurf an seine Zunft, Innovationen zu blockieren – und erklärt, warum es in Deutschland nur freiwillig installierte Corona-Apps geben darf.

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