Editorial
Quelle: REUTERS

Der Kontrollverlust kommt heftiger – und ist konkret

Quelle: Jann Höfer für WirtschaftsWoche
Horst von Buttlar Chefredakteur WirtschaftsWoche

Seit dem Aufkommen von ChatGPT mischen sich Neugier und Sorge, wie diese Tools unser Leben verändern und was sie für Jobs und Unternehmen bedeuten. Der Moment des Kontrollverlusts kommt diesmal früher.

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Diese Woche wurde auf Twitter ein Bild verbreitet, auf dem das Pentagon hinter schwarzem Rauch, vermutlich nach einer Explosion, zu sehen ist. Schon bald wurde das Foto als Fälschung entlarvt, es wurde offenbar mithilfe künstlicher Intelligenz erzeugt. Doch der Schreckmoment war da, der Aktienindex S&P 500 sackte Montagmorgen sogar kurz um 0,3 Prozent ab.

Das Ereignis ist, obschon schnell aus der Welt geschafft, ein Warnsignal, und zeigt erneut, wie schmal der Grat unserer vermeintlichen Gewissheit ist und wie groß die Gefahren sind, die von den neuen Programmen und Werkzeugen ausgehen, mit denen wir unendlich Texte und Bilder erzeugen können. Realität und Erfindung, Fakt und Fake werden in neuen Dimensionen verschmelzen und verschwimmen. Der Papst in Daunenjacke, Angela Merkel und Barack Obama beim Eisessen – das war Spielerei, die Vorgruppe. Fotos von Katastrophen oder Reden von Politikern, die nie stattgefunden haben, die Märkte in Turbulenzen stürzen oder Wahlen beeinflussen, das ist der Ernstfall.

Seit ChatGPT uns in Bann hält, bewegen uns zwei Gefühlsstränge: Auf dem einen mischen sich Neugier und Lust, Freude und Sorge, was diese Tools für unser Leben, die Jobs und Unternehmen bedeuten. Viele experimentieren, organisieren Workshops und bilden Taskforces, sie ergründen, wie man ChatGPT oder andere Tools in Prozesse integriert oder neue Produkte schafft. Das ist wichtig, ja, ein strategischer Imperativ.

Dabei schwirren all jene Sätze von Experten und Gurus um uns, wie sehr diese neue Generation an KI-Tools die Welt verändern wird – und hier beginnt der zweite Gefühlsstrang: Auf dem geht es schlicht um die Frage, ob wir noch die Kontrolle haben – oder der Zauberlehrlingsmoment längst gelaufen ist. Jeden Tag erleben wir Folgen des Kontrollverlusts: In den USA streiken derzeit die Drehbuchautoren – es geht um Gehalt und den Einsatz von KI bei Skripts. Spotify hat Zehntausende Songs gelöscht, von KI generiert, die die Plattform geflutet hatten. Dabei geht es nicht nur um die Entwertung von Kunst und menschlichem Schaffen – man könnte sagen: Nun, wenn das Drehbuch gut ist, ist doch egal, wer es geschrieben hat!

Die Frage ist vielmehr, ob Menschen den Unterschied noch erkennen, und ob der Unterschied einen Wert hat oder Schäden anrichtet. Als die sozialen Netzwerke aufkamen, dauerte es Jahre, bis Facebook und andere mehr Leute anheuerten, die Gewalt, Hass und Fake News aus dem Netz fischen und filtern. Der Moment des Kontrollverlusts kommt diesmal früher und heftiger, er ist konkret, nicht abstrakt.

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„Alles Denkbare wird einmal gedacht“, lautet ein Schlüsselsatz in Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“: Erfindungen und ihre Wirkung, so die Botschaft, können wir nicht aufhalten. Wir sollten sie aber steuern und kontrollieren. Je früher und klarer wir die Gefahren verstehen und entschlüsseln, sie eindämmen und regulieren, desto mehr werden die Chancen in unserem Alltag leuchten.

Lesen Sie auch: Ein Gespräch mit ChatGPT – „du darfst meine Antwort gerne zitieren!“

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